VwGH 92/16/0177

VwGH92/16/017718.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der B in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 2. September 1992, Zl. 279/3-9/Nd-1992, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §6;
KVG 1934 §17 Abs1;
KVG 1934 §18 Abs1;
KVG 1934 §21 Z1;
KVG 1934 §21 Z2;
KVG 1934 §21 Z3;
VwRallg;
ABGB §6;
KVG 1934 §17 Abs1;
KVG 1934 §18 Abs1;
KVG 1934 §21 Z1;
KVG 1934 §21 Z2;
KVG 1934 §21 Z3;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Ehegatten Arnold und Anneliese S. besaßen an der S. AG je

14.383 Stammaktien mit einem Nennwert von je S 1.000,-- sowie je 7.167 stimmrechtslose Vorzugsaktien im Nennwert von je S 1.000,--. Nach dem Inhalt der Akten bilden die Ehegatten den Vorstand der Aktiengesellschaft. Am 16. Dezember 1988 schlossen sie mit ihren vier Kindern, darunter die Beschwerdeführerin, einen "Schenkungsvertrag verbunden mit Fruchtgenußvereinbarung und Optionsvertrag". In dieser Vereinbarung schenkten Arnold und Anneliese S. der Beschwerdeführerin insgesamt 7.167 stimmrechtslose Vorzugsaktien an der S. AG im Nennwert von S 7,167.000,--. Die Geschenkgeber behielten sich nach Punkt 3. des Vertragswerkes an den geschenkten Aktien das lebenslängliche und unentgeltliche Fruchtgenußrecht vor. Am selben Tag schlossen die Ehegatten S. mit ihren vier Kindern einen Syndikatsvertrag betreffend den Aktienbesitz an der S. AG ab.

In den von der Beschwerdeführerin beim Finanzamt eingebrachten Schenkungssteuererklärungen wurde der Wert der Zuwendung jeden Elternteils (Nennwert S 3,583.500,--) mit S 22,289.370,--, der Wert des Fruchtgenußrechtes mit je S 47,233.800,-- beziffert.

Das Finanzamt schrieb hierauf der Beschwerdeführerin nach dem - in den Schenkungssteuererklärungen einbekannten Wert der übertragenen Aktien von insgesamt S 44,578.740,-- - Börsenumsatzsteuer in Höhe von S 66.868,-- vor.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde die Auffassung vertreten, daß ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft im Sinne des § 18 KVG nicht vorliege. Bei der Übertragung von Vermögensgegenständen unter Fruchtgenußvorbehalt sei zu unterscheiden, ob die Früchte aus der Sache selbst oder aus der Tätigkeit des Fruchtgenußbelasteten erzielt würden. Die aus einem Kapitalgesellschaftsanteil erzielten Erträge seien von einer aktiven Tätigkeit der zivilrechtlichen Anteilsinhaber unabhängig. Auf Grund von abgeschlossenen Syndikatsverträgen hätten sie im Beschwerdefall nicht einmal die Möglichkeit, die Sache frei zu benutzen. Die Altgesellschafter bezögen weiterhin die Früchte aus den Anteilen durch ihre eigene Tätigkeit.

Über entsprechenden Auftrag der belangten Behörde führte das Finanzamt in der Folge eine abgabenbehördliche Prüfung durch. Dabei wurde der gemeine Wert von stimmrechtslosen Vorzugsaktien im Nominale von S 3,583.500,-- mit

S 60,620.260,-- ermittelt. Der Jahreswert des Fruchtgenußrechtes an diesen Aktien wurde mit S 7,765.642,50 festgestellt. Der Wert des lebenslänglichen Fruchtgenußrechtes wurde bei Kapitalisierung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen für den Übergeber Arnold S. mit S 65,278.767,-- und für Anneliese S. mit S 74,307.883,-- errechnet. Bei Anwendung der Kapitalisierungsfaktoren im Sinne des § 16 BewG machte der Wert des lebenslänglichen Fruchtgenußrechtes bei beiden Übergebern S 69,890.778,-- aus.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid im Sinne des Ergebnisses der Prüfung insoferne abgeändert, als die Börsenumsatzsteuer von einem Wert der übergebenen Aktien in Höhe von zusammen S 121,240.520,-- bemessen wurde. Die durch die vorgenommene Prüfung (einvernehmlich) ermittelten Werte zeigten nach Ansicht der belangten Behörde, daß das vorliegende Rechtsgeschäft als ein entgeltliches zu beurteilen sei. Bei der Übertragung eines Geschäftsanteiles an einer Personengesellschaft stelle die Einräumung des Fruchtgenußrechtes an diesem Geschäftsanteil eine Gegenleistung dar. Gleiches müsse im Falle des Erwerbes von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft gelten.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, auf die von der Beschwerdeführerin repliziert wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Börsenumsatzsteuer unterliegt gemäß § 17 Abs. 1 KVG der Abschluß von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere. Anschaffungsgeschäfte sind nach § 18 Abs. 1 KVG entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind.

Die Börsenumsatzsteuer wird nach § 21 Z. 1 KVG regelmäßig von dem vereinbarten Preis berechnet. Wenn ein Preis nicht vereinbart ist, wird die Steuer nach Z. 2 dieser Gesetzesstelle von dem mittleren Börsen- oder Marktpreis berechnet; wenn es aber sowohl an einer Preisvereinbarung als auch an einem Börsen- oder Marktpreis fehlt, so ist der Wert des Wertpapiers Steuermaßstab (Z. 3).

Im Beschwerdefall ist die Bedeutung des § 18 Abs. 1 KVG strittig. Abgabenrechtliche Tatbestände sind nach dem abgabenrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Abgabengesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung auszulegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1992, 92/16/0015).

Aus dem Zusammenhalt mit § 21 KVG (insbesondere dessen Z. 3) ist dabei erkennbar, daß unter entgeltlichen Rechtsgeschäften auch solche Rechtsgeschäfte zu verstehen sind, bei denen es an einer Preisvereinbarung fehlt. Demzufolge ist unter einem Entgelt im Sinne des § 18 Abs. 1 KVG eine Gegenleistung jedweder Art zu verstehen, die für den Erwerb des Eigentums an den Wertpapieren erbracht werden muß.

Im Beschwerdefall haben sich die Übergeber der stimmrechtslosen Vorzugsaktien nach der als einheitliches Rechtsgeschäft zu wertenden Vereinbarung ausdrücklich das lebenslängliche Fruchtgenußrecht an diesen Aktien vorbehalten. Dieser Vorbehalt erstreckte sich auf die von den Übergebern - die als Mitglieder des Vorstandes der Aktiengesellschaft auch zur Vertretung der Gesellschaft berufen sind - durch Benützung der Sache selbst erzielten Erträgnisse. Bei verständiger Betrachtung des Inhalts des gesamten Vertragswerkes waren damit die durch die Benützung der übertragenen Sache selbst erzielten Erträgnisse gar nicht Gegenstand des Übertragungsaktes, sondern nur das bloße Eigentum an den stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Anders als im Falle der Übertragung eines Anteils an einer Offenen Handelsgesellschaft gegen Leistung von Erträgnissen aus dem übertragenen Anteil (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Juni 1963, 1869/62, und vom 18. Jänner 1973, 1310/72) hat die Übernehmerin der Aktien im Beschwerdefall schenkungsweise ein mit einem Fruchtgenußrecht belastetes Objekt erworben und ist daher keine Verpflichtung eingegangen, durch ihre Tätigkeit erzielte Erträgnisse den Übergebern zu überlassen. Daraus folgt, daß für die Übergabe des bloßen Eigentums an den Vorzugsaktien von der Beschwerdeführerin kein Entgelt erbracht worden ist.

Da somit der Tatbestand nach § 17 Abs. 1 KVG nicht erfüllt war, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, ohne daß auf die weiteren Beschwerdeausführungen näher einzugehen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Da der angefochtene Bescheid nur im einfachen Ausmaß vorzulegen ist, war der Ersatz von Beilagengebühr mit S 90,-- zu beschränken.

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