VwGH 92/13/0261

VwGH92/13/026127.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Präsidenten der FLD für Wien, NÖ und Bgld gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der FLD für Wien, NÖ und Bgld (Berufungssenat V) vom 11. Juni 1992, Zl. 6/3 - 3284/91-08, betreffend Einkommensteuer 1988 (mitbeteiligte Partei: J in W), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §19 Abs2;
EStG 1972 §34;
EStG 1972 §19 Abs2;
EStG 1972 §34;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Im Jänner 1988 wendete der Mitbeteiligte seiner Tochter den Betrag von 250.000 S als Heiratsgut zu. Die Tochter verehelichte sich am 26. August 1989. Im Verfahren betreffend Einkommensteuer 1988 beantragte der Mitbeteiligte, die Heiratsausstattung sowie einen für Begräbniskosten aufgewendeten Betrag von 48.338 S als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 EStG 1972 zu berücksichtigen.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Einkommensteuerbescheid wurden Zahlungen für das Heiratsgut in Höhe von 102.000 S und solche für Begräbniskosten in Höhe von 31.327 S als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Zur Begründung wird ausgeführt, der Bräutigam der Tochter des Mitbeteiligten habe im Jahr 1987 eine Wohnung für den gemeinsamen Hausstand angeschafft und finanziert. Zwischen den Brautleuten sei vereinbart gewesen, die Wohnungseinrichtung zu gleichen Teilen zu finanzieren. Der Mitbeteiligte habe das Heiratsgut zur Anschaffung von Einrichtungsgegenständen hingegeben; er habe es überwiegend - im Betrag von 189.310 S - durch einen Kredit finanziert, mit dessen Rückzahlung im April 1988 begonnen worden sei (Kreditraten 3.603 S). Die Tochter des Mitbeteiligten habe im Jahre 1988 ca. 47.000 S und im Jahr 1989 ca. 55.000 S für Einrichtungsgegenstände ausgegeben. Im übrigen habe sie das Heiratsgut zur Deckung von Lebenshaltungskosten und für diverse Anschaffungen ausgegeben. Die vorzeitige Hingabe einer Heiratsausstattung sei dann zwangsläufig, wenn der hingegebene Betrag zur Finanzierung von Aufwendungen erforderlich sei, die bereits vor der Eheschließung anfielen und in ursächlichem und engem zeitlichen Zusammenhang mit der späteren Eheschließung stünden. Nach Ansicht der belangten Behörde treffe dies im gegenständlichen Fall insoweit zu, als das hingegebene Geld für längerfristig zu beschaffende Einrichtungsgegenstände ausgegeben worden sei (1988 47.000 S, 1989 55.000 S). Der zwingende Grund für die vorzeitige Hingabe des Heiratsgutes liege hinsichtlich dieser Beträge darin, daß die Wohnung nur halb eingerichtet gewesen sei und die getätigten Investitionen erforderlich gewesen seien, um sie bezugsfertig zu machen. Zudem stünden die genannten Beträge, weil sie etwa Ausgaben für den Vorzimmereinbauschrank und für Sanitärinstallationen beinhalten würden, teilweise auch mit der Anschaffung der Wohnung im Zusammenhang. Daß der Betrag von 55.000 S erst im Jahre 1989 ausgegeben worden sei, sei nicht von Bedeutung, weil die Hingabe des Betrages deshalb im Jahr 1988 erfolgt sei, um den Brautleuten die Disposition zu erleichtern. Der weitere Betrag des Heiratsgutes sei nicht zwangsläufig im Jahre 1988 geleistet worden, weil er den laufenden Lebensunterhalt der Tochter und nicht längerfristig zu beschaffende Einrichtungsgegenstände betreffe. Die Begräbniskosten würden - wie bereits im Verfahren betreffend Eintragung eines Freibetrages in die Lohnsteuerkarte - mit dem Betrag von 31.327 S als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die Minderung gegenüber den geltend gemachten Kosten resultiere aus dem Abzug der Nachlaßaktiva.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und sah

von der Erstellung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der für das Streitjahr 1988 geltenden Rechtslage war die Leistung eines Heiratsgutes von der Anerkennung als außergewöhnliche Belastung nicht ausgeschlossen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entsteht die Verpflichtung zur Hingabe (Fälligkeit) der Heiratsausstattung grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Eheschließung. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof die vorzeitige Hingabe einer Heiratsausstattung auch dann bereits als zwangsläufig angesehen, wenn die Notwendigkeit besteht, eine solche Zuwendung schon vor dem Zeitpunkt der Eheschließung zu machen. Eine derartige Notwendigkeit kann gegeben sein, wenn der hingegebene Betrag zur Finanzierung von Aufwendungen erforderlich ist, die bereits vor der Eheschließung anfallen und im ursächlichen und engen zeitlichen Zusammenhang mit der späteren Eheschließung stehen. Dies kann beispielsweise bei der Anschaffung der späteren ehelichen Wohnung oder nur längerfristig zu beschaffender Einrichtungsgegenstände gegeben sein. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der erforderliche zeitliche Zusammenhang bei der Anschaffung einer Wohnung mit zwei Jahren und bei nur längerfristig zu beschaffenden Einrichtungsgegenständen mit einem Jahr begrenzt (vgl. hg. Erkenntnis vom 1. Oktober 1991, 91/14/0037, und die dort angeführte Vorjudikatur).

In der Beschwerde wird vorgebracht, es bestehe keine Zwangsläufigkeit, Verlobten, die sich aus freier Disposition und in Kenntnis der Einkommenslosigkeit zumindest eines Partners (hier: der Tochter des Mitbeteiligten) entschließen, schon vor Verehelichung einen gemeinsamen Haushalt zu begründen, daraus resultierende Aufwendungen zu finanzieren, die deren finanzielle Leistungsfähigkeit übersteigen würden. Die Bestellung des Heiratsgutes sei daher im gegenständlichen Fall nicht zwangsläufig gewesen. Darüber hinaus habe die belangte Behörde verkannt, daß kreditfinanzierte Ausgaben nicht zu außergewöhnlichen Belastungen führen könnten, sondern gegebenenfalls nur die nachfolgenden Kreditrückzahlungen. Darüber hinaus habe die belangte Behörde nicht beachtet, daß der Ausstattungsanspruch 25 - 30 % des Nettoeinkommens des Verpflichteten betrage; sie habe nur auf die Verwendung des Geldes durch die Tochter abgestellt, auf die Einkommenslage des Mitbeteiligten aber nicht Bedacht genommen. Hinsichtlich der Begräbniskosten wird in der Beschwerde gerügt, der angefochtene Bescheid lasse nicht erkennen, welchen Sachverhalt die Behörde ihrer Entscheidung zugrundegelegt habe und aus welchen Erwägungen sie zur Ansicht gelangt sei, daß die Zahlungen dem § 34 EStG 1972 zu subsumieren wären. Der Mitbeteiligte habe sich nämlich des Erbrechtes entschlagen, sodaß ihn keine aus der Erbfolge resultierende Pflicht zur Tragung der Begräbniskosten treffen könne.

Der Zweck der Heiratsgutbestellung besteht u.a. darin, daß die Ehegatten bereits ab der Eheschließung in angemessener Weise in ehelicher Gemeinschaft leben können, soweit die wirtschaftlichen Verhältnisse des Dotierungspflichtigen eine entsprechende Beitragsleistung erlauben (vgl. hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, 86/14/0023, 0024). Im Hinblick auf die wirtschaftlichen und praktischen Schwierigkeiten, die mit der Beschaffung und Einrichtung einer Wohnung regelmäßig verbunden sind, hat der Verwaltungsgerichtshof - wie bereits oben ausgeführt - die Hingabe eines Heiratsgutes zur Anschaffung (Herstellung) und Einrichtung einer Wohnung auch in Zeiträumen vor der Eheschließung in Ausnahmefällen als zwangsläufig angesehen. Im gegenständlichen Fall war die Verehelichung der Tochter des Mitbeteiligten für Ende 1989 (nach Abschluß ihrer Berufsausbildung) vorgesehen. Welche besonderen Gründe des Einzelfalles vorgelegen wären, die die Anerkennung der grundsätzlich möglichen Zwangsläufigkeit der vorzeitigen Hingabe des Heiratsgutes im gegenständlichen Fall rechtfertigen könnten, wird im angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar dargetan.

Der Einwand gegen die zwingende Notwendigkeit zur vorzeitigen Hingabe besteht auch insoweit zu Recht, als nach der hg. Rechtsprechung eine Beitragsleistung erst in jenem Zeitpunkt (Kalenderjahr) zwangsläufig anfällt, in dem sich für den Steuerpflichtigen die zwingende Notwendigkeit ergibt, für die als außergewöhnliche Belastung angesprochenen Kosten zur Anschaffung (Herstellung) von Wohnung und Einrichtungsgegenständen aufzukommen; solcherart besteht die Zwangsläufigkeit zur vorzeitigen Hingabe eines Heiratsgutes nicht, solange die Verpflichtung zur Bezahlung der Aufwendungen betreffend die Wohnung bzw. die Einrichtungsgegenstände nicht entstanden ist (vgl. hg. Erkenntnis 86/14/0023, 0024). Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, wenn sie die Zwangsläufigkeit der Vorleistung auch jenes Teiles des Heiratsgutes anerkannt hat (im Betrag von 55.000 S), welcher erst im Jahre 1989 zur Bezahlung von Einrichtungsgegenständen aufgewendet wurde. Nicht stichhaltig sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, die Vorleistung sei erfolgt, "um dem jungen Ehepaar die Disposition zu erleichtern". Der Mitbeteiligte hätte seiner rechtlichen Verpflichtung nämlich dadurch entsprochen, daß er der Tochter Mittel zu jenem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt hätte, in dem sie Zahlungen zu leisten hatte (siehe nochmals hg. Erkenntnis 86/14/0023, 0024).

Werden außergewöhnliche Belastungen mit Fremdmitteln finanziert, so sind erst die Rückzahlungen dieser Fremdmittel als außergewöhnliche Belastung abzuziehen (vgl. die bei Hofstätter/Reichel, EStG 1988, § 34 Abs. 1 Tz 2, und Quantschnigg/Schuch, § 34 TZ 6 zitierte hg. Judikatur). Zu Recht verweist die Beschwerde daher darauf, daß die belangte Behörde, weil sie in dieser Hinsicht die Rechtslage verkannte, keine Ermittlungen darüber angestellt hat, in welchem Ausmaß die von ihr anerkannten Beträge - soweit sie auf die Kreditfinanzierung entfielen - in den Kreditrückzahlungen des Streitjahres Deckung fanden.

Nach der Aktenlage betreffen die im angefochtenen Bescheid berücksichtigten Begräbniskosten jene Person, deren Nachlaß

Aus den obenstehenden Ausführungen ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist.

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