VwGH 92/13/0256

VwGH92/13/02569.11.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. August 1992, Zl. GA 7 - 863/3/92, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §217 Abs1;
BAO §236 Abs1;
BAO §217 Abs1;
BAO §236 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Anbringen vom 8. Jänner 1991 ersuchte der Beschwerdeführer um Nachsicht des ihm mit Bescheid des Finanzamtes vom 20. Dezember 1990 wegen verspäteter Entrichtung der am 10. Dezember 1990 fälligen Rate der Einkommensteuervorauszahlung vorgeschriebenen Säumniszuschlages von S 13.402,--. Sein steuerlicher Vertreter habe die Lastschriftanzeige mit der Vorschreibung des 4. Quartales für die Einkommensteuervorauszahlung 1990 an seine berufliche Adresse weitergeleitet; durch eine Unachtsamkeit des Briefträgers sei dieses Schreiben aber an ein Bekleidungsgeschäft gleichen Namens zugestellt und von diesem Unternehmen erst nach Tagen der Post zurückgegeben worden, worauf es der Beschwerdeführer erst verspätet erhalten habe. Unverzüglich nach Erhalt der Lastschriftanzeige habe der Beschwerdeführer den fälligen Betrag an das Finanzamt entrichtet; es treffe ihn an der verspäteten Entrichtung kein Verschulden. Die nötigen Mittel seien frei zur Verfügung gestanden, durch den Säumniszuschlag errechne sich im Ergebnis eine Verzinsung des Abgabenbetrages von über 70 %; der Beschwerdeführer sei in den letzten 15 Jahren niemals säumig geworden und habe auch keine Zahlungserleichterungen in Anspruch genommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde im Instanzenzug den Nachsichtsantrag mit der Begründung ab, daß der vom Beschwerdeführer vorgetragene Sachverhalt eine Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nicht begründe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Bescheidaufhebung; der Beschwerdeführer erklärt sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht "auf fehlerfreie Ermessensübung gemäß § 236 Abs. 1 in Verbindung mit § 20 BAO durch unrichtige Anwendung des § 236 Abs. 1 BAO" als verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1994, 92/13/0129, und vom 26. April 1994, 91/14/0129, 93/14/0015, 0082, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Da die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid das Vorliegen einer Unbilligkeit der Einhebung verneint hat, kommt eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers auf fehlerfreie behördliche Ermessensübung nicht in Betracht; die belangte Behörde hatte im Rahmen der von ihr getroffenen Entscheidung Ermessen nicht zu üben und hat auch Ermessen nicht geübt. Sollte der Beschwerdepunkt die Erklärung einer Rechtsverletzung auch durch unrichtige Anwendung der Bestimmung des § 236 Abs. 1 BAO schlechthin enthalten, dann könnte auch dies die Beschwerde nicht zum Erfolg führen:

Die in § 236 Abs. 1 BAO bezogene Unbilligkeit der Abgabeneinhebung kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet, wofür es genügt, wenn etwa die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme. Sachlich bedingte Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodaß es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt (vgl. die bereits zitierten hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 1994, 92/13/0129, und vom 26. April 1994, 91/14/0129, 93/14/0015, 0082).

Einen Sachverhalt, der für die Qualifikation als persönliche Unbilligkeit in Betracht käme, hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Die von ihm ins Treffen geführten Umstände eignen sich aber auch nicht dazu, aus ihnen eine sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung abzuleiten. Abgesehen davon, daß dem Beschwerdeführer die Obliegenheit zur termingerechten Entrichtung des fälligen Vorauszahlungsteilbetrages an Einkommensteuer zufolge der Bestimmung des § 45 Abs. 2 EStG 1988 kraft Gesetzes traf, ohne daß für ihn ein zwingender Grund bestand, mit der Entrichtung des geschuldeten Betrages bis zum Einlangen einer Lastschriftanzeige zuzuwarten, begründet weder der Mangel eines Verschuldens an der verspäteten Abgabenentrichtung noch die durch den Säumniszuschlag rechnerisch bewirkte hohe "Verzinsung" des geschuldeten Abgabenbetrages bei kurzer Verzugsdauer sachliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, wie dies der Verwaltungsgerichtshof in seinem zu einem vergleichbaren Fall ergangenen Erkenntnis vom 19. Oktober 1992, 91/15/0017, ÖStZB 1993, 325, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, bereits ausgesprochen hat. Der im hg. Erkenntnis vom 24. November 1987, 87/14/0097, beurteilten Konstellation ist der Beschwerdefall nicht vergleichbar. Die im vorliegenden Fall vorgetragenen Umstände übersteigen nicht das normale Ergebnis der allgemeinen Rechtslage; sie lassen angesichts der Ordnungsfunktion des Säumniszuschlages eine anormale Belastungswirkung oder einen atypischen Vermögenseingriff im Sinne eines vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnisses nicht erkennen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erwies, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte