Normen
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litb;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1;
UStG 1972 §10 Abs2 Z7 litb;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist tit. ao. Univ. Prof. am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaften und geschäftsführender Gesellschafter des G.-Instituts. Neben diesen Tätigkeiten deklarierte der Beschwerdeführer Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Marktforscher.
Anläßlich der Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung brachte der Beschwerdeführer hinsichtlich der Wissenschaftlichkeit seiner Tätigkeit vor, die Aufträge seien auf ihn persönlich abgestimmt; er gebe in erster Linie wissenschaftliche Interpretationen und Kommentare ab. Soweit im Rahmen dieser Arbeiten quantitative Erhebungen notwendig seien, würden diese ausschließlich vom G.-Institut durchgeführt und entsprechend gegenverrechnet. Als Beispiel für den wissenschaftlichen Gehalt seiner Tätigkeit führte der Beschwerdeführer die von der Firma S. Ges.m.b.H. in Auftrag gegebene Studie über "Werbedrucksachen in Österreich" an. Diese Untersuchung diente als Grundlage für ein Referat, das er an dem von dieser Firma veranstalteten "Direkt Marketing-Tag" in Laxenburg gehalten habe. Auch seine Honorare für die Tätigkeit als gerichtlich beeideter Sachverständiger würden über die Einzelunternehmung verrechnet.
Vom Beschwerdeführer wurden mehrere wissenschaftliche Publikation veröffentlicht. Er sei auf dem Gebiet der Markt- und Meinungsforschung sowie der Interpretation von Marktforschungsergebnissen tätig. Da der Beschwerdeführer die dabei gewonnenen Erkenntnisse an der Universität verwerte, sei die Tätigkeit wissenschaftlicher Art. Das Finanzamt qualifizierte die aus der Marktforschung zugeflossenen Einnahmen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 23 EStG).
In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer ergänzend aus, bei den Studien handle es sich um Gutachten auf dem Gebiet der empirischen Kommunikationsforschung und der Meinungs- und Marktforschung. Die rechtliche Möglichkeit für die Verwertung der dabei gewonnenen Erkenntnisse werde durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschaffen, worin dem Beschwerdeführer ausdrücklich gestattet werde, diese Ergebnisse im Rahmen der Lehrtätigkeit und von Publikationen zu verwenden. Ausgenommen hievon seien nur vertrauliche Produktinformationen.
Mit dem im Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Die belangte Behörde beschrieb darin zwei vom Beschwerdeführer im Zuge des Ermittlungsverfahrens beigebrachte Marktforschungstudien: Bei der im Auftrag der Firma H. KG durchgeführten Studie über das Antidiabetikum Euglucon wurde mit Anzeigen einer Obstserie in medizinischen Fachzeitschriften geworben. Beim Testobjekt, bei dem ein Apfel als zentrales Bildelement im Mittelpunkt der Anzeige stand, sollte festgestellt werden, inwieweit dieses Reizmittel geeignet sei, Aufmerksamkeit zu erregen und vor allem auf das Produkt, die Indikationen und schließlich auf die Marke aufmerksam zu machen. Außerdem wurden zwei Alternativen, die von Graphikern entwickelt wurden, in den Test einbezogen. Insgesamt sollte also zwischen drei Euglucon-Vorlagen entschieden werden. Zielpersonen im Sinne dieser Aufgabenstellung waren praktische Ärzte und Internisten in ganz Österreich. Bei der im Auftrag der Firma S. AG durchgeführten Akzeptanzuntersuchung bezüglich Schweppes Orange und Schweppes Zitrone wurden acht jeweils strukturgleiche Gruppen ausgewählt, die diese Produkte im Vergleich zu Konkurrenzwaren bewerten mußten. Bei der Zusammenstellung der Versuchsgruppen wurde darauf geachtet, daß nur solche Personen eingeladen wurden, die sich als regelmäßige Konsumenten von kohlensäurehältigen Erfrischungsgetränken bezeichneten und die in den letzten 7 Tagen eine solches Produkt getrunken hatten.
In der Beschwerde gegen diese Berufungsentscheidung wird deren inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Beschwerdeführer eine wissenschaftliche Tätigkeit entfaltet und daher Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorliegen (§ 22 Z. 1 lit. a EStG 1972) oder ob die Einnahmen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind (§ 23 Z. 1 EStG 1972) und somit in weiterer Folge der Gewerbesteuer (§ 1 Abs. 1 GewStG 1953) unterliegen.
Mit der Frage, wann eine Tätigkeit als wissenschaftlich anzusehen ist, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach befaßt. Er gelangte u.a. zur Auffassung, eine wissenschaftliche Tätigkeit müsse ausschließlich oder nahezu ausschließlich der Forschung, d.h. dem Erringen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse dienen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 5. August 1992, 91/13/0120; vom 18. März 1991, 90/14/0004, 0005 und vom 12. April 1983, 82/14/0215, 0250). Die wissenschaftliche Tätigkeit beschränke sich nicht nur auf die Grundlagenforschung, sondern diene auch der Lösung von Fragen des praktischen Lebens (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. März 1983, 82/14/0099). Eine solche "angewandte Wissenschaft" werde erst dann zu einer wissenschaftlichen Tätigkeit, wenn grundsätzliche Fragen oder konkrete Vorgänge methodisch nach streng objektiven und sachlichen Gesichtspunkten in ihren Ursachen erforscht, begründet und in einen Verständniszusammenhang gebracht werden, wozu auch gehört, daß die Tätigkeit von der Methodik her nachprüfbar und nachvollziehbar ist (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 17. Mai 1990, 88/15/0057, 0092; vom 4. Oktober 1983, 82/14/0304 und das einen Markt- und Meinungsforscher betreffende Erkenntnis vom 19. September 1972, 1106/70).
Nach Ansicht der belangten Behörde entspricht die Tätigkeit des Beschwerdeführers diesen Kriterien nicht, weil er für Unternehmen, die mit ihren Fragen nach Einstellungen und Verhaltensweisen von Menschen in ihrer Rolle als Konsumenten an ihn herantreten, Lösungen suche. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, daß es für die Frage der Wissenschaftlichkeit einer Tätigkeit entscheidend ist, ob jemand mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden Probleme löst und dabei zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen vorstößt oder nicht. Hingegen ist es für diese Beurteilung nicht maßgebend, wozu der Auftraggeber die so gewonnenen Erkenntnisse verwendet und wie groß der Personenkreis ist, der davon Kenntnis erlangt.
Nach den Sachverhaltsfeststellungen erstattet der Beschwerdeführer Gutachten auf dem Gebiet der empirischen Kommunikationsforschung und der Markt- und Meinungsforschung. Der Beschwerdeführer gibt nach eigenen Angaben wissenschaftliche Interpretationen und Kommentare ab. Mit diesen Feststellungen setzte sich die belangte Behörde in keiner Weise auseinander. Sie stellte lediglich die Art und den Aufbau von zwei Studien dar, ohne aber auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers selbst und den Inhalt der Studien näher einzugehen. Im Zuge des fortgesetzten Verfahrens wird daher zu prüfen sein, ob die mit den einzelnen Aufträgen gestellten Aufgaben einen Schwierigkeitsgrad erreichen, wie ihn wissenschaftliche Veröffentlichungen aufweisen. In bezug auf die Stichhaltigkeit der Untersuchungen sind beispielsweise Angaben über den Zeitraum der Befragung, die statistische Auswahlmethode, die Zahl der eingesetzten Interviewer, die Befragungsmethode sowie die Anzahl der Befragungen erforderlich. Insbesondere ist zu erheben, in welchem Umfang neue Überlegungen für die Durchführung der einzelnen Studien erforderlich waren. Eine wissenschaftliche Betätigung ist nämlich dann nicht gegeben, wenn der Beschwerdeführer auf einige wenige Muster zurückgreift, selbst wenn diese Muster nach wissenschaftlichen Kriterien entwickelt wurden.
Unstrittig ist, daß die vom Beschwerdeführer gewonnenen Erkenntnisse von den Auftraggebern zu wirtschaftlichen Zwecken umgesetzt werden. Die Berufungsbehörde verneint aber den wissenschaftlichen Gehalt der Tätigkeit mit der Begründung, die Auftraggeber würden ihr Entgelt regelmäßig für die bestellte Lösung ihrer betrieblichen Probleme leisten. Das Ziel sei lediglich die klaglose Bewältigung bestimmter unternehmensinterner Aufgaben. Dieser Ansicht kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen. Der Qualifikation der Tätigkeit des Beschwerdeführers als Wissenschaftler stünde die innerbetriebliche Umsetzung der von ihm gewonnenen Ergebnisse nicht entgegen, weil die von den Auftraggebern verfolgten weiteren Zielsetzungen für die Beurteilung der Wissenschaftlichkeit keine Relevanz besitzen.
Die belangte Behörde hat sich, ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, einem wissenschaftlichen Gehalt der Tätigkeit des Beschwerdeführers komme keine Bedeutung zu, weil das Ergebnis dieser Tätigkeit letztlich die Lösung konkreter Einzelprobleme gewesen sei, mit dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht auseinandergesetzt und daher ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Es erübrigt sich somit, auf die in der Beschwerde geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften einzugehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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