Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 22. Jänner 1991 betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 wurde dem Beschwerdeführer am 31. Jänner 1991 zugestellt.
Mit einem am 6. März 1991 zur Post gegebenen Schreiben stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 22. Jänner 1991 und erhob gleichzeitig diese Vorstellung. Im Wiedereinsetzungsantrag führte er aus, daß er am 7. Februar 1991 eine Vorstellung zur Post gegeben habe, indem er die Sendung in einen Postkasten eingeworfen habe, sowie daß sein Vertreter am 24. Februar 1991 bei einer Akteneinsicht bei der Behörde festgestellt habe, daß diese Vorstellung nicht eingelangt sei.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Wiedereinsetzungsantrag "gemäß § 71 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 AVG" "nicht stattgegeben".
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Vorerst ist festzuhalten, daß die spruchgemäße "Nichtstattgebung" anhand der Begründung des angefochtenen Bescheides als Qualifizierung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig und damit als Verweigerung einer Sachentscheidung über diesen Antrag zu deuten ist. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Wiedereinsetzungsantrag Angaben enthalten sein müssen, die eine Beurteilung der Rechtzeitigkeit dieses Antrages ermöglichen und wonach das Fehlen derartiger Angaben zur Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages zu führen hat. Dies ergibt sich ferner aus der diesen Teil der Begründung des angefochtenen Bescheides abschließenden Wendung: "Der Antrag erfüllt nicht die formellen Voraussetzungen". Der anschließende Satz: "Aber auch in der Sache ist dem Antrag keine Folge zu geben:" kann nur so gedeutet werden, daß - wäre der Antrag nach Auffassung der belangten Behörde zulässig und einer Sachentscheidung zugänglich - eine negative Sachentscheidung zu ergehen hätte. Dem steht auch nicht entgegen, daß als angewendete Gesetzesbestimmung neben dem § 71 Abs. 2 auch § 71 Abs. 1 lit. a (richtig Z. 1) AVG zitiert ist, weil damit nur jene Bestimmung bezeichnet wird, die die Rechtsgrundlage für die im obiter dictum zum Ausdruck kommenden Rechtsansicht ist.
2. Zur Begründung ihres - nach dem oben Gesagten als Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages zu deutenden - Spruches verweist die belangte Behörde darauf, daß der Beschwerdeführer zwar im Wiedereinsetzungsantrag den 24. Februar 1991 als den Tag angegeben habe, an dem ihm die Fristversäumung zur Kenntnis gelangt sei und an dem damit die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages zu laufen begonnen habe. Die Angabe sei aber offenkundig unrichtig, weil der 24. Februar 1991 ein Sonntag gewesen sei, an dem der Beschwerdevertreter nicht habe bei der Behörde Akteneinsicht nehmen und auf diese Weise von der Fristversäumung Kenntnis erlangen können.
Damit verkennt die belangte Behörde die Rechtslage. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 Abs. 2 AVG (vgl. das Erkenntnis vom 5. Oktober 1988, Zl. 88/18/0332), die er zu den gleichgelagerten Fragen des Inhaltes von Wiedereinsetzungsanträgen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 46 Abs. 3 VwGG und von Wiederaufnahmsanträgen nach § 69 Abs. 2 AVG entwickelt hat (vgl. die in dem zitierten Erkenntnis vom 5. Oktober 1988 angeführte Rechtsprechung), ist nur die Rede vom Fehlen von Angaben betreffend die Rechtzeitigkeit, welches die Unzulässigkeit des jeweiligen Antrages zur Folge hat. Hier liegt jedoch eine konkrete Angabe vor, die allerdings offenkundig unrichtig ist. Diese Unrichtigkeit ist ebenso offenkundig auf ein Versehen des Beschwerdeführers zurückzuführen, kann ihm doch nicht unterstellt werden, ernsthaft die Behauptung aufzustellen, an einem Sonntag bei der Behörde Akteneinsicht genommen zu haben. Der Beschwerdeführer hat auch in der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof die entsprechende Angabe auf den 25. Februar 1991 richtiggestellt. Dies verstößt nicht gegen das sich aus § 41 Abs. 1 VwGG ergebende Neuerungsverbot, weil der in Rede stehende Umstand der Unrichtigkeit der Angabe betreffend Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages erstmals im angefochtenen (Berufungs‑)Bescheid erwähnt wurde.
Eine offenkundig unrichtige und damit offenkundig auf einem Versehen beruhende Angabe im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG ist aber dem Fehlen jeglicher Angabe nicht gleichzusetzen. Vielmehr hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer diesen Umstand vorhalten oder von sich aus das richtige Datum ermitteln müssen. Die sofortige Zurückweisung des Antrages ist rechtswidrig. Sie beruht auf einem Verkennen der Rechtslage und hat zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu führen.
3. Für das fortzusetzende Verfahren sei im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde, wonach ihrer Auffassung nach kein Wiedereinsetzungsgrund gegeben sei, angemerkt:
Der Umstand, daß im Wiedereinsetzungsantrag ein später, nämlich in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, korrigiertes Datum der Postaufgabe durch Einwurf in einen Briefkasten angegeben wurde, macht noch nicht das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers zur Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes unglaubwürdig. Die Unterlassung der als Bescheinigungsmittel angebotenen Einvernahme eines Zeugen beruht auf einer vorwegnehmenden Würdigung dieses Bescheinigungsmittels. Die Aussagen, man könne grundsätzlich davon ausgehen, daß Poststücke ihr Ziel erreichen, und der Beschwerdeführer hätte sich noch während der Vorstellungsfrist vergewissern müssen, ob das lediglich in einen Postkasten eingeworfene Schriftstück auch bei der Behörde eingelangt sei, stehen zueinander in Widerspruch.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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