VwGH 92/10/0413

VwGH92/10/04135.7.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der XY-GmbH in X, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 5. August 1992, Zl. U-12.268/14, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung für Werbeeinrichtungen, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art18 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §15 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §27 Abs5;
NatSchG Tir 1991 §3 Abs3;
NatSchG Tir 1991 §6 Abs1 liti;
VwRallg;
B-VG Art18 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §1 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §15 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §27 Abs5;
NatSchG Tir 1991 §3 Abs3;
NatSchG Tir 1991 §6 Abs1 liti;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5.August 1992 wies die Tiroler Landesregierung gemäß § 15 Ab. 1 und 2 in Verbindung mit § 27 Abs. 5 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, LGBl. Nr. 29 (TNSchG), den Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. Jänner 1992 auf nachträgliche Bewilligung der am Rande des Parkplatzes der Hochsteinbahnen-Talstation in Lienz aufgestellten Werbeeinrichtung ab. Durch diese außerhalb der geschlossenen Ortschaft befindliche Werbeeinrichtung würden die in § 1 Abs. 1 lit. a und b TNSchG genannten Interessen beeinträchtigt. Dazu führte die belangte Behörde, gestützt auf das von ihr eingeholte Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturschutz vom 27. Mai 1992 aus, die Werbeeinrichtung bestehe aus vier Tafeln mit drei Flächeneinheiten (ca. 8 m x 3 m, 2,5 m x 3 m und 5 m x 3 m). Die vier Tafeln seien ca. 25 m von der Bundesstraße B 108 entfernt und parallel zu dieser angeordnet. In Tafelfluchtrichtung Südosten sei getrennt von dieser Werbeeinrichtung ein Panoramabild des Schigebietes H aufgestellt. Das umliegende Gelände trage im wesentlichen den Charakter eines Stadtrandgebietes, wobei im Gegensatz zur geschlossenen Bausubstanz im Stadtgebiet die Verbauung hier aufgelöst erscheine, die Gebäude freistehend situiert seien und zum Teil exponiert stünden (Hochstein-Talstation). Damit entstünden verschiedenste Aus- und Durchblicke (Rauchkofelmassiv mit den vorgelagerten bewaldeten Schutthängen, Schloß Bruck, Zettersfeld etc.). Auffallend sei dabei die eher niedrige Bebauung (Tankstellengebäude, Betriebsgebäude der Hochsteinbahnen, Wohnhäuser), die sich erst weiter stadteinwärts mit Bauwerken größerer Höhe sowie umfangreicher Volumina fortsetze. Die beiden in Nähe der Werbeeinrichtung situierten Tankstellen seien sparsam mit Werbeeinrichtungen ausgestattet. Mit Ausnahme der nordöstlich der gegenständlichen Werbetafeln aufgestellten Bautafel für die Erweiterung der Wasserversorgungsanlage mit den Ausmaßen 2,0 m x 2,0 m befänden sich keine größeren Werbeeinrichtungen in der unmittelbaren Umgebung, sodaß der betreffende Landschaftsteil relativ unbeeinflußt von Hinweistafeln und ähnlichen Einrichtungen sei. Für den stadtein- wie stadtausfahrenden Straßenbenützer biete sich in Blickrichtung Südwest auf die Werbeeinrichtungen das gleiche Bild: Der Hintergrund werde durch die steilen Fichten-, Lärchen- und Waldeinhänge mit der Schneise der Talabfahrt sowie dem Talstationsgebäude in ländlichem Baustil (Satteldach, Holzverschalung, weiße Mauerfläche) gebildet. Dieses Gebäude werde auch auf Grund der vorgelagerten Werbeflächen aus der Sicht des Straßenbenutzers teilweise verdeckt. Der stadteinwie stadtausfahrende Besucher nehme also ein Landschaftsbild wahr, das zwar nicht durch eine besondere Eigenart, Ursprünglichkeit, Einzigartigkeit oder Seltenheit geprägt, jedoch - abgesehen von den gegenständlichen Werbetafeln - noch frei und unbeeinflußt von größeren Werbeeinrichtungen sei. Im Winter sei auf Grund der teilweise entlaubten Bäume, der präparierten Pisten und der parkenden Autos unmittelbar vor den Plakatwänden die Kontrastwirkung dieser farbigen Tafeln abgeschwächt bzw. von den abgestellten Autos teilweise verdeckt. Daneben werde der Umgebungsbereich (Piste, Liftanlage etc.) vom Betrachter (Schifahrer, Straßenbenutzer) als "genutzte Landschaft" wahrgenommen. Dementsprechend abgeschwächt wirkten auch die Plakatwände auf den Betrachter. Demgegenüber erscheine im Sommer die Kontrastwirkung der unterschiedlich gefärbten Tafeln zum "Waldeinhang" bzw. zur Piste im Hintergrund stark und unruhig, da großflächig (insgesamt ca. 45 m2) fremde Farbelemente "eingeschleppt" würden. Die gegenständlichen Werbetafeln wirkten auch im Vergleich zum bewegten Hintergrund (Waldkulisse, kupiertes Gelände der Talabfahrt, Satteldach des Betriebsgebäudes) großflächig und massiv. Sie bildeten daher einen Fremdkörper, wobei ein Gewöhnungseffekt durch die ständig wechselnden Werbemotive erschwert werde. Zudem fehle ein logischer Bezug zur Umgebung. Die gegenständliche Werbeeinrichtung sei daher insbesondere in der vegetations- bzw. schneefreien Zeit als Störfaktor in der Landschaft zu werten, der Eigenart, Vielfalt und Schönheit des Landschaftsbildes zu mindern vermöge. Da dieses im gegenständlichen Fall mit dem Schutzgut "Erholungswert" untrennbar verbunden sei, sei auch dieser beeinträchtigt. Angesichts dieser Beeinträchtigung der Interessen nach § 1 Abs. 1 lit. a und b TNSchG 1991 lägen die Voraussetzungen für die begehrte Bewilligung nicht vor.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 lit. i TNSchG bedarf außerhalb geschlossener Ortschaften - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - die Errichtung, Aufstellung, Anbringung und Änderung von Werbeeinrichtungen einer Bewilligung. Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 3 TNSchG ist Werbeeinrichtung eine im Landschaftsbild in Erscheinung tretende Einrichtung, die der Anpreisung oder der Ankündigung dient oder sonst auf etwas hinweisen oder die Aufmerksamkeit erregen soll.

Nach § 15 Abs. 1 TNSchG ist die Bewilligung für die Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder Änderung einer Werbeeinrichtung zu erteilen, wenn die Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1 weder durch die Größe, Form, Farbe oder Lichtwirkung der Werbeeinrichtung noch durch deren Errichtung, Aufstellung, Anbringung oder Änderung am vorgesehenen Ort beeinträchtigt werden.

Nach § 1 Abs. 1 TNSchG hat dieses Gesetz zum Ziel, die Natur als Lebensgrundlage des Menschen so zu erhalten und zu pflegen, daß u.a. (lit. a) ihre Vielfalt, Eigenart und Schönheit, (lit. b) ihr Erholungswert bewahrt und nachhaltig gesichert oder wiederhergestellt werden. Die Erhaltung und die Pflege der Natur erstrecken sich auf alle ihre Erscheinungsformen, insbesondere auch auf die Landschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befindet oder durch den Menschen gestaltet wurde (Kulturlandschaft).

Gemäß § 15 Abs. 2 TNSchG gilt für Werbeeinrichtungen § 27 Abs. 4 bis 10 sinngemäß.

Nach § 27 Abs. 4 leg. cit. ist eine Bewilligung befristet, mit Auflagen oder unter Bedingungen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Beeinträchtigungen der Natur zu vermeiden oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken. Nach Abs. 5 dieses Paragraphen ist eine Bewilligung zu versagen, wenn eine der Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht vorliegt.

Die Beschwerdeführerin meint, das Landschaftsbild könne im Hinblick auf die Gegebenheiten (von vielen Autofahrern benutzter Parkplatz einer Liftstation, gewerbliche Nutzung der Landschaft durch den Liftbetrieb, vorangegangene erhebliche Eingriffe in die Landschaft durch umfangreiche Rodungen für die Pisten) durch die gegenständliche Werbeeinrichtung nicht beeinträchtigt werden.

Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Infolge der von der Beschwerdeführerin erwähnten Umstände kann zwar nicht mehr von einer Landschaft in ihrem ursprünglichen Zustand die Rede sein, da es sich im vorliegenden Fall ganz augenscheinlich um eine von Menschen gestaltete Landschaft (Kulturlandschaft) handelt. Auch eine solche Landschaft ist aber durch das Gesetz vor Beeinträchtigungen geschützt (§ 1 Abs. 1 zweiter Satz TNSchG), wobei im gegebenen Zusammenhang - wie sich aus § 3 Abs. 3 ergibt - der Schutz des Erscheinungsbildes der Landschaft (Landschaftsbild) im Vordergrund steht. Daß nun im gegenständlichen Bereich kein schützenswertes Erscheinungsbild der Landschaft mehr existiere, behauptet die Beschwerdeführerin selbst nicht (jedenfalls nicht ausdrücklich). Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem dem angefochtenen Bescheid zugrundliegenden Gutachten vom 27. Mai 1992 und dem ihm angeschlossenen Lichtbild. Dieses zeigt vielmehr in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Amtssachverständigen - von der B 108 ausgesehen - ein durchaus reizvolles Bild der angrenzenden freien Landschaft. In diesem treten in der Tat die gegenständlichen, im Vordergrund stehenden Werbetafeln infolge ihrer Größe und der farbigen Plakate als störendes Element in Erscheinung. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie darin eine Beeinträchtigung des Interesses an der Erhaltung der Landschaft unter dem Aspekt des § 1 Abs. 1 lit. a TNSchG ("Vielfalt, Eigenart und Schönheit") erblickt hat. Die Beeinträchtigung dieses in § 1 Abs. 1 TNSchG genannten Interesses allein schon berechtigt zur Versagung der begehrten Bewilligung nach § 27 Abs. 5 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 TNSchG, weil damit die Voraussetzung für eine solche Bewilligung, nämlich das Fehlen einer Beeinträchtigung von Interessen des Naturschutzes nach § 1 Abs. 1, nicht vorliegt.

Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, aus dem Gutachten des Amtssachverständigen ergebe sich, daß das Landschaftsbild durch die Werbeeinrichtung im Winter nicht beeinträchtigt werde. Insofern habe die belangte Behörde den Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt aktenwidrig angenommen. Damit sei der angefochtene Bescheid auch inhaltlich rechtswidrig, da im Hinblick auf § 27 Abs. 4 TNSchG die Bewilligung jedenfalls befristet hätte erteilt werden müssen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist im Gutachten des Amtssachverständigen keineswegs vom Fehlen einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Winter die Rede. Der Amtssachverständige spricht vielmehr nur von einer - im Vergleich zum Sommer - abgeschwächten Kontrastwirkung der Werbeeinrichtung in dem sich dem Betrachter in Blickrichtung Südwest darbietenden Landschaftsbild. Daher ist der Vorwurf der Aktenwidrigkeit nicht berechtigt. Aus seinen Ausführungen ist weiters ersichtlich, daß der Amtssachverständige dabei nur durch bestimmte Umstände (Schneelage, Pistenbetrieb, dadurch bedingte entsprechende Inanspruchnahme des Parkplatzes der Talstation) charakterisierte Zeiten vor Augen hatte. Diese Umstände liegen aber auch im Winter keineswegs durchgehend vor. Außerhalb solcher Zeiten gilt daher, wie sich aus dem Zusammenhang der Ausführungen des Amtssachverständigen ergibt, auch im Winter im wesentlichen das über die störende starke Kontrastwirkung der Werbeeinrichtung im Sommer Gesagte. Die von der Beschwerdeführerin vermißte "Befristung der Bewilligung auf die Winterzeit" käme auf Grund des § 27 Abs. 4 in Verbindung mit § 15 Abs. 1 TNSchG nur dann in Betracht, wenn eine Beeinträchtigung der Landschaft durch die gegenständliche Werbeeinrichtung im Winter überhaupt nicht gegeben wäre. Diese Voraussetzung liegt aber nach dem Gesagten nicht vor, weshalb entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch eine auf die Wintermonate befristete Bewilligung nicht in Betracht kam.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt schließlich nicht die von der Beschwerdeführerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken wegen mangelnder Bestimmtheit des Begriffes "beeinträchtigen" im § 15 Abs. 1 TNSchG. Dieser Begriff ist unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung der Norm einer Auslegung zugänglich. Daß er eine Bewertung voraussetzt, liegt in der Natur der Sache und gibt keinen Anlaß zu Bedenken im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 B-VG (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. September 1978, Slg. 8388).

Da sich die Beschwerde als nicht begründet erwiesen hat, ist sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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