VwGH 92/09/0054

VwGH92/09/005425.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des Landesarbeitsamtes Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 23. Jänner 1992, Zl. UVS - 04/22/229/91, betreffend Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Dipl.Ing. H in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;
AVG §66 Abs4;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita idF 1990/450;
AuslBG §3 Abs1 idF 1990/450;
AVG §66 Abs4;
VStG §44a Z1;
VStG §44a Z2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes vom 21. März 1991 wurde die im nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei (in der Folge kurz: mP) vom Magistrat der Stadt Wien als Strafbehörde erster Instanz am 17. April 1991 zur Rechtfertigung aufgefordert, weil Dipl.Ing. H es als zuständiger Bauleiter eines Wiener Bauunternehmens zu verantworten habe, daß auf einer Baustelle dieses Unternehmens in Wien am 19. März 1991 sechs namentlich genannte ungarische Staatsbürger mit Kanalisierungsarbeiten beschäftigt worden seien, für die weder Beschäftigungsbewilligungen erteilt noch Befreiungsscheine ausgestellt worden seien; er habe hiedurch "§ 28 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der derzeit geltenden Fassung" verletzt.

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erließ die erstinstanzliche Behörde den Bescheid vom 3. September 1991, mit welchem die mP schuldig erkannt wurde, durch die ihr vorgehaltene Vorgangsweise eine Verwaltungsübertretung nach "§ 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a 1. Strafsatz in Verbindung mit § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. Nr. 231/1988" begangen zu haben. Die mP wurde deshalb zu einer Geldstrafe in der Höhe von insgesamt S 60.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Tage) und zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Auf Grund der dagegen von der mP eingebrachten Berufung, zu welcher noch eine Stellungnahme des beschwerdeführenden Landesarbeitsamtes eingeholt wurde, behob die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 23. Jänner 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG das erstinstanzliche Straferkenntnis und stellte gemäß § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG das Verfahren ein. Begründend führte die belangte Behörde aus, ungeachtet der Tatsache, daß der Strafantrag des Landesarbeitsamtes Wien die richtige Anführung der mutmaßlich übertretenen gesetzlichen Bestimmungen - unter ausdrücklichem Hinweis auf die ab 1. Oktober 1990 in Kraft stehende Fassung des AuslBG, BGBl. Nr. 450/1990 - enthalten habe, sei die mP von der Strafbehörde erster Instanz wegen Übertretung des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a

1. Strafsatz iVm § 3 Abs. 1 des AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, "in der Fassung BGBl. Nr. 231/1985" bestraft worden. Aus der Rechtstatsache, daß den im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides zitierten Vorschriften bereits durch die AuslBG-Novelle BGBl. Nr. 450/1990 materiell derogiert worden sei, ergebe sich rechtlich, daß die mP die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung - in Ansehung der von der Erstinstanz angenommenen Rechtslage - nicht begangen haben könne. Schon dies führe zur Behebung und Verfahrenseinstellung. Darüber hinaus sei der mP "ganz allgemein darin beizupflichten, daß dem Verfahren der Erstinstanz grobe Mängel anhaften und überdies die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ganz offensichtlich auf einer aktenwidrigen Annahme des Sachverhaltes beruht". Der zur Einstellung führende Fehler wäre leicht vermeidbar gewesen, hätte sich die erste Instanz ausreichend mit dem Vorbringen der mP auseinandergesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 28a AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 gestützte Amtsbeschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangte Behörde hätte zu prüfen gehabt, "ob der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen unter Anwendung der richtigen Gesetzeslage tatsächlich begangen hat".

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch die mP hat eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die (negative) Sachentscheidung der belangten Behörde als rechtsrichtig ansieht und ebenfalls die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der belangten Behörde ist insoweit Recht zu geben, als mit Rücksicht auf den Tatzeitpunkt (19. März 1991) eine Verurteilung der mP auf Grund des § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 AuslBG in der Fassung gemäß BGBl. Nr. 231/1985 nicht mehr in Betracht kam, weil damals diese Bestimmungen des AuslBG bereits in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 in Geltung standen, die am 1. Oktober 1990 in Kraft getreten ist. Die belangte Behörde hat allerdings die Rechtslage insofern verkannt, als sie meinte, dieser in erster Instanz unterlaufene Fehler wäre im Berufungsverfahren nicht mehr behebbar gewesen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 23. April 1986, Zl. 85/03/0171, und die dort angeführte Vorjudikatur) ist die Berufungsbehörde, wenn der Abspruch der ersten Instanz fehlerhaft ist, nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, dies in ihrem Abspruch richtigzustellen. Naturgemäß ist die Berufungsbehörde dabei auf die "Sache" des bei ihr anhängigen Verfahrens - im Beschwerdefall war das die der mP im Strafverfahren erster Instanz zur Last gelegte TAT (nicht aber auf deren rechtliche Beurteilung) - beschränkt.

Die belangte Behörde hatte daher zu prüfen, ob die mP die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung dafür zu tragen hat, daß am 19. März 1991 auf einer Baustelle ihres Unternehmens in Wien V die sechs namentlich genannten Ungarn ohne die dafür nach dem AuslBG erforderliche Bewilligung mit Kanalisierungsarbeiten beschäftigt worden sind. Es lag an der mP, diesen Verdacht auf geeignete Weise zu entkräften, gegebenenfalls auch durch den Nachweis, daß es einer solchen Bewilligung gar nicht bedurft hätte, weil die Ausländer im Besitz von Befreiungsscheinen oder Arbeitserlaubnissen gewesen seien. Dieser nach dem AuslBG unter Strafe gestellte Tatvorwurf war durch die belangte Behörde sachlich zu prüfen und gegebenenfalls auch abweichend von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz rechtlich zu würdigen.

Daran vermag auch der Hinweis in der Gegenschrift der belangten Behörde nichts zu ändern, wonach erst durch die AuslBG-Novelle BGBl. Nr. 450/1990 der Begriff der Arbeitserlaubnis in das Gesetz eingeführt und auch in den Wortlaut der §§ 3 Abs. 1 und 28 Abs. 1 aufgenommen wurde. Die belangte Behörde war nicht daran gehindert, allenfalls den Schuldspruch auch durch Aufnahme der verba legalia hinsichtlich des Fehlens einer gültigen Arbeitserlaubnis zu ergänzen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1992, Zl. 92/09/0011). Rechte der mP wären dadurch schon mit Rücksicht darauf nicht verletzt worden, daß sie trotz gebotener Gelegenheit (Aufforderung zur Rechtfertigung im erstinstanzlichen Verfahren, Ausführungen in der Berufung) gar nicht behauptet hat, die Beschäftigung der sechs ungarischen Staatsangehörigen wäre etwa infolge des Vorliegens einer solchen Arbeitserlaubnis rechtmäßig gewesen.

Da die Einstellung des Strafverfahrens durch die belangte Behörde somit der Rechtslage nicht entsprach, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

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