VwGH 92/08/0234

VwGH92/08/023430.3.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt, Wien, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 26. März 1992, Zl. MA 12-14759/91, betreffend Abweisung eines Devolutionsantrages in einer Sozialhilfesache, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §62 Abs1;
AVG §62 Abs3;
AVG §63 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 9. Oktober 1991 gemäß § 73 Abs. 2 AVG ab. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seinem Devolutionsantrag behauptet, die erstinstanzliche Behörde habe es verabsäumt, über seinen Antrag vom 10. Jänner 1991 auf Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu entscheiden. Aus dem Akt der erstinstanzlichen Behörde sei jedoch ersichtlich, daß mit mündlich verkündetem Bescheid vom 10. Jänner 1991 dem Antrag des Beschwerdeführers vom selben Tag auf Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes für vier Tage vollinhaltlich stattgegeben worden sei; der richtsatzmäßige Lebensunterhalt für vier Tage in der Höhe von S 558,-- sei sofort zur Auszahlung gelangt. Die Entscheidung sei beurkundet worden. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Unterschrift bestätigt, daß er die Entscheidung und die Rechtsmittelbelehrung zur Kenntnis genommen und über das Recht belehrt worden sei, innerhalb von drei Tagen eine schriftliche Ausfertigung zu verlangen. Dem habe er hinzugefügt: "Mit Antrag auf Kopie, 10.1.1991". Die erstinstanzliche Behörde habe mangels technischer Möglichkeiten die gewünschten Kopien nicht angefertigt. Sie habe den genannten Zusatz auch vorerst nicht als Antrag auf schriftliche Bescheidausfertigung gewertet. Diese sei letztlich erst im Dezember 1991 ergangen. Der Bescheid vom 10. Jänner 1991 sei mit Berufung bekämpft worden. Nach Zitierung der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, daß die erstinstanzliche Behörde - entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers im Devolutionsantrag - bereits am 10. Jänner 1991 einen Bescheid über seinen Antrag von diesem Tag erlassen habe. Die Frage der Zustellung der begehrten schriftlichen Bescheidausfertigung sei allenfalls für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der eingebrachten Berufung relevant. Die behauptete Säumnis der erstinstanzlichen Behörde liege aber nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 28. September 1992, Zl. B 597/92, wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Nach seiner über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes erstatteten Ergänzung der Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten auf Erlassung eines ordnungsgemäßen Bescheides gemäß § 58 Abs. 1 und 2 AVG, Zustellung einer schriftlichen Bescheidausfertigung innerhalb von drei Tagen nach der mündlichen Verkündung eines Bescheides, der Belehrung über die Zustellung gemäß § 62 Abs. 3 AVG sowie in seinem Recht auf eine Sachentscheidung nach § 73 AVG verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes macht der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die erstinstanzliche Behörde einen "förmlich inhaltlich richtigen" Bescheid über seinen ganzen Antrag getroffen habe. Es sei zwar von dieser Behörde am 10. Jänner 1991 mündlich ausgesprochen worden, daß ihm eine Geldaushilfe von S 558,-- für die Zeit vom 10. Jänner 1991 bis 13. Jänner 1991 zugesprochen werde; weiters habe er die Aufforderung erhalten, drei auf ihn angemeldete ältere Fahrzeuge unverzüglich abzumelden. Eine Begründung dazu sei jedoch nicht erfolgt. Es sei ihm auch nicht mitgeteilt worden, warum er verpflichtet sei, die Abmeldung zu veranlassen. Er sei sofort angehalten worden, das ihm vorgelegte Formular zu unterschreiben. Eine Rechtsbelehrung sei ihm nicht erteilt worden. Seinem Ersuchen um Ausfolgung dieses Formulars sei nicht entsprochen worden, weshalb er den Vermerk angefügt habe, "mit Antrag auf Kopie", Damit habe juristisch nur gemeint sein können, man möge ihm im Sinne des § 62 Abs. 3 AVG eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides in der gesetzmäßig vorgesehenen Frist von drei Tagen zustellen. Da die erstinstanzliche Behörde keinen ordnungsgemäßen Bescheid erlassen habe und damit überhaupt kein Bescheid vorliege, habe diese Behörde auch keine Entscheidung getroffen. Sein Devolutionsantrag sei daher völlig zu Recht eingebracht worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht nach § 73 Abs. 2 leg. cit. auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Eine Voraussetzung für die Berechtigung des Verlangens auf Übergang der Entscheidungspflicht ist, daß gegenüber der Partei kein die Sache erledigender Bescheid ergangen ist. Zwar spricht § 73 Abs. 2 erster Satz AVG davon, daß der Bescheid nicht "zugestellt" worden sei, doch ergibt sich aus § 73 Abs. 1 ("Bescheid ... erlassen"), daß auch die Erlassung eines Bescheides durch mündliche Verkündung die Zulässigkeit eines Devolutionsantrages ausschließt. Denn, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem den Beschwerdeführer betreffenden Beschluß vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0122, ausgeführt hat, gilt ein mündlich verkündeter Bescheid bereits mit seiner Verkündung als erlassen. Die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung des Bescheides ist nur mehr für den Lauf der Rechtsmittelfrist gemäß § 63 Abs. 5 AVG von Bedeutung. Wird ein Bescheid mündlich verkündet und aufgrund eines rechtzeitigen Verlangens gemäß § 62 Abs. 3 leg. cit. eine schriftliche Ausfertigung zugestellt, so beginnt nämlich die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung der Ausfertigung. Gegen einen mündlich verkündeten und daher rechtlich existierenden Bescheid kann aber auch schon vor der Zustellung der verlangten schriftlichen Ausfertigung zulässigerweise Berufung erhoben werden.

Ausgehend davon hat die belangte Behörde mit Recht die behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht durch die erstinstanzliche Behörde und damit die Berechtigung zur Stellung eines Devolutionsantrages verneint. Ob der am 10. Jänner 1991 von der erstinstanzlichen Behörde erlassene Bescheid "inhaltlich richtig" war und ob die erstinstanzliche Behörde vor, bei oder nach der Bescheiderlassung relevante Verfahrensvorschriften verletzt hat, ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - für die allein eintscheidende Frage einer Säumnis der erstinstanzlichen Behörde ohne jegliche Bedeutung.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde, und zwar wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG in einem Dreiersenat, ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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