VwGH 92/05/0046

VwGH92/05/004616.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des N in E, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Jänner 1992, Zl. R/1-V-89204/03, betreffend die Versagung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §93 Z2 lita;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs3;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;
AVG §37;
BauO NÖ 1976 §100 Abs2 idF 8200-6;
BauO NÖ 1976 §93 Z2 lita;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs2;
ROG NÖ 1976 §19 Abs3;
ROG NÖ 1976 §19 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Februar 1991, Zl. 90/05/0118, und vom 12. November 1991, Zl. 91/05/0067, zu verweisen. Mit dem zuletzt angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid der belangten Behörde mit der Begründung aufgehoben, daß sie irrtümlich von der bindenden Wirkung eines früheren Bescheides zu der hier maßgeblichen Frage der Baubewilligung für die Wiederauffüllung der von der Kiesgewinnung betroffenen Grundstücke ausgegangen sei.

Im fortgesetzten Verfahren hat die belangte Behörde nun mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 22. Jänner 1992 neuerlich die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den die angestrebte Bewilligung versagenden Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 11. Juni 1990 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, daß die vom Beschwerdeführer beabsichtigte Wiederauffüllung der Schottergrube nach den Festsetzungen des Flächenwidmungsplanes nicht zulässig sei, weil die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Materialgewinnungsstätte-Schottergrube" mit der Folgenutzungsart "Grünland-Landwirtschaft" einem solchen Vorhaben entgegenstehe. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß die Gewerbe-, Wasserrechts- und Naturschutzbehörde die Übereinstimmung der Wiederauffüllung der Schottergrube mit dem Flächenwidmungsplan festgestellt habe, sei nicht zutreffend, da dies nicht in den Aufgabenbereich dieser Behörden falle. Aus der Wortfolge im § 19 Abs. 2 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG) "Materialgewinnungsstätte und dazugehörige Deponie" sei nicht herauszulesen, daß die Wiederauffüllung von dieser Widmung mitumfaßt sei, zumal nach den Projektsunterlagen nach einer Verfüllung der Grube eine 20 cm-Schicht mit bewuchsfähigem Material aufgebracht und das gegenständliche Areal wieder einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden soll. Die genannten Worte im § 19 Abs. 2 ROG "Materialgewinnungsstätte und dazugehörige Deponien" seien so zu verstehen, daß damit die Lagerung des abgebauten Materials (hier Schotter) vor dessen Abtransport zulässig sei, weil ja ansonsten die Lagerung des abgebauten Materials raumordnungsrechtlich nicht gedeckt wäre, wie dies aus dem Wort "dazugehörige" hervorgehe. Die vom Beschwerdeführer vorgenommene Interpretation der Zulässigkeit der Wiederauffüllung sei nicht richtig. Gegen seine Ansicht spreche auch, daß im § 19 Abs. 2 ROG für Müllablagerungsplätze eine eigene Nutzungsart vorgesehen sei. Der Gemeinderat habe daher nicht rechtswidrig gehandelt, wenn er die Baubewilligung für die Wiederauffüllung der Schottergrube auf den eingangs zitierten Grundstücken wegen Widerspruches zum Flächenwidmungsplan versagt habe.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 19 Abs. 1 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 (ROG), LGBl. 8000-0, gehören alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen zum Grünland.

Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind nach Maßgabe der örtlichen Gegebenheiten und Erfordernisse für Flächen, die für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung, für familieneigene Wohnbedürfnisse der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, für Grüngürtel, für Schutzhäuser, für im Grünland erhaltenswerte Bauten, für Materialgewinnungsstätten und dazugehörige Deponien, für Gärtnereien und Kleingärten, für Sportstätten, für Friedhöfe und Parkanlagen, für Campingplätze, für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art bestimmt sind, die entsprechenden Grünlandnutzungsarten auszuweisen. Alle Flächen des Grünlandes, die nicht der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, nicht familieneigenen Wohnbedürfnissen der Inhaber land- und forstwirtschaftlicher Betriebe dienen und nicht Ödland sind, müssen im Flächenwidmungsplan unter Angabe der besonderen Nutzung ausgewiesen werden.

Bei der Widmung einer Fläche als Materialgewinnungsstätte hat die Gemeinde nach § 19 Abs. 3 ROG die Folgenutzungsart auszuweisen, die nach Erschöpfung des Materialvorkommens eintreten muß.

§ 19 Abs. 4 des Gesetzes bestimmt schließlich, daß im Grünland Neu-, Zu- und Umbauten nur vorgesehen werden dürfen, wenn sie für eine Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind.

Nach § 100 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 (BO), LGBl. 8200-0 in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-6, ist die Baubewilligung zu versagen, wenn durch die Ausführung des Bauvorhabens u.a. Bestimmungen des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 über die Zulässigkeit von Bauführungen auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten sowie über Vorbehaltsflächen und Bausperren verletzt werden.

Nach § 93 Z. 2 lit. a BO bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde die Anlage und die Erweiterung von Steinbrüchen, Sand-, Kies- und Lehmgruben sowie deren Ausfüllung, die Anlage und die Erweiterung von Schlacken-, Schutt- und Müllhalden.

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen geht eindeutig hervor, was auch der Beschwerdeführer nicht bestreitet, daß für die Wiederauffüllung der hier maßgeblichen Schottergrube eine baubehördliche Bewilligung erforderlich ist. Strittig zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage, ob die hier im Flächenwidmungsplan der Gemeinde maßgeblichen Festsetzungen einer solchen Baubewilligung entgegenstehen. Sowohl der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde als auch die belangte Behörde vertreten die Auffassung, daß die ausgewiesene Folgenutzungsart Grünland-Landwirtschaft eine Ausfüllung der Schottergrube von vornherein nicht zulasse. Gegen die Auffassung des Beschwerdeführers, im § 19 Abs. 2 ROG sei von Materialgewinnungsstätten und dazugehörigen Deponien die Rede, bringt die belangte Behörde u.a. auch das Argument vor, daß § 19 Abs. 2 leg. cit. für Müllablagerungsplätze eine eigene Nutzungsart vorsehe. Der Verwaltungsgerichtshof teilt zwar die Auffassung der belangten Behörde, daß sich aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 ROG nicht die Richtigkeit der Ansicht des Beschwerdeführers ableiten lasse, bei Materialgewinnungsstätten seien stets auch Deponien "dazugehörig", weil das Wort darzugehörig gerade die Richtigkeit des von der belangten Behörde gezogenen Schlusses bestätigt, daß es sich um solche Deponien handelt, die für die Materialgewinnungsstätten, also für die Lagerung des abgebauten Materials, "dazugehörig" sind. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß eine eigene Nutzungsart für Müllablagerungsplätze und Lagerplätze aller Art im § 19 Abs. 2 ROG vorgesehen ist und sohin die Ausfüllung einer Materialgewinnungsstätte nur dann zulässig ist, wenn eine solche Folgenutzungsart ausgewiesen ist, spricht insbesondere der Umstand, daß die Ausfüllung einer Materialgewinnungsstätte nicht mit einem Müllablagerungsplatz zu vergleichen ist und darüber hinaus im § 93 Abs. 2 lit. a BO die Ausfüllung von Gruben gegenüber der Anlage von Schlacken-, Schutt- und Müllhalden ein gesonderter bewilligungspflichtiger Tatbestand ist. Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich daher nicht der Auffassung der belangten Behörde anzuschließen, daß die bloße Ausnutzung der Folgenutzungsart Grünland-Landwirtschaft die Ausfüllung einer Materialgewinnungsstätte schlechthin verbietet, weil dies den hier maßgeblichen Bestimmungen nicht entnommen werden kann. Im übrigen war und ist die Wiederauffüllung von Materialgewinnungsstätten durchaus üblich, wie dies auch aus dem Bewilligungstatbestand des § 93 Z. 2 lit. a BO hervorgeht. Im Verfahren hat freilich die Baubehörde zu prüfen, ob die vorgesehene Art und Weise der Wiederauffüllung mit der festgesetzten Folgenutzungsart übereinstimmt, was eben einer näheren Prüfung bedarf. Die Klärung der Frage, ob das Vorhaben mit dem Flächenwidmungsplan übereinstimmt, ist Aufgabe der Baubehörde und kann - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - nicht dadurch als beantwortet angesehen werden, daß für das Vorhaben erforderliche wasserrechtliche, gewerbebehördliche und naturschutzbehördliche Bewilligungen erteilt worden sind.

Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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