VwGH 92/03/0032

VwGH92/03/003221.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21. November 1991, Zl. IIb2-V-9209/1-1991, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 21. November 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 31. Oktober 1990 um 8,16 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf der B 171 von Imst kommend in Richtung "Pitztal-Knoten" fahrend im Bereich der Autobahnzufahrt und Auffahrt nach Karrösten gelenkt, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Lenkerberechtigung zu sein, und dadurch eine Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG begangen. Gemäß § 134 KFG wurde über ihn eine Geldstrafe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen) verhängt. In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, es werde der Sachverhalt auf Grund der Anzeige und der Aussagen der beiden Gendarmeriebeamten GI Sch. und RI L. als erwiesen angenommen, die zur Tatzeit in Richtung Imst unterwegs gewesen seien und dabei den Beschwerdeführer als Lenker des genannten Fahrzeuges gesehen hätten. Der Beschwerdeführer sei nicht im Besitz einer Lenkerberechtigung gewesen. Der Verantwortung des Beschwerdeführers, das Fahrzeug zur Tatzeit nicht gelenkt zu haben, werde nicht gefolgt. Die Vorlage diverser Fahrscheine durch den Beschwerdeführer mit der Behauptung, er sei, seit er nicht mehr im Besitz der Lenkerberechtigung gewesen sei, regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln der ÖBB unterwegs gewesen, vermöge ihn nicht zu entlasten. Aus den Fahrscheinen ergebe sich nicht, wer gefahren sei. Außerdem gehe aus den Akten nicht hervor, daß der Beschwerdeführer auch für 31. Oktober 1990 eine Fahrkarte vorgelegt habe. Sein Vorbringen, das Fahrzeug sei zur Tatzeit fahruntauglich gewesen, müsse als reine Schutzbehauptung gewertet werden. Auf Grund der aktenkundigen Beweislage sei die Einvernahme der angebotenen Zeugin entbehrlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft mit seinem gesamten Vorbringen im wesentlichen die Feststellung der belangten Behörde, daß er zur Tatzeit der Lenker gewesen sei, indem er insbesondere rügt, es sei eine von ihm genannte Entlastungszeugin, deren Befragung ergeben hätte, daß er (Beschwerdeführer) zum maßgeblichen Zeitpunkt in einem Bus gefahren sei und somit das Fahrzeug nicht gelenkt habe, nicht vernommen worden. Dies verstoße gegen das Gebot der vorgreifenden Beweiswürdigung.

Schon diesem Vorbringen kommt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Berechtigung zu.

Der im § 45 Abs. 2 AVG (§ 24 VStG) normierte Grundsatz der freien Beweiswürdigung schließt eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle nicht in der Richtung aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Hiebei sind gemäß § 25 Abs. 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Die Behörde darf nur dann einen beantragten Zeugenbeweis ablehnen, wenn er objektiv gesehen nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern; eine Würdigung der Beweise hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit ist nur nach der Aufnahme des Beweises möglich (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., ENr. 8a und b zu § 25 Abs. 2 VStG, S. 846).

Die belangte Behörde hat die maßgebende Feststellung, daß der Beschwerdeführer das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt hat, auf die Aussagen der beiden Gendarmeriebeamten gestützt. Der Beschwerdeführer hat jedoch während des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens seine Täterschaft bestritten und bereits im erstinstanzlichen Verfahren, wenn auch vorerst ohne Namensnennung, Zeugen für die Richtigkeit seines Vorbringens in Aussicht genommen. In der Berufung hat er sodann ausdrücklich Helene G. unter Anführung der Anschrift als Zeugin dafür, daß er zur Tatzeit (offenkundig mit ihr) in einem öffentlichen Verkehrsmittel gefahren sei, namhaft gemacht. Im Lichte der obigen Darlegungen wäre daher die belangte Behörde verpflichtet gewesen, diese Beweisaufnahme durchzuführen, da ihr die objektive Eignung, über den maßgebenden Sachverhalt Beweis zu liefern, nicht von vornherein abgesprochen werden kann. Dies hat jedoch die belangte Behörde nicht getan und damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Hinblick darauf erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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