VwGH 92/01/0052

VwGH92/01/00528.4.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und Senatspräsident Dr. Hoffmann sowie die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Dezember 1991, Zl. 4 324.366/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein ägyptischer Staatsangehöriger, reiste am 18. Juni 1989 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. September 1991 einen Antrag auf Asylgewährung. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsbehörde am 4. Oktober 1991 gab der Beschwerdeführer an, er sei am 30. Juni 1990 zum katholischen Glauben übergetreten. Er habe erst nach seinem Religionsübertritt aus Zeitungsberichten erfahren, daß Christen in Ägypten verfolgt würden, und fürchte daher im Fall seiner Rückkehr wegen der von Mohammedanern als Schande empfundenen und gegen zwar nicht staatliche, aber islamische Gesetze verstoßenden Konvertierung zum Christentum widerrechtlich verfolgt und inhaftiert zu werden. Er halte es für unmöglich, eine Verlängerung seines ägyptischen Reisepasses zu erlangen und ersuche deshalb um Asylgewährung.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer über seine bisherigen Angaben hinaus ergänzend vor, aus Pressemeldungen und Berichten von Amnesty International sowie von verschiedenen christlichen Organisationen sei ersichtlich, daß zum Christentum übergetretene Muslime in Ägypten in mehreren Fällen inhaftiert, ohne Gerichtsverhandlung für mehrere Monate gefangengehalten und hiebei auch gefoltert worden seien. Der Beschwerdeführer befürchte nicht nur Verfolgung durch staatliche Stellen, sondern auch durch immer stärker werdende islamische Fundamentalisten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. In der Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, die belangte Behörde sei nach Prüfung der Angaben des Beschwerdeführers zu der Auffassung gelangt, daß die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge beim Beschwerdeführer nicht vorlägen. Die Angaben des Beschwerdeführers seien unglaubwürdig, weil er, erst nachdem er bereits zwei Jahre in Österreich gelebt habe, zum christlichen Glauben übergetreten sei und daraufhin - in der Hoffnung, auf Grund des Flüchtlingsstatus in Österreich bleiben zu können - um Asyl angesucht habe. Es sei offenkundig, daß die ägyptische Regierung bemüht sei, zwischen Muslimen und Kopten zu vermitteln. Es könne daher davon ausgegangen werden, daß regelmäßig keine Verfolgungshandlungen durch den Staat bzw. durch diesem zurechenbare Organe gesetzt würden. Es existiere kein Verbot des christlichen Glaubens, doch hätten die Christen als religiöse Minderheit mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Die daraus resultierenden Beeinträchtigungen träfen alle Anhänger dieses Glaubens und könnten nicht als individuelle, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung gewertet werden. Der Beschwerdeführer habe den Grund, aus dem seine Furcht vor Verfolgung resultiere, nachdem er sein Heimatland ohne Furcht vor Verfolgung als Tourist verlassen habe, selbst gesetzt. Die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ägypten sei auch deshalb unbegründet, weil er seinen eigenen Angaben zufolge beabsichtige, in den Libanon zu reisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft und auf ein gesetzmäßiges Asylverfahren verletzt. Insbesondere sei die belangte Behörde fälschlicherweise davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer Kopte sei, und daß Bemühungen der ägyptischen Regierung um Vermittlung zwischen Muslimen und Kopten offenkundig seien. Auch habe die belangte Behörde die beantragte Vernehmung eines informierten Vertreters der Christian Solidarity International unterlassen. Der Beschwerdeführer habe mit seiner Äußerung, lieber in den Libanon auszuwandern, als nach Ägypten zurückzukehren, lediglich seine Furcht vor einer Rückkehr bzw. Abschiebung in sein Heimatland zum Ausdruck bringen wollen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Asylgesetz), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, daß der Beschwerdeführer sein Heimatland nicht aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Vielmehr befürchtet er Verfolgung deshalb, weil er während seines Aufenthaltes in Österreich zum christlichen Glauben übergetreten ist. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann der Umstand allein, daß der Beschwerdeführer den Grund, aus dem er Verfolgung befürchtet, selbst gesetzt hat, nicht dazu führen, daß schon deshalb dieser Grund nicht als Ursache begründeter Furcht vor Verfolgung anerkannt werden könnte. Ebensowenig war die belangte Behörde berechtigt, die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ägypten deshalb als unbegründet zu beurteilen, weil dieser angegeben hatte, für den Fall, daß er nicht in Österreich bleiben könne, in den Libanon auswandern zu wollen.

Der belangten Behörde ist aber beizupflichten, wenn sie ausgeführt hat, daß die Auswirkungen von Schwierigkeiten, mit denen christliche Minderheiten in islamischen Staaten konfrontiert sind, alle Angehörigen dieser Minderheit im gleichen Maße treffen. Derartige Unbilden für sich allein reichen somit noch nicht aus, lediglich daraus, daß ein Asylwerber einer religiösen Minderheit angehört, begründete Furcht vor konkreter Verfolgung abzuleiten.

Der Beschwerdeführer hat wohl eine Reihe von Fällen aufgezählt, in denen gegen zum christlichen Glauben übergetretene Muslime behördliche Übergriffe bzw. auch von den Behörden nicht unterbundene Aggressionshandlungen von dritter Seite gesetzt wurden. Der Beschwerdeführer selbst hat aber in seiner Beschwerde aufgezeigt, daß bei einer Gesamtbevölkerung Ägyptens von 50 Millionen sechs Millionen dem christlichen Glauben zuzurechnen seien. Damit wird aber klar, daß bei einem Anteil dieser Minderheit von 12 Prozent an der Gesamtbevölkerung die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Anzahl von Übergriffen gegen Angehörige dieser Minderheit bzw. gegen zu ihr Übergetretenen nicht geeignet ist, eine allgemeine, die Lebensgrundlagen bedrohende bzw. den Aufenthalt unerträglich machende Verfolgung von Angehörigen des christlichen Glaubens darzutun. Daß aber der Beschwerdeführer selbst wegen seines Religionsübertrittes bereits Ziel konkreter Verfolgung gewesen wäre, behauptet er selbst nicht.

Bei dieser Sachlage kann sohin der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung als nicht begründet erachtet hat.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe die beantragte Einvernahme eines Vertreters von Christian Solidarity International unterlassen, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Unterlassung der beantragten Beweisaufnahme keinen Verfahrensmangel darstellt, weil nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem Beweisantrag der namhaft gemachte Zeuge ohnedies nur über die von der belangten Behörde berücksichtigten Unbilden, denen Christen in Ägypten ausgesetzt sein könnten, Angaben hätte machen können.

Die sich als unbegründet erweisende Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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