VwGH 91/19/0179

VwGH91/19/017911.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des NN in H, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. Mai 1991, Zl. Fr 4088/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §2;
AVG §45 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;
AsylG 1968 §2;
AVG §45 Abs2;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 idF 1987/575;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 13. Mai 1991, wurde gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer ein auf die §§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 sowie § 4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 in der Fassung BGBl. Nr. 575/1987, (FrPolG) gestütztes, mit 24. Oktober 1995 befristeten Aufenhaltsverbot für "das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich" erlassen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit behauptende Beschwerde mit dem Begehren, aus diesen Gründen den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 3 Abs. 1 FrPolG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, (MRK) genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Nach Art. 8 Abs. 2 MRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

2.1. In der Begründung des angefochtenen Becheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer beim Österreichischen Generalkonsulat Instanbul anläßlich der Stellung des Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes zur Einreise nach Österreich als Reisezweck den Besuch eines Verwandten angegeben habe. Dem entsprechend sei am Rand der im Paß des Beschwerdeführers angebrachten Sichtvermerksstampiglie der Großbuchstabe "E" sowie der Vermerk "Besuchreise" angebracht worden. Wenn auch dem Beschwerdeführer darin zu folgen sei, daß die Beantragung eines Touristenvisums die Stellung eines Asylantrages - einen solchen hat der Beschwerdeführer nach der Aktenlage mit Schriftsatz vom 22. Oktober 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten eingebracht - nicht ausschließe, "so ist für die Berufungsbehörde ohne Zweifel feststehend, daß durch das Verhalten des Berufungswerbers der Tatbestand des § 3 Abs. 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz gegeben ist".

2.2. Wenngleich diese Begründung sehr knapp geraten ist, so liegt doch kein relevanter Begründungsmangel vor, und zwar auch nicht, wie die Beschwerde meint, hinsichtlich der Beweiswürdigung. Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen finden in den Akten volle Deckung. Der Kopie des vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antrags-Formulars betreffend die Ausstellung eines Sichtvermerkes zur Einreise nach Österreich ist als beantragte Gültigkeitsdauer, "3 Mon (einm)", also 3 Monate für einmalige Einreise, als Reiseziel "3130 Herzogenburg, X Nr. 20" und als Reisezweck "Tourist" zu entnehmen; darüber hinaus befindet sich auf der Rückseite des Antrags-Formulars der - auch in türkischer Sprache abgefaßte - vom Beschwerdeführer unterschriebene Passus: "Ich erkläre, daß ich nur zu dem Zweck und für jene Dauer, die ich in meinem gleichzeitig abgegebenen Sichtvermerks-Antrag angeführt habe, nach Österreich reisen werde." Dieser Sichtvermerks-Antrag wurde am 1. Oktober 1990 gestellt, der Sichtvermerk am 9. Oktober 1990 mit einer Gültigkeitsdauer bis 8. Jänner 1991 erteilt. Der erwähnte Asylantrag vom 22. Oktober 1990 wurde demnach bereits ca. drei Wochen nach dem Antrag auf Erteilung eines Touristen-Visums gestellt. Wenn die belangte Behörde angesichts dessen als erwiesen annahm, daß der Beschwerdeführer vor dem Österreichischen Generalkonsulat Istanbul unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht habe, so ist zum einen diese Beweiswürdigung nicht als unschlüssig, zum anderen die Subsumtion dieses als maßgeblich angenommenen Sachverhaltes unter den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG nicht als rechtswidrig zu erkennen. Letzteres auch nicht unter Bedachtnahme auf den dagegen vorgetragenen Beschwerdeeinwand, eine unrichtige Angabe gegenüber der Behörde könne im gegebenen Zusammenhang nur vorliegen, wenn der Beschwerdeführer ausdrücklich darüber befragt worden wäre, ob er die Absicht habe, einen Asylantrag zu stellen, und er dies verneint hätte. Denn "unrichtige Angaben", im Sinne des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG sind nicht nur wahrheitswidrige Antworten auf Fragen (der Behörde bzw. ihrer Organe), sondern auch ohne entsprechende Fragen abgegebene Erklärungen eines Fremden, die von seinen zu diesem Zeitpunkt tatsächlich bestehenden Absichten abweichen. Ob Erklärungen dieser Art vorliegen, ist von der belangten Behörde unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen (§ 45 Abs. 2 AVG). Daß dies im Beschwerdefall in rechtlich unbedenklicher Weise geschehen ist, wurde oben dargetan.

Da somit die belangte Behörde den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 FrPolG zutreffend als verwirklicht ansah, und von ihr damit zu Recht das Vorliegen einer "bestimmten Tatsache im Sinne des Abs. 1" angenommen wurde, durfte sie - vorbehaltlich der Unbedenklichkeit der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 leg. cit. - die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes als gegeben erachten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. April 1991, Zl. 91/19/0011). Dazu, daß die Anhängigkeit eines Feststellungsverfahrens nach § 2 des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegensteht, wird auf das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 91/19/0240, verwiesen.

3. Im Rahmen der gesetzlich gebotenen Interessenabwägung (§ 3 Abs. 3 FrPolG) stellte die belangte Behörde fest, daß der Beschwerdeführer keine familiären oder sonstigen Bindungen in Österreich habe, außerdem, daß er sich erst seit kurzem in Österreich aufhalte und hier abgesehen von einem Cousin keine näheren Angehörigen habe. Hinsichtlich seines beruflichen und persönlichen Fortkommens habe der Beschwerdeführer keinerlei Angaben gemacht. Diese Festellungen blieben in der Beschwerde unbekämpft. Auch aus den Akten sind keine für das private Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich sprechenden Umstände ersichtlich. Die Interessenabwägung zu Lasten des Beschwerdeführers mit dem Ergebnis, daß auch von da her die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschschwerdeführer zulässig sei, begegnet demnach keinen Bedenken.

4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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