VwGH 91/19/0162

VwGH91/19/016223.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Weich, über die Beschwerde des Luxman S, zuletzt in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Mai 1991, Zl. UVS-01/27/00010/91, betreffend Kostenersatz in Angelegenheit Festnahme und Schubhaft nach dem Fremdenpolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AHR;
AVG §79a;
B-VG Art131a;
B-VGNov 1988 Art10 Abs1 Z1;
FrPolG 1954 §5a Abs6;
FrPolG 1954 §5a;
PatG 1970 §122 Abs1;
PauschV VwGH 1991;
RAO 1868 §37 Z5;
RAT;
VerfGG 1953 §88;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47;
VwGG §49;
AHR;
AVG §79a;
B-VG Art131a;
B-VGNov 1988 Art10 Abs1 Z1;
FrPolG 1954 §5a Abs6;
FrPolG 1954 §5a;
PatG 1970 §122 Abs1;
PauschV VwGH 1991;
RAO 1868 §37 Z5;
RAT;
VerfGG 1953 §88;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §47;
VwGG §49;

 

Spruch:

Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Mai 1991 wurde die mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 18. April 1991 angeordnete und an diesem Tag erfolgte Festnahme des Beschwerdeführers sowie die nachfolgende Anhaltung desselben in Schubhaft unter Berufung auf § 5a Abs. 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 75/1954, idF der Novelle BGBl. Nr. 21/1991 (im folgenden: FPG), gemäß § 67c Abs. 3 AVG für rechtswidrig erklärt. Gleichzeitig wurde unter anderem ausgesprochen, daß der Bund dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten im Betrag von S 4.123,80 binnen vierzehn Tagen zu ersetzen habe.

Begründet wurde dieser Kostenzuspruch wie folgt (wobei unter "AHR" die Autonomen Honorar-Richtlinien der Vertreterversammlung des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages laut Beschluß vom 10. Oktober 1975, kundgemacht im "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" am 24. Dezember 1975, zuletzt geändert mit Beschluß vom 1. März 1991, kundgemacht ebendort am 30. März 1991, und unter "RAT" der im Bundesgesetz vom 22. Mai 1969, BGBl. Nr. 189, über den Rechtsanwalttarif, in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 343/1989, enthaltene Tarif zu verstehen ist):

Im Lichte der Verfassungsbestimmungen des Art. 7 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit (Anspruch auf volle Genugtuung) könne der Verweis des § 5a Abs. 6 FPG auf die §§ 67c bis 67g AVG bei verfassungskonformer Interpretation dieser Bestimmung mangels einer expliziten Kostenregelung nur so verstanden werden, daß mit diesem Verweis auch § 79a AVG erfaßt sei, welcher ausdrücklich auf § 67c AVG Bezug nehme. Unterliege die (vor dem unabhängigen Verwaltungssenat) belangte Behörde, so könne nicht sie zum Kostenersatz verpflichtet sein, sondern nur der hinter ihr stehende Rechtsträger (vgl. Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate, S. 144, und die dort zitierte Judikatur).

Die im gegenständlichen Verfahren involvierten Behörden seien

funktionell (vgl. VfSlg. 8770, 10.112, 11.527) für den Bund

tätig, der Kostenersatz daher diesem aufzuerlegen gewesen. Was

die Höhe der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung

notwendigen Kosten (§ 79a AVG) anbelange, sei gemäß § 5 Z. 38

AHR von einer Bemessungsgrundlage von S 300.000,-- ausgegangen

worden. (Es folgt nachstehende Berechnung.)

"Beschwerdeschriftsatz, TP 2 I Z. 1 lit. e RAT S 2.291,--

Einheitssatz 50 Prozent, § 11 AHR S 1.145,50

S 3.436,50

USt S 687,30

S 4.123,80"

Das Mehrbegehren sei abzuweisen gewesen, da die Leistungen offenbar gemäß § 8 Abs. 1 AHR (Vertretung vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof) bewertet worden seien. Dem sei entgegenzuhalten, daß der unabhängige Verwaltungssenat der nachprüfenden Kontrolle durch die Höchstgerichte unterliege. Ein Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat könne daher keinesfalls dem vor einem Höchstgericht gleichgesetzt werden, da er im Verfahren gemäß § 5a FPG als Behörde erster Instanz tätig werde; es sei daher für Schrifsätze die TP 2 I Z. 1 lit. e (RAT) anzuwenden.

Gegen diesen Bescheid - und zwar allein gegen die nach Ansicht des Beschwerdeführers zu gering bemessene Höhe des ihm zuerkannten Kostenersatzes - richtet sich vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Zunächst ist klarzustellen, daß der mit der Überschrift "Kosten bei Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt" versehene § 79a AVG von der belangten Behörde anzuwenden war. Dies ungeachtet des Umstandes, daß § 5a FPG, insbesondere auch dessen Absatz 6 zweiter Satz, nicht explizit einen Verweis darauf enthält, da es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, daß der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des § 79a AVG in einem solchen Fall ausschließen wollte.

§ 79a AVG lautet:

Der Partei, die in Fällen einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (§ 67c) obsiegt, steht der Ersatz der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu.

Eine nähere Regelung über den Ersatz dieser Kosten besteht nicht.

Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 17. Oktober 1973, Slg. Nr. 7182, mit welchem er die Kostenregelung des § 122 Abs. 1 Patentgesetz 1970 ("In der Entscheidung hat das Patentamt nach freiem Ermessen zu bestimmen, zu welchem Anteil und Betrag die Kosten des Verfahrens und der Vertretung den Parteien zu Last fallen.") als nicht verfassungswidrig befunden hat, die ausreichende Determinierung dieser Bestimmung dadurch als gegeben erachtet, daß diese Bestimmung der Behörde aufträgt, sich bei der von ihr zu treffenden Kostenentscheidung - unter Bedachtnahme auf die für die verschiedenen Gebiete geltenden Kostenersatzvorschriften insgesamt - im besonderen an den Grundsätzen der Kostenersatzregelung in jenen Verfahren zu orientieren, die nach Art und Gegenstand dem von ihr durchgeführten Verfahren am ähnlichsten sind.

Der Verwaltungsgerichtshof ist der Ansicht, daß diese Rechtsanschauung auf die Bestimmung des § 79a AVG übertragbar ist. Dabei bietet sich als "ähnlichste" Kostenregelung jene über den Kostenersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof (§§ 47 bis 60 VwGG) an. Dies deshalb, weil diese Bestimmungen bis zum 31. Dezember 1990 (vgl. Art. X Abs. 1 Z. 1 der B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685) auch für Beschwerden gemäß § 131a B-VG an den Verwaltungsgerichtshof gegen die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anzuwenden waren (und im übrigen auch näher als etwa die Regelung des § 88 VerfGG. 1953 determiniert sind). In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Vorschrift des § 49 VwGG hervorzuheben, welche in den Abs. 1 und 2 für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand sowie den Vorlageaufwand einen Ersatz vorsieht, der den durchschnittlichen Kosten der Vertretung durch einen Rechtsanwalt bzw. dem durchschnittlichen Aufwand der Behörden im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entspricht.

Daraus folgt, daß sich die belangte Behörde bei der Entscheidung über den Kostenersatz gemäß § 79a AVG an den Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG über den Kostenersatz in Verbindung mit der auf § 49 VwGG gestützten Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl. Nr. 104/1991, zu orientieren hatte, wobei unter Bedachtnahme auf den Grundsatz einer Abstufung des Kostenersatzes im Verfahren entsprechend der Unter- bzw. Überordnung der angerufenen Behörden und der damit verbundenen verschiedenartigen Mühewaltung die in der soeben zitierten Verordnung angeführten Pauschalsätze um ein Drittel (gerundet) zu kürzen waren. Das bedeutet im Beschwerdefall, daß der dem Beschwerdeführer zuzuerkennende Schriftsatzaufwand gemäß Art. I, A. Z. 1. der zitierten Verordnung S 7.413,-- (S 11.120,-- minus S 3.707,--) inklusive Umsatzsteuer - da es sich um einen pauschalierten Betrag handelt - betragen hätte. Da die belangte Behörde dem Beschwerdeführer einen darunter liegenden Betrag zuerkannt hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet. Diese Rechtswidrigkeit ist eine solche des Inhaltes, weil die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu dem von ihr gefundenen Ergebnis gelangte, indem sie nicht die dargestellte Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde legte, sondern von der Anwendbarkeit der AHR ausging. Die belangte Behörde hat damit insbesondere verkannt, daß es hier nicht um eine vom Rechtsanwalt für seine Leistungen vereinbarte Entlohnung (vgl. § 37 Z. 5 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868), sondern um den Kostenersatz geht, den ein Dritter an die obsiegende Partei zu entrichten hat.

Der Bescheid war daher im angefochtenen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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