VwGH 91/18/0182

VwGH91/18/01828.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Degischer und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Jänner 1991, Zl. MA 70-10/1384/90/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §82 Abs1;
StVO 1960 §82 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der dem Beschwerdeführer unter Punkt 2 angelasteten Übertretung (vom 21. Oktober 1989) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnissen des Magistrates der Stadt Wien 1) vom 21. September 1990 und 2) vom 28. November 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, 1) am 11. Mai 1989 um

19.20 Uhr und 2) am 21. Oktober 1989 um 12.50 Uhr "die Straße und den darüber befindlichen Luftraum", und zwar in "Wien 1, Stephansplatz 9" (Punkt 1) und in "Wien 1, Stock im Eisen-Platz ggü. 2" (Punkt 2) jeweils "durch Aufstellung einer Sänfte ohne die erforderliche Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken benützt" und dadurch jeweils Verwaltungsübertretungen nach § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. d StVO 1960 begangen zu haben. Über den Beschwerdeführer wurden daher jeweils Geld- und Ersatzarreststrafen verhängt.

Diese Straferkenntnisse wurden auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig eingebrachten Berufungen mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Jänner 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG (mit Ausnahme einer Änderung des Ausspruches über die Ersatzfreiheitsstrafe in einem Fall) bestätigt.

Zu der dem Straferkenntnis vom 21. September 1990 zugrunde gelegten Übertretung (Punkt 1) führte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, der Beschwerdeführer habe entsprechend der Anzeige des Meldungslegers "eine Veranstaltung zur Erlangung eines Standortes zur Ausübung eines Gewerbes unter Verwendung von Sänften angekündigt". Es könne daher davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer die Benützung der Straße (hier in Wien 1, Stephansplatz 9) zur wirtschaftlichen Werbung verwendet habe, zumal er offensichtlich auf seinen "Sänftendienst" habe aufmerksam machen wollen. Dies gehe auch aus dem Einspruch des Beschwerdeführers hervor, in welchem er ausgeführt habe, daß er die beiden Sänften "der Öffentlichkeit vorstellen wollte". Darin sei jedoch nach Auffassung der Berufungsbehörde sehr wohl eine Werbung zu sehen, weshalb der Beschwerdeführer zur Durchführung derselben einer Bewilligung zur Benützung der Straße bedurft hätte.

Zu der dem Straferkenntnis vom 28. November 1990 zugrunde liegenden Übertretung (Punkt 2) führte die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides aus, der Meldungsleger habe entsprechend seiner Anzeige zur Tatzeit am Tatort eine größere Menschenansammlung wahrnehmen können. Er habe nachgesehen und eine abgestellte Sänfte erblickt, auf welcher eine Frau gesessen sei. Weiters ergebe sich aus der Anzeige, daß der am Tatort anwesende Christoph W. dem Meldungsleger gegenüber angegeben habe, die Sänfte vom Beschwerdeführer gemietet zu haben. Da der Beschwerdeführer diese Angaben nicht bestreite, könne auch die Berufungsbehörde von den Angaben des Meldungslegers ausgehen. Daraus ergebe sich aber, daß der Beschwerdeführer offensichtlich die Sänfte zu gewerblichen Tätigkeiten am Tatort abgestellt gehabt habe, weshalb er zur Durchführung derselben einer Bewilligung zur Benützung der Straße bedurft hätte.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsstrafakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer hält die von der belangten Behörde vorgenommene Subsumtion des ihm als Verwaltungsübertretung angelasteten Verhaltens unter "§ 85" (richtig wohl: 82) Abs. 1 StVO für rechtswidrig, weil der Transport mit Sänften in der Straßenverkehrsordnung 1960 überhaupt nicht geregelt sei.

Gemäß § 82 Abs. 1 StVO 1960 ist für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z.B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen.

Zunächst ist im Hinblick auf das wiedergegebene Beschwerdevorbringen festzuhalten, daß im Beschwerdefall nicht zu untersuchen ist, ob die Beförderung von Personen mit Sänften in der Straßenverkehrsordnung 1960 geregelt ist, weil der Beschwerdeführer nicht wegen eines derartigen Personentransportes, sondern jeweils deshalb bestraft worden ist, weil er eine Straße "durch Aufstellung einer Sänfte ohne die erforderliche Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken benützt" hat. Es bedarf daher auch keiner Erörterung, ob der Beschwerdeführer mit seiner Auffassung im Recht ist, daß "in Wien Sänften seit 1689 verwendet worden sind und anzunehmen ist, daß noch Gesetze und Verordnungen existieren, die die Fortbewegung mit Sänften regeln". Es stellt sich daher lediglich die Frage, ob die bloße Aufstellung einer Sänfte auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr - als eine solche sind die jeweiligen Tatorte unzweifelhaft anzusehen - eine Benützung derselben zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs darstellt und daher einer Bewilligung nach § 82 Abs. 1 StVO 1960 bedarf.

Die belangte Behörde ist entsprechend der schon wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides - unwidersprochen - davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer die Sänfte im Falle der dem Straferkenntnis vom 21. September 1989 zugrunde gelegten Übertretung (Punkt 1) nach seinen Angaben "der Öffentlichkeit vorstellen wollte", was als eine - bewilligungspflichtige - Werbung zu qualifizieren sei.

Diese Auffassung hält der Gerichtshof im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 82 Abs. 1 StVO 1960 für zutreffend, weil das Aufstellen einer Sänfte, um diese "der Öffentlichkeit vorzustellen", wohl in der Absicht erfolgt, auf die Möglichkeit einer (entgeltlichen) Beförderung von Personen mit einer derartigen Sänfte aufmerksam zu machen, also für dieses Transportmittel zu werben.

Im Zusammenhang mit der dem Straferkenntnis vom 28. November 1989 zugrunde liegenden Übertretung (Punkt 2) ist festzuhalten, daß das Aufstellen der Sänfte im Bereich des angegebenen Tatortes dann keiner Bewilligung gemäß § 82 Abs. 1 StVO 1960 bedürfte, wenn dies in der Absicht erfolgen sollte, die Sänfte von dort aus bestimmungsgemäß, also für einen Personentransport auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, einzusetzen. Unter diesen Umständen würde die Sänfte zwar zum Zwecke einer gewerblichen Tätigkeit aufgestellt werden, doch könnte damit die erwähnte Bewilligungspflicht nicht begründet werden, weil eine derartige Benützung der Straße mit öffentlichem Verkehr, also das Aufstellen der Sänfte, um sie für einen Personentransport (und nicht bloß zur Werbung) einzusetzen, sowie eine derartige Beförderung selbst nicht "zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs" im Sinne des § 82 Abs. 1 leg. cit. erfolgen würde. Legt man diese Erwägungen der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung vom 21. Oktober 1989 (Punkt 2) zugrunde, so muß darauf Bedacht genommen werden, daß die Aufstellung der Sänfte in diesem Fall entsprechend den Ausführungen in der Anzeige deshalb erfolgt ist, weil "wir diese Winzerkönigin durch die Kärntnerstraße tragen wollen". Auch der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Einvernahme am 5. Juni 1990 erklärt, daß er auf Grund eines konkreten Auftrages "als Gewerbeinhaber den Sänftentransport in der dortigen Fußgeherzone 'Stock im Eisenplatz' durchgeführt" habe. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß die Sänfte im vorliegenden Fall wegen eines möglicherweise unmittelbar bevorstehenden Transportes, und sohin im Zusammenhang mit einer durch § 82 Abs. 1 StVO 1960 nicht erfaßten gewerblichen Tätigkeit, im Tatortbereich aufgestellt worden ist. Auf Grund der Aktenlage kann allerdings nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob die Sänfte ausschließlich zur - unmittelbar bevorstehenden - Durchführung eines bereits in Auftrag gegebenen Personentransportes aufgestellt worden ist und nicht vielmehr schon längere Zeit zu Zwecken der Werbung dort gestanden ist. Der Umstand, daß dem Beschwerdeführer die Aufstellung der Sänfte zu einem bestimmten Zeitpunkt ("um 12.50 Uhr") angelastet worden ist, schließt eine derartige Annahme nicht aus, weil sich entsprechend der Anzeige des Meldungslegers bereits "eine größere Menschenansammlung" gebildet hat, was darauf hindeutet, daß die Sänfte (nicht nur zur Durchführung eines bereits vereinbarten Transportes, also wegen der nach § 82 Abs. 1 StVO 1960 nicht relevanten Umstände) schon längere Zeit dort gestanden ist. In dieser Hinsicht erweist sich der Sachverhalt daher als ergänzungsbedürftig, weshalb der angefochtene Bescheid diesbezüglich als Folge der von der belangten Behörde offensichtlich unrichtig beurteilten Rechtslage wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war; im übrigen aber, also hinsichtlich des Punktes 1, war die Beschwerde jedoch als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 sowie insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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