Normen
FinStrG §33 Abs1;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §98 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
FinStrG §33 Abs1;
FinStrG §8 Abs1;
FinStrG §98 Abs3;
VwGG §41 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hatte 1984 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Polizeijurist und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er unterfertigte am 16. Jänner 1985 einen vom Personalreferat seiner Dienststelle bereits ausgefüllten Antrag auf Durchführung des Jahresausgleiches 1984, der gemeinsam mit den Anträgen der anderen Bediensteten der Buchhaltung bei der Zentralstelle übermittelt wurde. Am 14. März 1985 überreichte der Beschwerdeführer seine mit 12. März 1985 datierte Einkommensteuererklärung 1984. Zur Kennzahl 336 des Erklärungsformulars ließ er die Kästchen neben den Worten "Finanzamt" und "Arbeitgeber" im Vordruck "Ein Jahresausgleich für 1984 wurde beim - Finanzamt - Arbeitgeber beantragt" unausgefüllt, fügte jedoch handschriftlich hinzu "laut beilieg.
Lohnsteuerbescheinigung nicht". In dieser Lohnsteuerbescheinigung vom 16. Jänner 1985 für das Jahr 1984 war unter 13. "Jahresausgleich nicht beantragt" eingetragen. Das Finanzamt richtete am 19. Juni 1985 eine Anfrage an die Buchhaltung der Zentralstelle des Arbeitgebers des Beschwerdeführers, ob der Jahresausgleich 1984 bereits durchgeführt sei, und erhielt die Antwort, daß dies der Fall sei und ein Lohnsteuerbetrag von S 5.138,60 zurückbezahlt worden sei. Am 21. Juni 1985 wurd dem Beschwerdeführer der genannte Betrag von seinem Arbeitgeber auch angewiesen.
Gegenüber dem Vorwurf des Verdachtes versuchter Abgabenhinterziehung durch unrichtige Beantwortung der Frage nach einem Antrag auf Jahresausgleich für 1984 in der Einkommensteuererklärung für dieses Jahr verantwortete sich der Beschwerdeführer damit, er habe sich bei Verfassung der Erklärung nicht mehr daran erinnern können, ob er schon an den Arbeitgeber einen Antrag auf Jahresausgleich gestellt habe. Das ausgefüllte Antragsformular sei gleichzeitig mit vielen anderen Geschäftsstücken an der Dienststelle an ihn gelangt und von ihm unterfertigt worden, er habe sich daran nicht mehr erinnern können. Eine Nachforschung bei der Dienststelle sei nicht erfolgversprechend gewesen, weil die Anträge zu diesem Zeitpunkt ohne vorhergehende Einzelregistrierung bereits gesammelt an die Zentralstelle weitergeleitet gewesen seien. Der Beschwerdeführer habe daher seine Unsicherheit bei Beantwortung der Frage im Formular über die Einkommensteuererklärung für 1984 durch den Zusatz unter Hinweis auf die Lohnsteuerbescheinigung zum Ausdruck gebracht. Daß das Finanzamt den betreffenden Erklärungsteil nicht zum Anlaß für Überprüfungen (Ermittlungen) nehmen werde, habe der Beschwerdeführer um so weniger fürmöglich gehalten, als er mit dem betreffenden Finanzamt seit Jahren nicht auf gutem Fuß stehe, habe er gegen dieses doch wiederholt wegen Versäumnissen mit Beschwerden vorgehen müssen.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug der versuchten Hinterziehung von Einkommensteuer 1984 im Betrag von S 5.139,--, begangen dadurch, daß er in der erwähnten Steuererklärung vom 14. März 1985 angegeben habe, einen Jahresausgleich "laut beiliegender Lohnsteuerbescheinigung" nicht beantragt zu haben, schuldig erkannt. Über ihn wurde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Die belangte Behörde nahm als erwiesen an, der Beschwerdeführer habe bei seiner unverständlichen und im Ergebnis unrichtigen Erklärung ernstlich mit der Möglichkeit gerechnet, daß diese beim Finanzamt dahin ausgelegt werde, es sei kein Jahresausgleich für 1984 beantragt worden, und daß ihm daher um die Höhe des Erstattungsbetrages zuviel Lohnsteuer angerechnet würde. Er habe sich durch die Verwendung dieser mißverständlichen, aber im Ergebnis unrichtigen Erklärung damit abgefunden.
Zur Begründung für diese Feststellung betreffend die innere Tatseite bezog sich die belangte Behörde darauf, daß der Beschwerdeführer ein erfahrener Jurist sei. Auch wenn man ihm glaube, er habe sich an den Jahresausgleichsantrag nicht mehr erinnern können, wäre er in der Lage gewesen, dies klar in der Einkommensteuererklärung zum Ausdruck zu bringen. Der Beschwerdeführer sei schon einige Jahre zuvor wegen unrichtiger Ausfüllung des Formulares zur Einkommensteuererklärung im erwähnten Punkt verwarnt worden.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht darauf verletzt, des ihm angelasteten Finanzvergehens nicht schuldig erkannt und seinetwegen nicht bestraft zu werden. Er behauptet inhaltliche Rechtwidrigkeit und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Versuchte Abgabenhinterziehung (§§ 13, 33 Abs. 1 FinStrG) erfordert in der Schuldform Vorsatz. Für Vorsatz genügt es, daß der Täter die Verwirklichung eines Sachverhaltes, der dem gesetzlichen Tatbild entspricht, ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (§ 8 Abs. 1 zweiter Halbsatz FinStrG).
Diese Art des Vorsatzes hat die belangte Behörde als erwiesen angenommen. Ihre Behauptung, es spräche "wohl einiges dafür", daß der Beschwerdeführer die Abgabenhinterziehung sogar angestrebt habe, hat sie nicht näher dargelegt. Sie ist nicht tragender Teil der Bescheidbegründung und findet überdies in der Aktenlage keine Stütze.
Es ist daher nur zu prüfen, ob die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid bedingten Vorsatz annehmen durfte.
Die Frage, was der Täter zur Tatzeit (hier 14. März 1985) für möglich hielt, ist eine solche nach einem inneren Vorgang im Menschen, auf den nur durch äußere Merkmale geschlossen werden kann. Bei der Beantwortung dieser Frage handelt es sich primär um einen Akt der Beweiswürdigung im Sinne des § 98 Abs. 3 FinStrG, der vor dem Verwaltungsgerichtshof nur der Nachprüfung unter dem Gesichtspunkt der Schlüssigkeit, vor allem also der Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und mit menschlichem Erfahrungsgut unterliegt.
Dieser Nachprüfung hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht stand:
Auszugehen ist davon, daß die belangte Behörde die Verantwortung des Beschwerdeführers, dieser habe sich am 14. März 1985 nicht mehr daran erinnern können, ob er bereits einen Jahresausgleichsantrag gestellt hatte, nicht als widerlegt ansah. Entscheidend ist daher nur mehr, ob die belangte Behörde auf Grund irgendwelcher äußeren Merkmale den Schluß auf den inneren Vorgang des Beschwerdeführers ziehen durfte, dieser habe es für möglich gehalten, seine oben erwähnte Erklärung könnte vom Finanzamt dahin verstanden werden, daß ohne weitere Prüfung davon auszugehen sei, ein Jahresausgleichsantrag wäre nicht gestellt worden.
Der Beschwerdeführer ließ den Formulartext unverändert, kreuzte aber auch die vorgesehenen Felder nicht an. Er fügte jedoch dem Formulartext die bereits oben wiedergegebenen Worte unter Bezugnahme auf den Inhalt der Lohnsteuerbescheinigung vom 16. Jänner 1985 bei. Durch diesen Hinweis war mit ausreichender Deutlichkeit erklärt, daß der Beschwerdeführer das Formular im betreffenden Punkt nicht auf Grund seiner eigenen Erinnerung ausgefüllt hat, sondern auf Grund des Inhaltes einer Urkunde, die mehr als zwei Monate alt war und daher im Erklärungszeitpunkt bereits längst überholt sein konnte.
Schon die objektive Betrachtung des Erklärungstextes zeigt daher, daß nicht damit zu rechnen war, daß das Finanzamt bei der Veranlagung die Erklärung im betreffenden Punkt unüberprüft übernimmt.
Der Beruf des Beschwerdeführers als erfahrener Jurist und/oder seine bereits vor Jahren erfolgte Verwarnung sind zwar Indizien dafür, daß der Beschwerdeführer über die Wichtigkeit der betreffenden Frage im Erklärungsformular für die Veranlagung Bescheid wußte, sie geben aber keinen Hinweis darauf, daß er mit der Möglichkeit rechnete, das Finanzamt werde seine Erklärung des oben angeführten Inhaltes ohne weitere Prüfung der Veranlagung in dem Sinn zu Grund legen, daß kein Jahresausgleich beantragt worden sei.
Der Beschwerdeführer erhebt aber auch zu Recht den Vorwurf, daß sich die belangte Behörde mit seiner Verantwortung nicht auseinandergesetzt habe, er hätte wegen seiner zahlreichen Beschwerden gegen das Finanzamt mit einer besonders genauen Prüfung seiner Erklärung zu rechnen gehabt und schon deshalb nicht mit der Möglichkeit gerechnet, das Finanzamt werde ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen, daß von ihm kein Jahresausgleich beantragt worden sei. Wenn die belangte Behörde dazu in der Gegenschrift meint, sie wäre eines Eingehens auf dieses Argument im Hinblick darauf enthoben gewesen, daß sie die Erwägungen des Spruchsenates übernommen habe, der sich mit dem betreffenden Problem eingehend in der Begründung seines Erkenntnisses auseinandergesetzt habe, so irrt sie. Die betreffenden Ausführungen des Spruchsenates sind nämlich ihrerseits nicht schlüssig im Sinne einer Widerlegung des Argumentes des Beschwerdeführers. Sie lauten folgendermaßen:
"Gerade auf Grund des selbst vom Beschuldigten angegebenen gespannten Verhältnisses zwischen ihm und dem Finanzamt ... ist es um so unverständlicher, warum er diese mißverständliche, im Ergebnis aber eindeutig falsche Formulierung bei der Frage der Erstellung eines Jahresausgleiches für 1984 wählte, welche bei realistischer und lebensnaher Betrachtung nur in dem Sinne verstanden und erklärt werden kann, daß sich der Beschuldigte eben damit abfand, daß die von ihm ernstlich als möglich erwogene Abgabenhinterziehung tatsächlich eintreten sollte."
Diese Überlegungen unterstellen nur ohne jede Begründung, der Beschwerdeführer habe die Abgabenhinterziehung ernstlich für möglich gehalten, ohne das Argument des Beschuldigten zu widerlegen, auf Grund seines gespannten Verhältnisses zum Finanzamt habe er mit einer besonders sorgfältigen Prüfung der Erklärung gerechnet und nicht mit der ungeprüften Annahme des Finanzamtes, ein Jahresausgleich sei nicht beantragt worden.
Es ist aber denkfolgerichtig und der Lebenserfahrung entsprechend, daß ein Abgabepflichtiger, der sich schon wiederholt über Versäumnisse des Finanzamtes beschwert hat, in der Folge damit rechnet, daß seine Erklärungen genauer geprüft und unter die Lupe genommen werden. Ob diese Erwartungshaltung objektiv richtig ist, ist für ihr Vorhandensein ohne Bedeutung. Dem Beschwerdeführer ist daher darin beizupflichten, daß sein gespanntes Verhältnis zum Finanzamt dafür spricht, daß er eine ungeprüfte Übernahme seiner Erklärung nicht für möglich gehalten hat.
Es fehlt daher der Feststellung der belangten Behörde über die subjektive Tatseite an einer schlüssigen Begründung. Auch die Aktenlage bietet für eine solche keinen Anhaltspunkt.
Bei dieser Beweislage wäre die belangte Behörde aber im Hinblick auf § 98 Abs. 3 zweiter Satz FinStrG verpflichtet gewesen, davon auszugehen, daß nicht einmal bedingter Vorsatz verwirklicht wurde.
Dies hat die belangte Behörde nicht getan, solcherart daher die Rechtslage verkannt und den Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes in seinen Rechten verletzt, was zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 Abs. 1 VwGG führen mußte.
Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991. Gemäß S 59 Abs. 1 VwGG ist der Aufwandersatz durch den Antrag begrenzt.
W i e n , am 17. September 1991
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