VwGH 91/14/0030

VwGH91/14/003026.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Kärnten (Berufungssenat I) vom 22. November 1990, Zl. 268/8 - 3/89, betreffend Einkommensteuer 1985 (mitbeteiligte Partei: S in V), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §4 Abs1;
EStG 1972 §4 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte ermittelt den Gewinn für ihren Gewerbebetrieb (Kauf- und Gasthaus mit angeschlossener Tankstelle) nach § 4 Abs. 1 EStG 1972.

Am 16. Jänner 1985 eröffnete die Mitbeteiligte bei der

R. Bank ein Sparbuch mit einer - nach der Aktenlage vom betrieblichen Girokonto überwiesenen - Einlage von

S 599.960,15. Bis zum 26. August 1985 erfolgten mehrere Einzahlungen in der Höhe von insgesamt S 4,299.960,15 vom betrieblichen Girokonto und aus der Betriebskassa. Unter Berücksichtigung von Zinsen und Abzug von Zinsertragsteuer wies das Sparbuch zum 31. Dezember 1985 einen Guthabensstand von

S 4,453.161,83 aus. Die erste Abhebung von diesem Sparbuch (S 2,000.000,--) erfolgte am 27. Jänner 1986. Die im Jahr 1985 am Sparbuch angewachsenen Zinsen von S 161.264,93 wies die Mitbeteiligte in der Einkommensteuererklärung 1985, welcher entsprechend das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid erließ, nach Abzug des Freibetrages gemäß § 27 Abs. 4 EStG 1972 von

S 10.000,-- als Einkünfte aus Kapitalvermögen aus.

Im Zuge einer Buch- und Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, das Sparbuch sei in der Buchhaltung als Betriebssparbuch (eigenes Bestandskonto mit der Konto-Nr. 311) behandelt worden, die Zinsen seien als Zinserträge verbucht worden. Erst im Zuge der Bilanzerstellung seien diese Buchungen über das Privatkonto rückgängig gemacht worden. Die Zinsen seien daher im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassen.

Gegen den Bescheid, mit dem das Finanzamt - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - der Ansicht des Prüfers folgte, legte die Mitbeteiligte Berufung ein. Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG erstrecke sich nur auf notwendiges Betriebsvermögen. Dieses bestehe aus Wirtschaftsgütern, die ihrem Wesen nach dem Betrieb zu dienen bestimmt sind und tatsächlich betrieblich verwendet würden. Mit dem Sparbuch seien keine betrieblichen Zwecke verfolgt worden, sondern im wesentlichen die Mittel zur Bezahlung der Einkommensteuerschulden angespart worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. März 1990 brachte der Vertreter der Mitbeteiligten vor, die Sparbuchabhebung von S 2,000.000,-- sei auf das betriebliche Girokonto übertragen worden, um von diesem aus die Einkommensteuernachzahlung von ca. S 1,600.000,-- zu decken.

Mit Eingabe vom 31. August 1990 teilte die Mitbeteiligte mit, Hauptmotiv für die Eröffnung des Sparbuches sei die bessere Verzinsung und die Ansparung für die zu erwartende Einkommensteuernachzahlung gewesen. Diese Beweggründe seien auch der Buchhalterin genannt worden, diese habe jedoch eigenmächtig für das Sparbuch ein Konto in der Finanzbuchhaltung angelegt. Diese ausschließlich auf Initiative der Buchhalterin zurückzuführende Falschbuchung sei im Zuge der Bilanzierung korrigiert worden.

Mit Berufungsentscheidung vom 22. November 1990 gab die belangte Behörde der Berufung Folge. Aufgrund des Vorbringens der Mitbeteiligten, sie habe auf dem Sparbuch die finanziellen Mittel zur Begleichung von Einkommensteuerschulden angespart, könne davon ausgegangen werden, daß der Wille der Mitbeteiligten von Anfang an darauf gerichtet gewesen sei, die Geldmittel für private Zwecke zu verwenden. Die Mitbeteiligte habe mit dem steuerlichen Vertreter erstmals im Zuge der Bilanzerstellung (im Herbst 1986) über das Sparbuch gesprochen. Die Buchhalterin habe durch die Anlegung des Bestandskontos für das Sparbuch eine Fehlbuchung getätigt, die vom steuerlichen Vertreter im Zuge der Bilanzerstellung korrigiert worden sei. Da das Sparbuch für die private Bedürfnisbefriedigung geplant gewesen sei, gehöre es zum notwendigen Privatvermögen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als notwendiges Betriebsvermögen sind Wirtschaftsgüter anzusehen, die ihrem Wesen nach einem Betrieb objektiv zu dienen bestimmt sind und tatsächlich betrieblich genutzt werden. Handelt es sich um Bargeld, das aus Betriebseinnahmen stammt, so trifft das solange zu, als dieses Bargeld nicht aus dem betrieblichen Kreis entnommen wird. Anhaltspunkt hiefür kann aber, dem Wesen des Geldes entsprechend und eine ordnungsgemäße Geldkontenführung vorausgesetzt, grundsätzlich nur die buchmäßige Behandlung sein (vgl. hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1976, 1099/75, 272/76; 28. Juni 1988, 87/14/0118). Nicht ausschlaggebend ist, ob das Bargeld in näherer Zukunft tatsächlich betrieblich verwendet werden wird (vgl. Doralt, EStG2, § 4 Tz 52). Nichts anderes als für Bargeld gilt aber für ein Sparbuch (vgl. Quantschnigg-Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 4 Tz 11.3.2). Werden Gelder von einem betrieblichen Girokonto auf ein Sparbuch überwiesen, so verläßt es durch diesen Wechsel der Veranlagungsform nicht den betrieblichen Kreis. Erst wenn die Widmung zum privaten Bereich nach außen hin klar dokumentiert ist, und zwar insbesondere durch die buchmäßige Behandlung (Erfassung als Privatentnahme) oder allenfalls durch die private Verwendung der Geldmittel, liegt Privatvermögen vor. Gleiches gilt, wenn Geldmittel von der Betriebskasse auf ein Sparbuch transferiert werden.

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Mitbeteiligte Gelder vom betrieblichen Girokonto und der Betriebskassa einem Sparbuch zugeführt hat, im Streitjahr 1985 in der Buchhaltung die Entnahme der Geldmittel bzw. des Sparbuches nicht dokumentiert hat und auch eine private Verwendung des Sparbuches im Streitjahr nicht vorgenommen wurde. Bei dieser Sachlage stellt aber das Sparbuch Betriebsvermögen dar. Entgegen der in der Gegenschrift der Mitbeteiligten zum Ausdruck gebrachten Auffassung ist nicht entscheidend, daß die Buchhalterin durch die "unrichtige Verbuchung" das Sparbuch als Anlagevermögen aktiviert habe. Entscheidend ist vielmehr, daß die Mitbeteiligte nicht - etwa durch die Verbuchung eines Entnahmevorganges als laufendes Geschäftsfalles - die Widmung zum Privatvermögen nach außen hin klar dokumentiert hat. Erst ab dem Zeitpunkt einer solchen klaren Dokumentation darf das Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen angenommen werden. Die durch den steuerlichen Vertreter vorgenommenen Umbuchungen sind erst nach Ablauf des Streitjahres erfolgt und daher für die Zuordnung zum Privat- oder Betriebsvermögen für das gesamte Streitjahr nicht relevant (vgl. hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1983, 83/14/0039, 0045).

Dem Vorbringen in der Gegenschrift, eine (privat genutzte) Segeljacht stellte ungeachtet ihrer buchmäßigen Behandlung Privatvermögen dar, ist entgegenzuhalten, daß es der Besonderheit von Geld entspricht, in gleicher Weise privaten und betrieblichen Zwecken dienen zu können.

Die belangte Behörde rechnete das Sparbuch deshalb dem Privatvermögen zu, weil sie als erwiesen annahm, daß der Wille der Mitbeiligten von Anfang an darauf gerichtet gewesen sei, die Geldmittel des Sparbuches künftig für private Zwecke zu verwenden. Sie hat damit den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufgehoben werden mußte.

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