Normen
BAO §236 Abs1;
B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;
BAO §236 Abs1;
B-VG Art139 Abs6;
B-VG Art140 Abs7;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erhielt bei Beendigung seines Dienstverhältnisses am 31. März 1987 eine Abfertigung ausbezahlt. In der Einkommensteuererklärung für 1987 beantragte er, auf den Abfertigungsbetrag den halben Steuersatz im Sinne des § 37 EStG 1972 anzuwenden. Das Finanzamt folgte diesem Antrag im Hinblick auf den letzten Satz des § 37 Abs. 1 EStG 1972, wonach auf Einkünfte, die unter die Bestimmungen des § 67 EStG 1972 fallen, der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden ist, nicht. Eine Berufung, in der insbesondere auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. März 1987, G 269/86-8 u.a., Slg. Nr. 11316, hingewiesen wurde, wurde mit einer Berufungsvorentscheidung vom 1. März 1990 (Begründung vom 28. Februar 1990), soweit es den Beschwerdepunkt betrifft, abgewiesen. In der Begründung der Berufungsvorentscheidung ging die Abgabenbehörde davon aus, daß der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis bestimmt hat, die Aufhebung des § 37 Abs. 1 letzter Satz EStG 1972 trete mit Ablauf des 31. Dezember 1987 in Kraft. Im Falle des Beschwerdeführers sei daher für 1987 noch jene Rechtslage anzuwenden, die eine Anwendung des § 37 Abs. 1 EStG 1972 u.a. auf Abfertigungen ausgeschlossen hatte. Ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz wurde als verspätet zurückgewiesen.
Mit Eingabe vom 20. April 1990 beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht eines Abgabenbetrages in Höhe von S 219.930,--, um welchen Betrag die Einkommensteuerschuld für 1987 bei Anwendung des ermäßigten Steuersatzes niedriger gewesen wäre.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid ab, weil seiner Meinung nach eine Unbilligkeit der Einhebung dieses Abgabenbetrages nicht gegeben sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid abgewiesen. Die belangte Behörde vertrat in diesem Bescheid die Auffassung, daß die "Nichtgewährung" des begünstigten Steuersatzes trotz der Aufhebung des § 37 Abs. 1 letzter Satz EStG 1972 durch das o.a. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes eine Auswirkung der sich aus Art. 140 Abs. 7 B-VG ergebenden Rechtslage sei, die alle von der aufgehobenen Vorschrift erfaßten Abgabepflichtigen in gleicher Weise treffe.
In der Beschwerde gegen diesen Bscheid wird dessen
inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Fällige Abgabenschuldigkeiten können gemäß § 236 Abs. 1 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Dies gilt nach Abs. 2 der Gesetzesstelle sinngemäß auch für bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten.
Der Beschwerdeführer erachtet sich im wesentlichen dadurch beschwert, daß die durch das o.a. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 11316 bereinigte Rechtslage nicht im Wege einer Nachsicht im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO auf die vom Beschwerdeführer zu entrichtende Einkommensteuer für 1987 angewendet worden ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat, bezogen auf Gesetzesänderungen und die Aufhebung von Normen durch den Verfassungsgerichtshof, bereits wiederholt ausgesprochen, daß die sich aus einer Gesetzesänderung ergebenden Unterschiede in der Besteuerung von Fällen je nachdem, ob die entsprechenden Sachverhalte vor oder nach der Änderung verwirklicht wurden, zwar subjektive Härten darstellen können, aber in allen gleichen Lagen und damit allgemein eintreten (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1991, 91/15/0008, und die dort angeführte weitere Rechtsprechung). Die in Art. 139 Abs. 6 und 140 Abs. 7 B-VG enthaltene Regelung, daß die aufgehobenen Vorschriften auf die vor der Aufhebung bzw. vor Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist verwirklichten Tatbestände anzuwenden und nur die Anlaßfälle davon ausgenommen sind, führt notwendigerweise dazu, daß die Anlaßfälle gegenüber anderen Fällen begünstigt werden. Die sich daraus ergebenden Unterschiede in der Belastung treten allgemein ein und führen ebensowenig wie Gesetzesänderungen oder Änderungen der Rechtsprechung zu atypischen Belastungen und daher auch nicht zur Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Einzelfall (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes je vom 30. Mai 1990, 89/13/0266, und 89/13/0279, mit weiteren Hinweisen). Dem Umstand, ob dabei der Verfassungsgerichtshof - im Sinne des vom Beschwerdeführer zitierten Aufsatzes von Richard Novak, Lebendiges Verfassungsrecht (1986), JBl 1990, 621 - die "Anlaßfallwirkung" "ausdehnt" oder nicht, kommt dabei keine Bedeutung zu.
Der Beschwerdeführer geht davon aus, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt hat, "die in der Begründung zum Einkommensteuerbescheid 1987 vom 28. Februar 1990 (richtig: Begründung der Berufungsvorentscheidung betreffend Einkommensteuer 1987) enthaltene Darstellung der Rechtslage" sei keinesfalls verfehlt. Wäre der Beschwerdeführer nicht dieser Rechtsauffassung des Finanzamtes gefolgt, sondern hätte er "Berufung und VwGH-Beschwerde eingelegt", wäre ihm die "Rechtswohltat des "Anlaßfalles"" zugekommen. Es liege somit ein ähnlicher Umstand vor wie im Falle des "verschleppten Berufungsverfahrens". Diese - für die Frage der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung aus den oben wiedergegebenen Gründen an sich nicht weiter maßgeblichen - Ausführungen des Beschwerdeführers gehen überdies schon deswegen ins Leere, weil im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld hinsichtlich Einkommensteuer 1987 das in Rede stehende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 11316 längst ergangen war. Der die Abgabenschuld realisierende Abgabenbescheid konnte somit erst in einem Zeitpunkt lange nach Ergehen des Verfassungsgerichtshof-Erkenntnisses erlassen werden. Bei dieser Sachlage kann entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs davon gesprochen werden, er sei durch das Verhalten der Abgabenbehörde, und zwar unter Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben, daran gehindert worden, "Anlaßfall" dieses Erkenntnisses zu werden, zumal die in der Begründung der Berufungsvorentscheidung vom 28. Februar 1990 enthaltenen Ausführungen der Rechtslage entsprechen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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