VwGH 91/12/0143

VwGH91/12/014314.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 6. Dezember 1990, Zl. 56.054/11-17/90, betreffend Studienbeihilfe nach dem Studienbeihilfengesetz 1983, zu Recht erkannt:

Normen

StudFG 1983 §2 Abs3 litg;
StudFG 1983 §2 Abs3 litg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begann sein (Erst)Studium "Kulturtechnik und Wasserwirtschaft" (im folgenden Kulturtechnik genannt) an der Universität für Bodenkultur im Wintersemester 1983/84. Im Wintersemester 1988/89 (also im 11. Semester des Erststudiums Kulturtechnik) nahm der Beschwerdeführer das weitere Studium "Betriebswirtschaft" (BW) an der Wirtschaftsuniversität Wien auf (Doppelstudium). In seinem Studium "Kulturtechnik", dessen Lehrveranstaltungen der Beschwerdeführer auch nach diesem Zeitpunkt weiter inskribierte, hatte der Beschwerdeführer bis zum Sommersemester 1990 noch nicht die erste Diplomprüfung abgelegt.

Im April 1990 stellte der Beschwerdeführer erstmals den Antrag, ihm für sein Studium "BW" (zu diesem Zeitpunkt befand er sich im vierten Semester dieses Studiums) Studienbeihilfe zu gewähren.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid vom 6. Dezember 1990 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Senates der Studienbeihilfenbehörde Wien an der Wirtschaftsuniversität Wien vom 14. November 1990 gemäß § 2 Abs. 3 lit. g StudFG 1983 ab und bestätigte die Abweisung seines Antrages auf Gewährung der Studienbeihilfe. Dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, er habe im Zuge seines Doppelstudiums von der Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht und sich erstmals für sein Studium der Betriebswirtschaft um eine Studienbeihilfe bemüht, für das keine Studienzeitüberschreitung vorliege, hielt die belangte Behörde folgendes entgegen: Die gesetzliche Studienzeit für die Studienrichtung Kulturtechnik betrage im ersten Studienabschnitt vier Semester, die Studienzeit im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. g StudFG 1983 somit insgesamt neun Semester. Im Zeitpunkt der Aufnahme seines Studiums Betriebswirtschaft als Doppelstudium habe sich der Beschwerdeführer bereits im elften inskribierten Semester seines Studiums Kulturtechnik befunden, ohne die erste Diplomprüfung abgelegt zu haben. Die Möglichkeit der Entscheidung zwischen zwei Studienrichtungen habe sich also erst zu einem Zeitpunkt ergeben, zu dem der Beschwerdeführer bereits in einer Studienrichtung vom Anspruch auf Studienbeihilfe (nach § 2 Abs. 3 lt. g StudFG 1983) ausgeschlossen gewesen sei. Dieser Ausschluß wirke absolut, also nicht nur hinsichtlich jener Studienrichtung, deren Studiendauer der Beschwerdeführer überschritten und für die er keine Studienbeihilfe bezogen habe, sondern auch für künftig betriebene Studienrichtungen hinsichtlich des Anspruches auf Studienbeihilfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Studienförderungsgesetz 1983 (Paragraphenbezeichnungen ohne Angaben beziehen sich auf dieses Gesetz) anzuwenden.

Da die Voraussetzungen des Art. II Abs. 2 der Novelle, BGBl. Nr. 379/1988 (danach ist unter anderem die neu gefaßte Bestimmung des § 2 Abs. 3 lit. g auf Studierende, denen in den Studienjahren 1986/87 und 1987/88 mindestens ein Semester Studienbeihilfe gewährt worden ist, für das gewählte Studium nicht anzuwenden) im Beschwerdefall nicht zutreffen - unbestritten hat der Beschwerdeführer in den nach dieser Norm maßgebenden Studienjahren keine Studienbeihilfe bezogen - kommt § 2 Abs. 3 lit. g (eingefügt durch Art. I Z. 4 der zitierten Novelle) zur Anwendung.

Danach besteht ein Anspruch auf Studienbeihilfe nicht, wenn die erste Diplomprüfung (Rigorosum) nicht innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters absolviert wird.

Nach § 2 Abs. 5 (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 361/1985) besteht bei gleichzeitiger Absolvierung mehrerer Studien (Studienrichtungen) Anspruch auf Studienbeihilfe nur für ein Studium (eine Studienrichtung). Die Wahl des Studiums (Studienrichtungen), für das Studienbeihilfe bezogen werden soll, steht dem Studierenden frei.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Gewährung der Studienbeihilfe, insbesondere in seinem Recht bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 lit. g nicht vom Anspruch auf Studienbeihilfe ausgeschlossen zu werden, verletzt.

Er bringt vor, entgegen der Auffassung der belangten Behörde wirke der Ausschluß nach § 2 Abs. 3 lit. g nicht "absolut", gelte also nicht für alle künftig betriebenen Studienrichtungen, "sondern lediglich für jene Studienrichtungen, deren Studiendauer überschritten ist". Die Auslegung der belangten Behörde finde im Wortlaut des § 2 Abs. 3 lit. g keine Deckung, gebe es doch keinen Hinweis darauf, daß hier nicht nur das geförderte Studium, sondern auch allfällige Vorstudien oder Doppelstudien zu berücksichtigen wären. Das StudFG 1983 befasse sich in § 2 Abs. 3 lit. a mit dem Problem des Studienwechsels und in Abs. 5 mit dem Problem des Doppelstudiums. Im Beschwerdefall liege ein Doppelstudium vor, weshalb die Bestimmungen über den Studienwechsel unbeachtlich seien. Wenn aber das Gesetz einen einmaligen Wechsel des Studiums toleriere, müsse dies umsomehr bei Fortsetzung der Studien in Form eines Doppelstudiums gelten.

§ 2 Abs. 5 räume dem Studierenden eine Wahlmöglichkeit ein: Aus dem klaren Wortlaut der Bestimmung ergebe sich, daß sich die Anspruchsvoraussetzungen nur nach jenem Studium richteten, für das sich der Studierende entschieden habe. Außerdem dürfe eine Ausnahmebestimmung nicht extensiv ausgelegt werden.

Zutreffend hat der Beschwerdeführer erkannt, daß die Lösung des Beschwerdefalles in der strittigen Auslegung des § 2 Abs. 3 lit. g liegt. Schließt § 2 Abs. 3 lit. g nur den Anspruch auf Studienbeihilfe für jenes Studium aus, in der die qualifizierte Studienüberschreitung stattgefunden hat (in diesem Fall wäre § 2 Abs. 3 lit. g nur eine verschärfende lex specialis gegenüber lit. b und c. Während diese Normen bei einer zeitlich geringeren Studienzeitüberschreitung den Anspruch auf Studienbeihilfe mit Abschluß - hier: der ersten Diplomprüfung/des ersten Rigorosums - wieder zulassen, schlösse Abs. 3 lit. g demnach diesen Anspruch auch dann aus, wenn in diesem Studium die erste Diplomprüfung/das erste Rigorosum nach Ablauf der qualifizierten Studienzeitüberschreitung abgelegt würde, sofern nicht die Nachsichtsregel des § 2 Abs. 4 lit. b greift) oder führt eine qualifizierte Studienzeitüberschreitung zu einer umfassenden Ausschlußwirkung des Anspruches auf Studienbeihilfe, die jedes Studium, also nicht nur das Studium, in dem die Studienzeitüberschreitung eingetreten ist, erfaßt (sofern kein Anwendungsfall nach § 2 Abs. 4 lit. b vorliegt). Bei der letztgenannten Auslegung schlösse § 2 Abs. 3 lit. g demnach auch bei einem nach Ablauf der dort genannten Frist durchgeführten Studienwechsel einen Anspruch auf Studienbeihilfe für das neue Studium aus; dies selbst dann, wenn ein günstiger Studienerfolg aus dem neuen Studium nachgewiesen werden könnte. Insofern wäre § 2 Abs. 3 lit. g auch lex specialis gegenüber lit. f. Gleiches hätte dann (wie unten näher dargelegt wird) für die im Beschwerdefall gegebene Fallkonstellation zu gelten, wenn das Doppelstudium (im Sinne des § 2 Abs. 5) erst nach Ablauf der qualifizierten Studienzeitüberschreitung im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. g aufgenommen würde.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß der Wortlaut des § 2 Abs. 3 lit. g unklar ist. Entgegen seiner Auffassung läßt er aber beide Auslegungen zu und kann daher für sich allein nicht zur Lösung beitragen, sodaß weitere Auslegungsmethoden heranzuziehen sind.

Zutreffend hat die belangte Behörde nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die systematische Stellung des § 2 Abs. 3 lit. f (der gleichfalls durch die Novelle BGBl. Nr. 379/1988 eingefügt wurde; demnach besteht ein Anspruch auf Studienbeihilfe nicht, "wenn nach einem Studienwechsel aus dem vorhergehenden Studium kein günstiger Studienerfolg nachgewiesen wurde, bis zum Nachweis eines günstigen Studienerfolges aus dem neuen Studium") als Indiz für ihre Auslegung gewertet: Zweifellos bezieht sich nämlich lit. f auf Fälle einer einfachen Studienzeitüberschreitung nach lit. b bis lit. e und setzt für den Fall des Studienwechsels (der nicht nach lit. a zum Ausschluß des Anspruches auf Studienbeihilfe führt) das Erfordernis eines günstigen Studienerfolges als anspruchserhaltendes Tatbestandselement voraus und schließt im Falle des Fehlens des Nachweises desselben aus dem "Altstudium" einen Anspruch bis zum Nachweis desselben aus dem "Neustudium" aus. Die nachgestellte lit. g, die keine derartige "Heilungsmöglichkeit" für den Fall der qualifizierten Studienzeitüberschreitung vorsieht, bezieht sich aber mangels jeglicher Einschränkung auf die lit. b und c (dies deshalb, weil nur bei den dort erfaßten Studien Diplomprüfungen/Rigorosen vorgesehen sind) und auch die lit. f. Damit mißt aber die lit. g einem erfolglos betriebenen Vorstudium Wirkung für den Anspruch auf Studienbeihilfe in einem anderen Studium zu (wenn auch nur positiv-rechtlich für den Fall des Studienwechsels geregelt).

Ausschlaggebend ist aber zweifellos eine am Gesetzeszweck orientierte Auslegung. Nach den Zielvorstellungen des StudFG 1983 ist nur ein ernsthaft und zielstrebig betriebenes Studium förderungswürdig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1990, Zl. 89/12/0175). Damit stünde aber die vom Beschwerdeführer vertretene enge Auslegung des § 2 Abs. 3 lit. g in offenkundigem Widerspruch, führte sie nämlich dazu, daß Studierende, die jahrelang ein Studium im ersten Abschnitt betrieben haben, ohne dieses in dem in § 2 Abs. 3 lit. g genannten Zeitraum durch Ablegung der ersten Diplomprüfung (des ersten Rigorosums) erfolgreich abzuschließen, bloß in diesem Studium jedenfalls von der Studienbeihilfe ausgeschlossen werden, jedoch bei Beginn eines weiteren (als Doppelstudium) geführten Studiums oder auch bei erstmaligem Studienwechsel nach Ablauf der in lit. g genannten Frist im neuen Studium (bei Nachweis eines günstigen Studienerfolges) förderungswürdig wären.

Aus der Zielsetzung des StudFG 1983 in Verbindung mit dem aus der systematischen Auslegung gewonnenen Ansatz einer "Fernwirkung" des § 2 Abs. 3 lit. g (abzuleiten für den Fall des Studienwechsels) ergibt sich aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch, daß § 2 Abs. 3 lit. g dahingehend zu verstehen ist, daß eine qualifizierte Studienzeitüberschreitung den Anspruch auf Studienbeihilfe nicht bloß für jenes Studium ausschließt, in dem es zu dieser Überschreitung gekommen ist, sondern diese Folge auch in allen (das heißt also auch in den nach diesem Zeitpunkt aufgenommenen) Studien eintritt, wobei es gleichgültig ist, ob dieses spätere Studium als Doppelstudium oder als Neustudium nach einem Studienwechsel betrieben wird. Denn nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, weshalb das "Doppelstudium" gegenüber dem "Studienwechsel" privilegiert sein sollte.

Dies stimmt auch mit dem historischen Befund überein, wie er im "Allgemeinen Teil" der Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zur Novelle BGBl. Nr. 379/1988,

580 Blg. 17. GP, seinen Niederschlag gefunden hat (Seite 10, linke Spalte: "Unter Berücksichtigung der budgetären Möglichkeiten kann der wünschenswerten Ausweitung des Kreises der Bezieher von Studienbeihilfen unter Anhebung der Studienbeihilfen nur dann Rechnung getragen werden, wenn unter dem Gesichtspunkt äußerster Sparsamkeit nicht mehr in vollem Umfang gerechtfertigte soziale Leistungen auf ein sozial noch vertretbares Maß beschränkt werden. Unter diesem Gesichtspunkt sieht der vorliegende Gesetzesentwurf für Studierende, die im Studienjahr 1988/89 neu mit dem Studium beginnen, die Festlegung eines Höchstalters für den Bezug der Studienbeihilfe und Beschränkungen des Bezuges von Studienbeihilfe bei erheblicher Überschreitung der Gesamtstudienzeit vor. ...").

Aus diesen Gründen war die Beschwerde nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

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