VwGH 91/12/0043

VwGH91/12/004321.5.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Knell, Dr. Höß und Dr. Steiner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, in der Beschwerdesache des N.N gegen den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Habilitationsangelegenheit, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §6 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;
AVG §6 Abs1;
AVG §73 Abs2;
B-VG Art132;
VwGG §27;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen, dem darin bezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. August 1988, Zl. 87/12/0019, und den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer beantragte mit einem an die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien gerichteten, mit 23. Dezember 1984 datierten Schreiben die Verleihung der Lehrbefugnis für das Fach "Steuerrechtswissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der experimentellen Steuerrechtswissenschaft". Nach Zulassung zum zweiten Abschnitt des Habilitationsverfahrens entschied die zuständige Habilitationskommission mit Bescheid vom 20. Mai 1986, daß der Beschwerdeführer zum dritten Abschnitt des Habilitationsverfahrens nicht zugelassen werde. Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 27. Juli 1986 Berufung an die belangte Behörde. Da diese darüber nicht entschied, erhob der Beschwerdeführer zur hg. Zl. 87/12/0019, Säumnisbeschwerde. Mit Erkenntnis vom 19. August 1988, Zl. 87/12/0019, entschied der Verwaltungsgerichtshof über die Berufung dahin, daß der mit ihr bekämpfte Bescheid der zuständigen Habilitationskommission vom 20. Mai 1986 aufgehoben werde. Begründet wurde die Entscheidung unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 29. Juni 1987, Zl. 86/12/0199, damit, daß auf Grund einer Berufung in einem Habilitationsverfahren der belangten Behörde nur zwei Aufgaben zukämen: Um die Neudurchführung des zweiten Abschnittes des Habilitationsverfahrens zu ermöglichen, habe die belangte Behörde den bekämpften Bescheid der Habilitationskommission, der eine Abweisung des Habilitationsansuchens zum Inhalt habe, aufzuheben. Die Erlassung dieses kassatorischen Bescheides habe die belangte Behörde im Beschwerdefall versäumt. Zur Sachentscheidung im weiteren Habilitationsverfahren sei zweitens ausschließlich die besondere Habilitationskommission zuständig, für deren Tätigkeit der Weg durch den genannten Bescheid freigemacht werde. Die erforderliche Einsetzung der besonderen Habilitationskommisson durch die belangte Behörde stelle einen Verfahrensschritt dar, der zwar den einzusetzenden Mitgliedern gegenüber, nicht aber gegenüber dem Habilitationwerber in Bescheidform zu ergehen habe; ihm sei nur die Zusammensetzung der Kommission formlos bekanntzugeben. In Anbetracht dieser Rechtslage sei über den vom Beschwerdeführer mit Berufung bekämpften Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof nicht meritorisch, sondern kassatorisch zu entscheiden gewesen.

Nach dem Inhalt des in Fotokopie vorgelegten, an die belangte Behörde gerichteten Schreibens vom 11. August 1990 stellte der Beschwerdeführer nach kurzer Darlegung des bisherigen Verfahrensganges, insbesondere nach Hinweis auf das eben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes und darauf, daß sein Habilitationsantrag "bis heute unerledigt" sei, gemäß § 73 AVG den Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über seinen Habilitationsantrag vom 23. Dezember 1984 "auf die do. sachlich zuständige Oberbehörde". Nach dem in Fotokopie vorgelegten Postaufgabeschein wurde dieses Schreiben am 11. August 1990 zur Post gegeben.

Nach der vorliegenden Säumnisbeschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf eine Sachentscheidung insofern verletzt, als die belangte Behörde nicht innerhalb von sechs Monaten ab Einbringung seines Devolutionsantrages vom 11. August 1990 über seinen Habilitationsantrag vom 23. Dezember 1984 entschieden habe. Er stelle demgemäß den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge anstelle der belangten Behörde über seinen Habilitationsantrag vom 23. Dezember 1984 entscheiden und ihm die Lehrbefugnis für das obgenannte Fach verleihen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Fünfersenat erwogen:

Gegenstand der vorliegenden Säumnisbeschwerde ist die behauptete Säumnis der belangten Behörde mit einer Entscheidung über den zitierten Devolutionsantrag des Beschwerdeführers vom 11. August 1990, mit dem er den Übergang der Zuständigkeit von der Habilitationskommission auf die belangte Behörde zur Entscheidung über seinen Habilitationsanstrag vom 23. Dezember 1984 beantragte.

Eine Säumnisbeschwerde kann gemäß Art. 132 B-VG erheben, wer in einem Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Die Beschwerde kann gemäß § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn unter anderem die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

Nach dem Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A, besteht die Beschwerdeberechtigung auch dann, wenn die Entscheidung der obersten Behörde im Sinne des § 27 VwGG nach der Rechtslage nur in einer Zurückweisung des Antrages bestehen kann, weil jede Partei des Verwaltungsverfahrens Anspruch auf Erlassung eines Bescheides über einen von ihr gestellten, noch offenen Antrag hat, auch wenn die Voraussetzungen für die Zurückweisung des Antrages vorliegen, und dementsprechend die angerufene Behörde eine (wenn auch nur in der Form der Zurückweisung zu erfüllende) Entscheidungspflicht trifft.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. den Beschluß vom 13. September 1983, Slg. Nr. 11.131/A) kam der belangten Behörde nach der Rechtslage im Zeitpunkt der behaupteten Einbringung des Devolutionsantrages bei ihr wegen ihrer Funktion als Berufungsbehörde die Stellung der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG in den Fällen der Säumnis der Habilitationskommission zu. Demgemäß traf sie im Beschwerdefall nach dem oben zitierten Beschluß eines verstärkten Senates trotz des Umstandes, daß der gegenständliche Devolutionsantrag mangels einer Säumnis der zuständigen Habilitationskommission (nach dem dargestellten Sachverhalt war ja zu einer Sachentscheidung im weiteren Habilitationsverfahren ausschließlich die von der belangten Behörde einzusetzende besondere Habilitationskommission zuständig) keinen (neuerlichen) Übergang der Zuständigkeit zu einer Entscheidung im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG an die belangte Behörde bewirkte, die Entscheidungspflicht in der Form einer Zurückweisung des Devolutionsantrages.

Gemäß § 37 Abs. 3 UOG in der Fassung der insofern am 1. Oktober 1990 in Kraft getretenen Novelle BGBl. Nr. 364/1990 (vgl. Art. III Abs. 2 erster Halbsatz der Novelle) geht bei Säumnis (§ 73 AVG 1950) des in erster Instanz für die Entscheidung über den Habilitationsantrag zuständigen Kollegialorgans die Entscheidungspflicht auf Antrag des Bewerbers an das oberste Kollegialorgan über (das nunmehr nach § 37 Abs. 1 in der genannten Fassung Berufungsbehörde ist und dem nach § 37 Abs. 2 in den dort genannten Fällen die Einsetzung der besonderen Habilitationskommission obliegt). Dieses hat in sinngemäßer Anwendung des Abs. 2 eine besondere Habilitationskommission zur Durchführung des Habilitationsverfahrens einzusetzen. Die Novelle verweist damit - im Gegensatz zur Altrechtslage - Entscheidungen über Devolutionsanträge in Habilitationsangelegenheiten in den selbständigen (autonomen) Wirkungsbereich der Universitäten. Die dem obersten Kollegialorgan eingeräumte Stellung einer sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde schließt nach den obigen Darlegungen zur Entscheidungpflicht von Verwaltungsbehörden auch die Verpflichtung zur Zurückweisung unzulässiger Devolutionsanträge ein.

Bei der Beurteilung der Auswirkungen der geänderten Rechtslage auf den im Zeitpunkt des Inkrafttretens der UOG-Novelle am 1. Oktober 1990 bei der belangten Behörde bereits anhängigen Devolutionsantrag ist davon auszugehen, daß nach übereinstimmender Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes für die Beurteilung der Zuständigkeit im Sinne des § 6 AVG - vorbehaltlich einer anderslautenden Regelung - der Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides maßgebend ist und demgemäß eine Änderung der Zuständigkeitsvorschriften während eines schon anhängigen Verwaltungsverfahrens zu beachten ist (vgl. die in dem ebenfalls den Beschwerdeführer betreffenden Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 91/12/0034, zitierte Rechtsprechung).

Die UOG-Novelle BGBl. Nr. 364/1990 enthält keine davon abweichende Regelung. Nach Art. III Abs. 1 haben Berufungskommissionen, Habilitationskommissionen und besondere Habilitationskommissionen, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes konstituiert wurden und ihre Tätigkeit bereits aufgenommen haben, das Verfahren in ihrer bisherigen Zusammensetzung und nach den bisherigen Bestimmungen durchzuführen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im eben zitierten Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 91/12/0034, näher dargelegt hat, betrifft diese Übergangsbestimmung ausschließlich die bei den genannten Behörden im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle anhängigen Verfahren (sofern bereits Tätigkeiten gesetzt wurden), geht aber darüber nicht hinaus. Insbesondere wird keine Übergangsbestimmung bezüglich der nach § 37 Abs. 3 UOG geänderten Zuständigkeit im Devolutionsverfahren in Habilitationsangelegenheiten getroffen.

Das schließt freilich, wie der Verwaltungsgerichtshof im schon genannten Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 91/12/0034, ebenfalls näher ausgeführt hat, nicht ohne weiteres die Ersetzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde durch die bloße Verpflichtung zu einer formlosen Abtretung des Devolutionsantrages nach § 6 Abs. 1 AVG an die zuständige akademische Behörde in sich. Eine darnach weiterhin die Entscheidungspflicht der belangten Behörde begründende Fallkonstellation liegt aber auch im vorliegenden Beschwerdefall nicht vor. Denn auch hinsichtlich des gegenständlichen Antrages bestehen weder Zweifel über die nach der alten oder neuen Rechtslage zuständige Behörde noch hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde behauptet, daß die belangte Behörde nach § 6 Abs. 1 AVG vorgegangen sei und der Beschwerdeführer danach auf einer Zuständigkeitsentscheidung durch die belangte Behörde beharrt habe. Einer künftigen Abtretung nach § 6 Abs. 1 AVG steht aber auch nicht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verhältnis des § 6 AVG zu § 73 Abs. 2 leg. cit. (vgl. vor allem das Erkenntnis vom 11. September 1968, Slg. Nr. 7392/A) entgegen. Denn darnach besteht für die Anwendung des § 6 Abs. 1 AVG im Regelungsbereich des § 73 Abs. 2 leg. cit. nur insofern ("im gegebenen Zusammenhang") kein Raum, als durch die Anwendung des § 6 Abs. 1 nicht der in der Außerachtlassung der Formvorschrift des § 73 Abs. 2 (nämlich zur unmittelbaren Einbringung bei der Oberbehörde) gelegene Mangel saniert werden kann. Ein solcher Mangel haftete aber dem gegenständlichen Devolutionsantrag nicht an. Denn er wurde nach den Beschwerdebehauptungen unmittelbar bei der belangten Behörde als der nach den obigen Darlegungen sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde eingebracht und begründete damit ihre Entscheidungspflicht in der Form einer Zurückweisung dieses Antrages. Diese Pflicht fiel erst durch die Änderung der Zuständigkeitsvorschriften ab 1. Oktober 1990 weg. Jedenfalls in solchen Fällen, in denen also keine Verletzung der genannten Formvorschrift vorliegt, ist die Anwendbarkeit des § 6 Abs. 1 AVG zu bejahen (vgl. mit diesem Ergebnis, ohne nähere Begründung, schon den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1985, Zl. 85/10/0018).

Da demnach für die belangte Behörde ab Inkrafttreten der genannten UOG-Novelle am 1. Oktober 1990 keine Verpflichtung mehr zur bescheidmäßigen Erledigung des bei ihr zu diesem Zeitpunkt anhängigen Devolutionsantrages, sondern nur mehr zur Abtretung an die nunmehr zuständige akademische Behörde bestand, konnte sie seit diesem Zeitpunkt auch nicht mehr im Sinne des Art. 132 B-VG säumig sein.

Die vorliegende Säumnisbeschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

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