VwGH 91/11/0032

VwGH91/11/003226.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des M S in H, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 12. Februar 1991, Zl. 704.096/1-2.5/90, betreffend Befreiung von der Truppenübungspflicht, zu Recht erkannt:

Normen

WehrG 1990 §27 Abs2;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;
WehrG 1990 §27 Abs2;
WehrG 1990 §36 Abs2 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage leistete der im Jahre 1961 geborene Beschwerdeführer seinen sechsmonatigen Grundwehrdienst in den Jahren 1982 und 1983 und in der Folge wiederholt, zuletzt bis 3. September 1988, Truppenübungen. Mit Eingabe vom 12. Februar 1990 stellte er das Ansuchen "um Befreiung vom ordentlichen Präsenzdienst (Waffenübungen)". Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 12. Februar 1991 unter Bezugnahme auf § 36 Abs. 2 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Wie die belangte Behörde richtig erkannt hat, hat der Beschwerdeführer mit dem zugrundeliegenden Antrag seine gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung der restlichen Truppenübungen begehrt und war dieser Antrag nicht auf die von ihm zu leistende Truppenübung in der Zeit vom 30. August bis 8. September 1990, die auf Grund einer Vorverständigung hievon den Anlaß für diesen Antrag gegeben hat, eingeschränkt. Diesbezüglich ist aber zu bemerken, daß eine Wertung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände als besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides von vornherein unmöglich war, sofern sie nicht unabhängig von der zeitlichen Lagerung und Dauer der möglichen künftigen Truppenübungen (im Rahmen der im § 28 Abs. 2 WG vorgegebenen Grenzen) als solche zu qualifizieren waren (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. Juli 1991, Zl. 90/11/0236).

Feststeht, daß der Beschwerdeführer seit 1. April 1989 Eigentümer eines (von seinem Vater übernommenen und in der Erschwerniszone IV gelegenen) landwirtschaftlichen Betriebes ist. Die belangte Behörde hat daher das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers an der von ihm begehrten Befreiung angenommen, jedoch deren besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne des § 36 Abs. 2 Z. 2 WG verneint. Dies hat sie damit begründet, daß Truppenübungen in der Regel alle zwei Jahre abgehalten würden und verhältnismäßig kurze Zeit dauerten, sowie daß die Einberufung zu einer Truppenübung grundsätzlich mindestens acht Wochen vor dem Einberufungstermin erfolge und die Vorverständigung schon Monate vorher durch den Mob-Truppenkörper des Beschwerdeführers ergehe, wodurch ihm in einem angemessenen Ausmaß Gelegenheit eingeräumt werde, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten, welche er mit seiner Verpflichtung zur Leistung einer Truppenübung zu harmonisieren habe, entsprechend zu koordinieren. Dies ist dem Beschwerdeführer, der dem im übrigen nicht entgegengetreten ist, zunächst entgegenzuhalten, wenn er der belangten Behörde hinsichtlich der Truppenübung vom 30. August bis 8. September 1990 zum Vorwurf macht, sie habe die Tatsache übergangen, daß es sich "bei dieser Zeit", wie allgemein bekannt sei, "um 'Hauptsaison' in landwirtschaftlichen Betrieben handelt" und dies "die Zeit zusätzlicher Belastungen durch Heumahd, Getreideernte und Almbewirtschaftung ist". Der Beschwerdeführer der schon im Dezember 1989 eine entsprechende Vorverständigung erhalten hat, hat - ungeachtet der Frage, ob bzw. inwieweit er diesen Umstand schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat oder hätte geltend machen müssen - nicht dargetan, daß die genannten Arbeiten jedenfalls auch in diesem Zeitraum hätten durchgeführt werden müssen und sie einerseits nicht verschoben sowie andererseits, nämlich in Ansehung der (nach seinen Angaben ca. 6 km entfernt liegenden und ganzjährig bewirtschafteten) Aste, nicht auf eine für ihn zumutbare Weise, falls keine andere Möglichkeit bestanden hätte, vorübergehend hätten unterbrochen werden können. Schon aus diesem Grunde ist auch mit der Argumentation des Beschwerdeführers, daß "Truppenübungen regelmäßig auch im Winter und insbesondere im Monat März abgehalten werden", "die Behörde ausdrücklich das Interesse des Beschwerdeführers, nicht im August/September Truppenübung zu leisten, mit dem militärischen Interesse, daß ausgerechnet er zu diesem Zeitpunkt Truppenübung leistet, hätte abwägen müssen", und "eine Verletzung militärischer Interessen dadurch, daß der Beschwerdeführer etwaige Truppenübungen im März leistet, nicht gut vorstellbar sind", für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen.

Was die im Betrieb des Beschwerdeführers während seiner präsenzdienstbedingten Abwesenheit zu verrichtenden Tätigkeiten anlangt, so führt er nur noch ins Treffen, daß auf seinem Hof "durchschnittlich 8 bis 10 Kühe zu melken" seien. Aber auch diesbezüglich vermag der Verwaltungsgerichtshof nichts erkennen, daß es dem Beschwerdeführer nicht möglich und zumutbar (gewesen) wäre, in Kenntnis seiner Truppenübungspflicht rechtzeitig entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Das hätte nicht durch die (von der belangten Behörde "als nicht notwendig erachtete") Heranziehung fremder Arbeitskräfte geschehen müssen, sodaß die damit im Zusammenhang stehenden Ausführungen des Beschwerdeführers unbeachtlich sind. Desgleichen geht das Beschwerdevorbringen ins Leere, soweit es sich auf die Begründung der belangten Behörde bezieht, es könne "weiters nicht ausgeschlossen werden, daß fallweise" die Eltern des Beschwerdeführers "unter Berücksichtigung deren Erwerbsverminderung von 60 %" sowie fünf seiner Geschwister "unbeschadet deren unselbständiger Erwerbstätigkeit durch erfolgte Absprachen wechselweise eine Hilfestellung gewähren können", weil es sich hiebei lediglich um ein zusätzliches Begründungselement handelt, dem keine eigenständige Bedeutung zukommt. Maßgeblich ist einzig und allein die im Vordergrund stehende Annahme der belangten Behörde, daß während der Abwesenheit des Beschwerdeführers zur Leistung der Truppenübungen (sowohl jener vom 30. August bis 8. September 1990 als auch zukünftiger) "der Viehstand" von seiner "vollarbeitsfähigen Gattin versorgt werden kann" und "dies auf Grund der ehelichen Beistandspflicht sowie unter Berücksichtigung der Größe des Viehstandes durchaus erwartet werden kann". Zu dem bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Einwand des Beschwerdeführers, daß seine Gattin nicht melken könne, hat die belangte Behörde die Ansicht vertreten, daß seit der Eheschließung des Beschwerdeführers im Jahre 1987 "genügend Zeit für entsprechende Dispositionen vorhanden war". Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren nie behauptet, geschweige denn konkrete Gründe dafür angeführt, daß seine Gattin nicht in der Lage wäre, sich die entsprechenden Kenntnisse anzueignen; selbst sein darauf bezugnehmendes Beschwerdevorbringen, "daß nicht jede Tätigkeit von jeder Person erlernt werden kann", ist nur allgemein gehalten. Der Umstand, daß "melken sowie praktisch jegliche Arbeit auf einem Bauernhof eine körperlich stark anstrengende Tätigkeit darstellt", ändert nichts daran, daß auch der Gattin des Beschwerdeführers zugemutet werden kann, solche Arbeiten zu verrichten, wie sie erfahrungsgemäß häufig auch sonst im landwirtschaftlichen Bereich durch Frauen durchgeführt werden. Dem Hinweis des Beschwerdeführers auf den "Dienstnehmerschutz" (offenbar gemeint: von Landarbeiterinnen) in Verbindung damit, daß diese Ansicht dazu führen würde, daß von seiner Gattin "also Tätigkeiten verlangt werden können, die bei einer Dienstnehmerin gesetzlich ausgeschlossen wären", ist - ohne daß darauf noch näher einzugehen wäre - entgegenzuhalten, daß sich den hiefür in Betracht kommenden Bestimmungen der Tiroler Landarbeitsordnung, LGBl. Nr. 83/1973, nicht entnehmen läßt, daß weibliche Dienstnehmer für die bei der Viehpflege und Melkung notwendigen Arbeiten nicht verwendet werden dürfen, sondern ergibt sich aus § 77 dieses Gesetzes im Gegenteil, daß diese Arbeiten von ihnen, selbst wenn sie einen eigenen Haushalt führen, sogar an Sonn- und Feiertagen, sowie an den Vortagen vor Weihnachten, Ostern und Pfingsten verrichtet werden müssen. Diese unbedingt notwendigen Arbeiten könnten daher vorübergehend auch von der Gattin des Beschwerdeführers besorgt werden, wodurch - im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. die von der belangten Behörde angeführten Erkenntnisse vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/11/0092, und vom 3. März 1989, Zl. 88/11/0108) - jedenfalls eine Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz vermieden werden kann. Wenn es der Beschwerdeführer bisher unterlassen hat, seine Verpflichtung zur Leistung von Truppenübungen mit seinen wirtschaftlichen Angelegenheiten zu harmonisieren, indem er nicht die entsprechenden Vorkehrungen (die im übrigen auch für den Fall einer Erkrankung erforderlich wären) getroffen hat, so hat er es sich selbst zuzuschreiben, wenn er im Falle der Ableistung von Truppenübungen allenfalls in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, weshalb seine wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden können.

Die belangte Behörde hat weiters die besondere Rücksichtswürdigkeit der von ihr angenommenen familiären Interessen des Beschwerdeführers unter Hinweis auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. beispielsweise das von ihr zitierte Erkenntnis vom 8. November 1988, Zl. 88/11/0235) nicht für gegeben erachtet, weil die "erwerbsverminderten" Eltern des Beschwerdeführers im Falle seiner Abwesenheit zur Leistung einer Truppenübung nicht in ihrer Gesundheit oder einem sonstigen lebenswichtigen Interesse im Sinne dieser Rechtsprechung gefährdet seien und "eine solche Bedrohung der Aktenlage nicht zu entnehmen" sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob bzw. inwieweit der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren überhaupt ein solches Interesse geltend gemacht hat, stellt doch das Beschwerdevorbringen, die Eltern des Beschwerdeführers, deren Betreuung er anläßlich der Hofübergabe übernommen habe, befänden sich in einem äußerst schlechten gesundheitlichen Zustand, sodaß sie "gehoben und getragen werden müssen" und eine "ständige Betreuung erforderlich ist", und die Gattin des Beschwerdeführers könne "die dafür erforderlichen physischen Kräfte nicht aufbringen", jedenfalls - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend bemerkt hat - eine gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung dar, auf die daher nicht eingegangen werden kann.

Das sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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