VwGH 91/10/0068

VwGH91/10/006818.1.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des C in Innsbruck, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 16. Jänner 1991, Zl. 18.327/12-IA8/90, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei:

Stadtgemeinde Innsbruck-Stadtwerke, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Innsbruck), zu Recht erkannt:

Normen

ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §19 Abs2 litb;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §19 Abs2 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schriftsatz vom 12. Juni 1989 beantragte die "Stadtgemeinde Innsbruck, Unternehmen Stadtwerke-Wasserwerk" die Erteilung einer unbefristeten Rodungsbewilligung für Teilflächen aus einer Reihe näher bezeichneter Grundparzellen der KG Arzl im Ausmaß von ca. 6.056 m2. Als Rodungszweck wurde das Freimachen bzw. Freihalten der bestehenden Trasse der Gravitationsleitung vom "Alten Klammstollen" zum "Hochbehälter Hungerburg" vom Gehölz für Betriebs- und Instandhaltungszwecke, insbesondere zur Ermöglichung der Ablagerung von Baustoffen und Werkzeugen sowie zum Betreten und zum Zu- und Abfahren angegeben. Die zum größten Teil aus Eternit-Druckrohren DN 150 hergestellte Leitung werde aus betrieblichen Gründen (undichte Muffen, Muffen- und Rohrbrüche) abschnittsweise durch eine Sphärogußleitung DN 200 erneuert. Die neue Leitung liege höhen- und lagemäßig in der Trasse der alten Eternitleitung. Die Gesamtauswechslung dieser Leitung sei für die kommenden fünf Jahre vorgesehen. Für diese Arbeiten und auch für zukünftige Betriebs- und Instandhaltungszwecke müsse ein Streifen von mindestens zwei Metern rechts und links der Rohrachse entlang der Trasse als notwendiger Arbeitsraum (Lagerung von Material, Gehölz und Aushub) freigehalten werden. Eine Aufforstung nach Abschluß der Leitungsverlegung solle weder durch die Stadtwerke Innsbruck-Wasserwerk noch durch die Grundeigentümer erfolgen, da die Trasse im Sinne des Wasserrechtsbescheides vom 8. Oktober 1953 für den Zutritt durch die Stadtwerke ständig frei sein müsse, damit diese der ihnen durch den Wasserrechtsbescheid auferlegten Verpflichtung, die Anlage in ordentlichem und hygienisch einwandfreiem Zustand zu erhalten, auch tatsächlich nachkommen könnten.

Der Magistrat der Stadt Innsbruck beraumte für

6. September 1989 über diesen Rodungsantrag eine mündliche Verhandlung an. Der Beschwerdeführer als einer der betroffenen Grundeigentümer erhob vor der Verhandlung Einwendungen. Zum einen machte er geltend, die Stadtwerke Innsbruck seien nicht berechtigt, eine Rodungsbewilligung zu beantragen, zum anderen bestritt er das öffentliche Interesse an der Erteilung der beantragten Rodungsbewilligung. Gerade im Trassenbereich bestehe ein öffentliches Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald, weil die Schutzfunktion des Waldes gegen Lawinenschäden eine Hauptfunktion des Waldes sei.

Bei der am 6. September 1989 durchgeführten mündlichen Verhandlung erklärte der forsttechnische Amtssachverständige, gegen die Erteilung einer dauernden Rodungsbewilligung auf einer Trassenbreite von 4 m für die beantragte Leitungsstrecke bestünden keine forstlichen Bedenken, weil es sich um eine Wasserversorgungsanlage, welche für die Versorgung großer Teile des Stadtgebietes erforderlich sei, handle. Außerdem bestehe bei einer Breite von 4 m die Sicherheit, daß durch den rechts und links bestehenden Bestand durch Entwicklung der Äste in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder eine vollkommene Überschirmung des Waldbodens eintrete. Durch die beabsichtigte Rodung eines 4 m breiten Streifens trete keinerlei Schwächung der Schutzfunktion des Waldes oder eine erhöhte Lawinengefahr ein. Außerdem befinde sich die Rodefläche im untersten Teil des Lawinenauslaufgebietes im Schutzwaldbereich und habe auf die Möglichkeit eines Lawinenabbruches keinerlei Einfluß. Es werde aber empfohlen, hiezu eine Stellungnahme des Amtes für Wildbach- und Lawinenverbauung einzuholen.

Die Forstbehörde kam dieser Anregung nach. In seiner gutächtlichen Äußerung vom 14. September 1989 kam der forsttechnische Dienst für Wildbach- und Lawinenverbauung - Gebietsleitung mittleres Inntal - zu dem Ergebnis, daß durch die beantragte Rodung keine Erhöhung der Lawinengefahr erkennbar sei. Der Beschwerdeführer erklärte, diesem Gutachten mit einem Gegengutachten entgegenzutreten, machte diese Ankündigung aber im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens nicht wahr.

Mit Schreiben vom 3. Mai 1990 verständigte die mitbeteiligte Partei den Stadtmagistrat Innsbruck, daß seitens des Landeshauptmannes von Tirol als Wasserrechtsbehörde die Meinung vertreten werde, der Austausch der Leitungsrohre bedürfe einer wasserrechtlichen Bewilligung; die Stadtwerke hätten daher einen entsprechenden Antrag beim Amt der Tiroler Landesregierung eingebracht.

Der Stadtmagistrat Innsbruck legte auf Grund dieser Mitteilung den Rodungsakt im Hinblick auf die Bestimmung des § 170 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 vor. Der Landeshauptmann delegierte nach § 170 Abs. 6 des Forstgesetzes 1975 den Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck zur Durchführung des Rodungsverfahrens und zur Erlassung des Rodungsbescheides.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 21. September 1990 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Rodungsbewilligung erteilt.

Die dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. Jänner 1991 abgewiesen. In der Begründung heißt es unter anderem, die belangte Behörde halte es durchaus für möglich, daß für die Verlegung von Leitungen in bestimmten Fällen - nämlich dann, wenn das spätere Aufkommen eines forstlichen Bewuchses in keiner Weise beeinträchtigt sei - lediglich eine befristete Rodungsbewilligung erteilt werde. Im gegenständlichen Fall sei jedoch beabsichtigt, die Trasse in ihrer Breite von 4 m ständig von forstlichem Bewuchs frei zu halten. Es sei daher der Ansicht der Behörde erster Instanz zu folgen, daß im vorliegenden Fall eine dauernde Rodungsbewilligung zu erteilen sei. Das öffentliche Interesse am Rodungsvorhaben ergebe sich daraus, daß die Trink- und Nutzwasserversorgung von mehr als 1000 Einwohnern sichergestellt werden solle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift vorgelegt und beantragt, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, zur Einbringung eines Antrages auf Rodungsbewilligung im Sinne des § 19 Abs. 2 lit. b des Forstgesetzes 1975 sei die Stadtgemeinde Innsbruck zuständig gewesen. Der von den Stadtwerken eingebrachte Antrag wäre daher zurückzuweisen gewesen. Wenn sich die belangte Behörde in ihrer Entscheidung auf die Betriebssatzung der Stadtwerke berufe, wäre es ihre Aufgabe gewesen, diese auch dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen. Diese Betriebssatzung sei nicht allgemein bekannt und auch nicht allgemein kundgemacht; wäre die Betriebssatzung vorgelegt worden, dann hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, sich mit der Gesetzmäßigkeit dieser Betriebssatzung auseinanderzusetzen.

Nach § 19 Abs. 2 lit. b des Forstgesetzes 1975 sind zur Einbringung eines Antrages auf Rodungsbewilligung die zur Wahrnehmung der öffentlichen Interessen im Sinne des § 17 Abs. 2 Zuständigen berechtigt. Nach dieser Bestimmung sind unter anderem auch Gemeinden, die eine der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser dienende Wasserversorgungsanlage betreiben, zur Stellung eines Rodungsantrages berechtigt, wenn für die Wahrnehmung der in der Wasserversorgung gelegenen öffentlichen Interessen eine Rodung erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1992, Zl. 91/10/0224).

Für die Stadtwerke Innsbruck hat der Gemeinderat der Stadt Innsbruck gemäß § 39 Abs. 2 des Innsbrucker Stadtrechtes, LGBl. Nr. 53/1975, eine Betriebssatzung erlassen (Gemeinderatsbeschluß vom 14. April 1974 in der Fassung des Beschlusses vom 19. Dezember 1978). Sie wurde gemäß § 40 des Innsbrucker Stadtrechtes kundgemacht. Nach § 5 dieser Betriebssatzung sind zur Verwaltung der Stadtwerke der Gemeinderat, die Verwaltungsausschüsse und der Bürgermeister, zur Geschäftsführung der Generaldirektor berufen. In den §§ 6 bis 8 der Satzung sind die dem Gemeinderat, den Verwaltungsausschüssen und dem Bürgermeister vorbehaltenen Angelegenheiten aufgezählt. Die Einbringung eines Rodungsantrages fällt nicht darunter. § 12 der Betriebssatzung regelt die Vertretung der Stadtwerke nach außen. Danach hat unbeschadet der Vertretungsbefugnis des Bürgermeisters im Sinne des § 42 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975 bzw. der Bestimmungen des § 8 Abs. 1 der Satzung der Generaldirektor Handlungsvollmacht. Er kann anderen bei den Stadtwerken beschäftigten Bediensteten die Zeichnungsberechtigung unter seiner Verantwortung übertragen. Da die Einbringung eines Rodungsantrages weder dem Gemeinderat noch den Verwaltungsausschüssen oder dem Bürgermeister vorbehalten ist, fällt sie in den Aufgabenbereich des Generaldirektors, der diese Befugnis an Bedienstete delegieren kann. Der von der "Stadtgemeinde Innsbruck, Unternehmen Stadtwerke-Wasserwerk" eingebrachte Rodungsantrag war daher zulässig.

Da die Betriebssatzung öffentlich kundgemacht wurde, war die belangte Behörde nicht verpflichtet, diese dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen und ihm Gelegenheit zu geben, hiezu Stellung zu nehmen; vielmehr war es Sache des Beschwerdeführers, sich selbst Kenntnis vom Inhalt dieser Satzung zu verschaffen.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, es sei nicht zu bestreiten, daß die Verlegung einer Trinkwasserleitung im öffentlichen Interesse gelegen sei. Die Forstbehörden hätten aber nicht begründet, daß deshalb eine dauernde Rodung erforderlich sei. Tatsache sei, daß eine Gravitationsleitung bereits seit 1953 bestehe, daß für deren Verlegung und Erhaltung eine Rodungsbewilligung nie ausgesprochen worden und auch nicht notwendig gewesen sei. Für die neue Leitung würden Leitungsrohre verwendet, die dem derzeitigen Stand der Technik entsprechen und eine wesentlich längere Lebensdauer als die in der Nachkriegszeit verwendeten Eternitrohre aufwiesen. Solche Leitungen bedürften nicht einer ständigen Betreuung, weil sie dann oberirdisch verlegt werden müßten. Die Leitung verlaufe auch nicht auf weit und breit weglosem Gelände, sodaß immer wieder der Zutritt zur Leitungstrasse möglich sei. Der Beschwerdeführer wehre sich vor allem auch deswegen gegen die endgültige und dauernde Entziehung seines Waldbodens für Zwecke der Waldkultur, weil mit dieser Trasse eine weitere Möglichkeit "für das Bergradeln (neu deutsch auch Mountain-Biking)" geschaffen würde. Eine solche ständig freigehaltene Leitungstrasse verleite geradezu dazu, von den Wegen abzuzweigen und in den Wald zu fahren, wodurch der Wald gefährdet würde.

Nach § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Nach § 17 Abs. 2 leg. cit. kann unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Nach § 17 Abs. 3 des Forstgesetzes 1975 sind öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere begründet in der Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen.

§ 17 des Forstgesetzes 1975 verpflichtet die Forstbehörde zu einer Interessenabwägung. Eine solche Interessenabwägung setzt voraus, daß festgestellt wird, ob und in welchem Ausmaß ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche besteht und welches Ausmaß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung aufweist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1992, Zl. 91/10/0156). An entsprechenden Feststellungen und einer darauf aufbauenden Interessenabwägung fehlt es im Beschwerdefall. Der Beschwerdeführer wendet zu Recht ein, daß die von der belangten Behörde für die Erteilung der Rodungsbewilligung gegebene Begründung unzutreffend ist. Der Umstand, daß (von der mitbeteiligten Partei) beabsichtigt ist, die Trasse in einer Breite von 4 m ständig von forstlichem Bewuchs freizuhalten, stellt kein öffentliches Interesse an einer dauernden Rodung dar. Ein solches könnte nur dann vorliegen, wenn für diese Absicht entsprechend triftige Gründe bestünden. Der Beschwerdeführer hat im Zuge des Verwaltungsverfahrens die Notwendigkeit einer dauernden Freihaltung der Trasse bestritten und hiefür Gründe angegeben. Die belangte Behörde hat es unterlassen, sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen, wozu es auch der Einholung entsprechender Sachverständigenäußerungen bedurft hätte. Aber auch zur Frage des Ausmaßes der öffentlichen Interessen an der Walderhaltung fehlen ausreichende Feststellungen.

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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