VwGH 91/09/0002

VwGH91/09/000221.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 23. Oktober 1990, GZ. 70/5-DOK/90, betreffend Disziplinarverfahren (Schuldspruch ohne Strafe), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §115;
BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §126;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs2;
BDG 1979 §45 Abs1;
BDG 1979 §91;
LDG 1984 §30 Abs1;
LDG 1984 §30 Abs2;
BDG 1979 §115;
BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §126;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs1;
BDG 1979 §44 Abs2;
BDG 1979 §45 Abs1;
BDG 1979 §91;
LDG 1984 §30 Abs1;
LDG 1984 §30 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Oberrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist die Bundespolizeidirektion A, wo er als Leiter des Strafamtes der Abteilung III tätig ist.

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte der Polizeidirektor mit Dienstanweisung vom 26. August 1988, Nr. 51/88, bei allen Verwaltungsdienststellen der Bundespolizeidirektion A mit Wirksamkeit vom 1. September 1988 die gleitende Dienstzeit iSd § 48 Abs. 3 BDG 1979 definitiv eingeführt. Gleichzeitig damit war ein Gleitzeitkontrollbuch beim Torposten aufgelegt und jeder Bedienstete, der die Gleitzeit in Anspruch nahm, verpflichtet worden, Name, Amtstitel und Dienststelle sowie den Zeitpunkt des Eintreffens in der Dienststelle und die Uhrzeit des Verlassens der Dienststelle einzutragen.

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hatte den Beschwerdeführer, nachdem die Staatsanwaltschaft A der Dienstbehörde mit Schreiben vom 20. April 1990 mitgeteilt hatte, daß sie die Anzeige gegen den Beschwerdeführer und VB I/d E (aus rechtlichen und beweismäßigen Überlegungen) gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt habe, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis vom 27. Juni 1990 schuldig erkannt, er hätte am 5., 15. und 19. Dezember 1989 sowie am 12. Jänner 1990 seine Schriftführerin VB I/d E beauftragt, die Eintragungen, die beim Verlassen der Dienststelle von jedem Bediensteten bei Inanspruchnahme der Gleitzeit in das beim Torposten aufliegende Gleitzeitkontrollbuch persönlich vorzunehmen seien, an seiner Stelle durchzuführen. Der Beschwerdeführer hätte dadurch, daß er es an den genannten Tagen entgegen der Dienstanweisung vom 26. August 1988, Nr. 51/88, unterlassen hätte, die Eintragungen in das Gleitzeitkontrollbuch persönlich vorzunehmen gegen die Verpflichtung des § 44 Abs. 1 BDG 1979, die Weisungen von Vorgesetzten zu befolgen, durch die Aufträge an seine Schriftführerin E gegen die dem Vorgesetzten seinen Mitarbeitern gegenüber gemäß § 45 Abs. 1 BDG 1979 obliegende Aufsichts- und Anleitungspflicht sowie durch die bezeichneten Handlungen insgesamt gegen die dem Beamten gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 obliegende Verpflichtung zur treuen und gewissenhaften Beachtung der Rechtsordnung, als deren Bestandteil die zitierte Dienstanweisung zu zählen sei, verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen iSd § 91 BDG 1979 begangen. Von der Verhängung einer Strafe war im Grunde des § 115 BDG 1979 abgesehen worden. Unter einem war der Beschwerdeführer gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 von dem Vorwurf freigesprochen worden, durch früheres als im Gleitzeitkontrollbuch angegebenes Verlassen der Dienststelle gegen die dem Beamten gemäß § 48 Abs. 1 BDG 1979 obliegende Verpflichtung, die im Dienstplan vorgeschriebenen Dienststunden einzuhalten, verstoßen zu haben.

Die Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt als Disziplinarbehörde zweiter Rechtsstufe gab mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 23. Oktober 1990 der Berufung des Beschwerdeführers, in der er die Annahme einer Dienstpflichtverletzung deshalb als rechtswidrig bezeichnete, weil aus der zitierten Dienstanweisung eine höchstpersönliche Verpflichtung zur Eintragung nicht abzuleiten und solcherart eine Vertretung nicht auszuschließen sei, keine Folge. Zur Begründung führte die Rechtsmittelbehörde nach Darstellung des Sachverhaltes und Verwaltungsgeschehens aus, hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers, wonach die Bediensteten durch die zitierte Dienstanweisung lediglich zur Eintragung des Namens sowie anderer Daten, nicht aber der Unterschrift verpflichtet worden seien, im Gleitzeitkontrollbuch hingegen eine Rubrik für die Unterschrift vorgesehen sei, sei darauf hinzuweisen, daß die geforderte Unterschriftsleistung schon begrifflich nicht den "Daten" iSd Dienstanweisung zugerechnet werden könne, sondern daß es sich hierbei um die Beurkundung der "Daten" handeln müsse. Eine solche Beurkundung scheine sich aber aus der in der bezogenen Dienstanweisung enthaltenen Wendung "hat der Bedienstete folgende Daten einzutragen" zu ergeben, zumal sie zweifelsfrei erkennen lasse, daß eine persönliche Eintragung ("der Bedienstete") gefordert werde. Eine solche könne aber nur dann vorliegen, wenn der eigenhändige Namenszug des Bediensteten seine Anwesenheit zum Zeitpunkt der Vornahme der Eintragungen ausweise. Ein weiterer Hinweis auf das Erfordernis der höchstpersönlichen Eintragung ergebe sich aus der anläßlich der Einführung der Gleitzeit erlassenen Dienstanweisung Nr. 27/87 die mit der Dienstanweisung Nr. 51/88 ausdrücklich als weiterhin in Geltung bleibend erklärt worden und in der angeordnet worden sei, daß die Eintragungen durch die die Gleitzeit in Anspruch nehmenden Bediensteten in der Dienstzeiterfassungskarte handschriftlich zu erfolgen hätten. Betrachte man die in den beiden zitierten Dienstanweisungen enthaltenen Anordnungen, einerseits "der Bedienstete hat ..."

und anderseits "handschriftlich", so sei schon hieraus abzuleiten, daß damit sowohl die Inanspruchnahme einer Vertretung bei der Eintragung der Daten ausgeschlossen werden sollte, als auch eine Beurkundung der Daten zwecks Kontrolle der Anwesenheit des Eintragenden für notwendig gehalten worden sei. Den diesbezüglichen Ausführungen der Disziplinarbehörde erster Rechtsstufe, daß eine spezielle Anordnung der Unterschriftsleistung nicht zwingend gefordert werden müßte, weil jede andere Interpretation das Kontrollsystem ad absurdum führen würde, sei somit vollinhaltlich beizutreten. Wie die Disziplinarbehörde erster Instanz hier zutreffend ausgeführt habe, sei der Zweck des mit der Dienstanweisung eingeführten Kontrollmechanismus unmißverständlich, nämlich die Einhaltung der Dienstzeit durch die fortlaufende Abfolge persönlich vorgenommener Eintragungen kontrollierbar zu machen. Es sei dem Beschwerdeführer zwar zuzugestehen, daß eine konkretere Fassung der in der Dienstanweisung Nr. 51/88 getroffenen Anordnungen unter Umständen zweckmäßig gewesen wäre. Der Umstand, daß einzelne Erfordernisse, die sich aus den Denkgesetzen ergäben, nicht ausdrücklich angeführt worden seien, erscheine aber nicht geeignet, den Beschwerdeführer, der infolge seiner Intelligenz, seiner Ausbildung und seiner dienstlichen Stellung gewiß in der Lage sein mußte, den Zweck der Anordnung zu erkennen, zu exkulpieren. Infolge der klaren Erkennbarkeit des mit der Dienstanweisung angestrebten Zieles könne ihm auch ein Handeln in gutem Glauben, wie es der Beschwerdeführer formuliere, nicht zugebilligt werden. Was die rechtliche Würdigung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes anlange, so liege durch das angeführte Verhalten des Beschwerdeführers zweifelsfrei ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 vor, zumal gegen eine ihm obliegende generelle Weisung verstoßen worden sei. Was den Vorwurf nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 anlange, so fordere diese Bestimmung vom Beamten unter anderem, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu besorgen. Daß die Einhaltung der Dienstzeit zu den dienstlichen Obliegenheiten gehöre, brauche nicht näher ausgeführt werden. Jeder Verstoß gegen Weisungen, die zur Regelung der Dienstzeit erlassen worden seien, stelle aber einen Verstoß gegen die Rechtsordnung dar. Im Verhalten des Beschwerdeführers sei daher zu Recht auch eine Verletzung dieser Bestimmung angenommen worden. Auch ein Verstoß gegen § 45 Abs. 1 BDG 1979 liege vor, zumal der Beschwerdeführer seiner hierin geforderten Anleitungspflicht gegenüber seiner Schriftführerin nicht nachgekommen sei, indem er sie beauftragt habe, weisungswidrige Eintragungen vorzunehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde legte die Akten des Disziplinarverfahrens vor; von der ihr eingeräumten Möglichkeit, zur Beschwerde eine Gegenschrift zu erstatten, machte sie keinen Gebrauch.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, nicht einer Dienstpflichtverletzung für schuldig erkannt zu werden. Er trägt hiezu im Einklang mit seinem Vorbringen im Administrativverfahren vor, im Beschwerdefall fehle es deshalb an einem weisungswidrigen Verhalten, weil der Dienstanweisung Nr. 51/88 keine Anordnung über eine eigenhändige Eintragung in das Gleitzeitkontrollbuch oder gar eine Unterschriftsleistung durch den Bediensteten zu entnehmen sei. Da eine Weisung zur persönlichen Eintragung und Unterschriftsleistung, wie sie die belangte Behörde annehme, nicht bestehe, gehe auch der Tatvorwurf gegen den Beschwerdeführer, seine Schriftführerin beauftragt zu haben, "die Eintragungen, die ... persönlich vorzunehmen sind, an seiner Stelle durchzuführen" ins Leere und sei daher ein dahingehender Schuldspruch unzulässig. Darüber hinaus könnte selbst im Falle, daß eine Weisung mit dem von der belangten Behörde angenommenen Inhalt bestanden hätte, in der Beauftragung seiner Schriftführerin durch den Beschwerdeführer kein Verstoß gegen § 45 Abs. 1 BDG 1979 liegen, weil das Verhalten des Beschwerdeführers nicht tatbestandsmäßig iSd darnach obliegenden "Aufsichts- und Anleitungspflicht" sei, weil derartige Eintragungen nicht zu den "dienstlichen Aufgaben" der Schriftführerin gehörten. Selbst bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der belangten Behörde, daß die von ihr angenommene dienstliche Anweisung zur eigenhändigen Eintragung und Unterschriftsleistung im Gleitzeitkontrollbuch bestanden hätte, läge in dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhalten kein Verstoß gegen § 43 Abs. 1 BDG 1979. Nach dieser Gesetzesbestimmung sei der Beamte zur "Beachtung der geltenden Rechtsordnung" verpflichtet. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde sei damit keineswegs die Pflicht zur Einhaltung von Weisungen statuiert, was sich allein schon aus dem Umstand ersehen lasse, daß andernfalls die dahingehende Anordnung des § 44 Abs. 1 BDG 1979 überflüssig wäre.

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen.

Gemäß dem zur Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides erhobenen § 44 Abs. 1 BDG 1979 hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

Diese Bestimmung regelt in spezieller Weise das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen.

Die bei den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegende und vom Polizeidirektor der Bundespolizeidirektion A am 26. August 1988 unterfertigte Dienstanweisung Nr. 51/88, deren Nichtbeachtung dem Beschwerdeführer zur Last gelegt wird, lautet:

"Auf dem Boden des Erlasses des BMfI v. 18.8.1988, Zl. 13 101/57-II/2/88 wird die gleitende Dienstzeit bei allen Verwaltungsdienststellen der Bundespolizeidirektion A mit Wirksamkeit vom 1.9.1988 definitiv eingeführt. Gleichzeitig damit wird ein Gleitzeitkontrollbuch, das jeden Bediensteten der ho. Behörde, der die Gleitzeit in Anspruch nimmt, zur Eintragung der unten angeführten Daten verpflichtet, ab 1.9.1988 beim Torposten in einem gesonderten Behältnis aufgelegt. In dieses Gleitzeitkontrollbuch, das das mit ho. Dienstanweisung Nr. 31 v. 25.5.88 eingeführten System des Gleitzeiterfassungsberichtes ersetzt, hat der Bedienstete folgende Daten einzutragen:

Amtstitel

Name

Dienststelle

Zeitpunkt des Eintreffens in der Dienststelle bzw. die Uhrzeit des Verlassens der Dienststelle, wobei angebrochene Viertelstunden nicht zählen. Wer beispielsweise beabsichtigt, von der Gleitzeit bereits ab 07.00 Uhr Gebrauch zu machen, muß so rechtzeitig in der Dienststelle eintreffen, daß die Eintragung in das Gleitzeitkontrollbuch zwischen 06.45 Uhr und 07.00 Uhr erfolgen kann. Die Eintragung darf nicht mit Bleistift erfolgen.

Die mit ho. Dienstanweisung Nr. 26/87 verfügten Regelungen und Kontrollmechanismen bleiben mit Ausnahme ihrer damaligen zeitlichen Bedingtheit weiterhin in Geltung, während die ho. Dienstanweisung Nr. 31 v. 25.5.88 mit Wirksamkeit vom 1.9.1988 aufgehoben wird.

Abschließend wird eindringlich darauf hingewiesen, daß ein Mißbrauch des Gleitzeitkontrollbuches weitreichende dienstrechtliche Folgen nach sich zieht."

Im Zusammenhang mit dem zur Erfassung der Gleitzeit aufgelegten Kontrollbuch, welches nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens die Rubrik "Unterschrift" trägt, bringt die Dienstanweisung dem Adressaten das von ihm erwartete Verhalten unmißverständlich klar zum Ausdruck und stellt ihm ein Tätigwerden durch eine abhängige Schreibkraft der Verwendungsgruppe I/d nicht frei.

Sind dienstliche Weisungen erkennbar erteilt, so sind sie grundsätzlich bindend und können nicht aus eigener Beurteilung als ungerechtfertigt oder unzumutbar zurückgewiesen werden. Ungehorsam drückt sich normalerweise in der gezielten Ablehnung oder in der nachlässigen Außerachtlassung einer Anordnung auf Grund bedingten Vorsatzes oder Fahrlässigkeit aus. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen persönlichen oder sachlichen Gründen die Befolgung der Weisung unterlassen wird, ob aus Bequemlichkeit, Gleichgültigkeit, Vergeßlichkeit, sachlicher Kritik an der Zweckmäßigkeit, Rechthaberei, wegen Unzumutbarkeit o.ä.

Der belangten Behörde ist daher keine Rechtswidrigkeit anzulasten, wenn sie in der Unterlassung, die Eintragungen im Gleitzeitkontrollbuch persönlich vorzunehmen, eine schuldhafte Verletzung der vom Dienstvorgesetzten erlassenen verbindlichen Pflichtenregelung als gegeben annahm (Schuldspruch 1.).

Gegen den weiteren Ausspruch (Schuldspruch 2.), der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten auch die Dienstpflicht des § 45 Abs. 1 BDG 1979 verletzt, wonach der Vorgesetzte darauf zu achten hat, daß seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen, hegt der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls keine rechtlichen Bedenken.

Vorgesetzte haben wegen ihrer Vorbildfunktion besonderen Einsatz und Qualität der Dienstleistung zu erbringen. Das bezieht sich zunächst auf die eigene Arbeitsanforderung. Aus der Vorgesetztenstellung folgen besondere Aufgaben wie Dienstaufsicht (Kontroll- und Weisungsbefugnis) und Fürsorge für die Untergebenen. Vorgesetzte haben eine entsprechend hohe Verantwortung für ihre Sachentscheidungen wie auch für ihre persönliche Verhaltensweise. Im Verhältnis zu den Mitarbeitern und Untergebenen kann sich pflichtwidriges Verhalten von Vorgesetzten achtungs- und vertrauensmindernd auswirken. Denn Vorgesetzte haben neben der Aufsichts- und Weisungsfunktion auch eine Vorbildfunktion.

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens sagte der Beschwerdeführer anläßlich seiner Vernehmung vor der Dienstbehörde am 8. März 1990 folgendes zur Niederschrift aus:

"Wenn mir die Angaben von VB I/d E vom 15.2.1990 vorgehalten werden, wobei die Genannte angab, am 19.12., 15.12.1989 und am 12.1.1990 N in dessem Auftrag ausgetragen zu haben, wobei er ihr auftrug mit seiner Paraffe zu unterschreiben, so gebe ich dazu an, daß ich mich heute nicht mehr erinnern kann, ob der seinerzeitige Ablauf so wie geschilderte war, jedoch stelle ich dieses auch heute nicht in Abrede, da ich darin nichts Normwidriges erkennen kann, zumal die Gleitzeit ordnungsgemäß in Anspruch genommen und entsprechend rechnerisch vermerkt wurde. Ob ich einen Auftrag dahingehend erteilte mit meiner Paraffe zu unterschreiben, bezweifle ich in höchsten Maße, sondern der Auftrag konnte sich nur dahingehend beziehen, eine Eintragung durchzuführen. Dies ergibt sich auch aus den unterschiedlichen Arten der Eintragung, z.B. am 5.12.1989 (Unterschrift: i.A. E) und die Eintragung am 15.12., 19.12.1989 und dgl. Vorweg sei gesagt, daß keinesfalls und das kann hier mit absoluter Sicherheit festgestellt werden, zu Unrecht die Gleitzeit in Anspruch genommen bzw. durch die Inanspruchnahme der Gleitzeit ein zeitlicher Vorteil erzielt wurde. Die Vorgangsweise bezüglich der Eintragung wurde in völliger Überzeugung der Korrektheit durchgeführt und es bestand keine Ursache diese Vorgangsweise in irgendwelcher Weise in Zweifel zu ziehen."

Nun liegt es auf der Hand, daß die Unabhängigkeit des Vorgesetzten zur Dienstaufsicht gefährdet und möglicherweise beeinträchtigt sein kann, wenn er seine persönliche Unbefangenheit und sachliche Distanz zu seinen Untergebenen durch pflichtwidriges Verhalten verliert oder wenn er sie zu persönlichen, im Dienst nicht gerechtfertigten Arbeitsleistungen heranzieht. Der Feststellung, der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten die Dienstpflicht des § 45 Abs. 1 BDG 1979 verletzt, haftet keine Rechtswidrigkeit an. Gegen § 45 Abs. 1 BDG 1979 verstößt ein Vorgesetzter auch dann, wenn er - wie hier - dem ihm unterstellten Beamten einen Auftrag gibt, dessen Ausführung durch diesen Beamten einen Verstoß gegen die gesetzmäßige Erfüllung von dessen dienstlichen Aufgaben darstellt.

Dem Beschwerdeführer ist einzuräumen, daß damit hinsichtlich beider Schuldsprüche ein selbständiger, gesondert vorwerfbarer Pflichtenverstoß nach der nur subsidiär anzuwendenden "Wohlverhaltensklausel" des § 43 Abs. 1 BDG 1979 ausscheidet (vgl. im Zusammenhang Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, S 194 f und Schwabl-Chilf2, Disziplinarrecht der Bundesbeamten, Landeslehrer und Soldaten, Anm. 4 zu § 43). Hier liegt in Wahrheit jeweils nur eine Pflichtverletzung vor, weil die eine verletzte Pflichtennorm im Verhältnis zur anderen verletzten Pflichtennorm nur enger begrenzt, d.h. spezieller gefaßt ist. Damit gilt der Satz, daß das speziellere Gesetz das allgemeine verdrängt (lex specialis derogat legi generali); im Ergebnis hat der Beschwerdeführer jeweils nur die spezielleren Pflichtennormen der §§ 44 Abs. 1 und 45 Abs. 1 BDG 1979 verletzt.

Gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 hat das Disziplinarerkenntnis auf Schuldspruch oder auf Freispruch zu lauten und im Falle eines Schuldspruches, sofern nicht nach § 95 Abs. 3 oder § 115 von einem Strafausspruch abgesehen wird, die Strafe festzusetzen.

Daraus erhellt, daß das EINE Dienstpflichtverletzung betreffende Disziplinarverfahren nur durch eine einheitliche Entscheidung abgeschlossen werden kann. Diese Notwendigkeit ergibt sich daraus, daß das Disziplinarrecht zum Unterschied vom allgemeinen Strafrecht keine einzelnen Straftatbestände mit entsprechenden Strafdrohungen aufstellt, sondern es der Beurteilung der Disziplinarbehörde überläßt, ob in einem bestimmten Verhalten des beschuldigten Beamten eine oder mehrere Dienstpflichtverletzungen zu erblicken sind (VfSlg. 7907; VwSlg. 10135/A). Im Strafrecht ist jede Straftat die Erfüllung eines bestimmten, gesetzlich festgelegten Straftatbestandes. Mehrere Straftaten ein und desselben Täters werden - von Sonderformen wie der der fortgesetzten Handlung abgesehen - nur insoweit zu einer Einheit zusammengefaßt, als sie durch ein und dieselbe Handlung begangen sind.

Im Gegensatz dazu hat das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 dem Beamten in seinem 6. Abschnitt, der die Überschrift "Dienstpflichten des Beamten" trägt, eine Vielzahl verschiedenartiger Pflichten auferlegt, vor allem die, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 43 Abs. 1 BDG 1979). Als einzige Strafnorm für eine disziplinarrechtliche Bestrafung ist aber nur die allgemeine Vorschrift des § 91 BDG 1979 vorhanden, wonach der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, nach dem

9. Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen ist.

Eine teilweise Verurteilung bei teilweisem Freispruch läßt das Gesetz in Ansehung eines als Einheit anzusehenden Verhaltens nicht zu. Deshalb ist es rechtens ausgeschlossen, daß etwa hinsichtlich einer Dienstpflichtverletzung ein Schuld- und ein Freispruch wegen teilweise erfolgter unrichtiger rechtlicher Qualifikation erfolgen könnte. Ein Freispruch kann nur mit Rücksicht auf die im Verhandlungsbeschluß abgegrenzte Tat, nicht aber mit Rücksicht auf ihre RECHTLICHE BEURTEILUNG gefällt werden. Der Freispruch von einer BLOSZEN QUALIFIKATION innerhalb derselben Dienstpflichtverletzung ist - ebenso wie im allgemeinen Strafrecht (vgl. SSt 6/30, 10/79, 32/20, 35/55; EvBl. 1972/277 u.a.m.) - rechtens unzulässig.

Die durch die belangte Behörde zu Unrecht erfolgte Bestätigung der Zitierung des § 43 Abs. 1 BDG 1979 im Spruch des erstinstanzlichen Erkenntnisses erfordert keine Aufhebung der beiden Schuldsprüche durch den Verwaltungsgerichtshof und Abänderung derselben durch die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren, weil die Idealkonkurrenz für den Bereich der Dienstpflichtverletzung deshalb rechtlich bedeutungslos ist; denn dem Beamten kann bei einem Handlungsablauf immer nur eine Dienstpflichtverletzung zur Last gelegt werden. Da gemäß § 115 BDG 1979 von einem Strafausspruch abgesehen wurde, kommt der Feststellung einer eigenen Pflichtwidrigkeit nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 für die Straffrage ebensowenig rechtliche Revelanz zu, wie für die Frage der disziplinären Erheblichkeit.

Da die dem Beschwerdeführer im Verhandlungsbeschluß nach § 124 Abs. 2 BDG 1979 zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung über die im Disziplinarerkenntnis umschriebene Tat hinausgeht, vermag der Verwaltungsgerichtshof in Ansehung des Grundsatzes "a maiore ad minus" darin keine Rechtswidrigkeit zu erblicken.

Da die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aus den oben dargelegten Gründen nicht erkannt werden konnte, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.

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