VwGH 91/05/0193

VwGH91/05/019317.3.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. August 1991, Zl. R/1-V-9010/1, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in K, 2. Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1976 §93 Z2 litb;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs1;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z2;
BauO NÖ 1976 §93 Z2 litb;
BauRallg;
ROG NÖ 1976 §19 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Antrag vom 29. April 1987 wurde dem Erstmitbeteiligten mit Bescheid des Bürgermeisters der ebenfalls mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 13. Juli 1989 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Tennissportanlage mit vier Tennisplätzen, einem Clubhaus, einem Kinderspielplatz und 13 PKW-Abstellplätzen auf dem Grundstück Nr. 195/5 EZ 405, KG W, erteilt. Die Einwendungen des Beschwerdeführers, dessen Grundstück unmittelbar an das Grundstück Nr. 195/5 anschließt, wurden als unbegründet abgewiesen.

Die dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde nach geringfügiger Abänderung des Spruches mit Bescheid vom 20. Dezember 1989 ab. Aufgrund der dagegen eingebrachten Vorstellung des Beschwerdeführers behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. Juni 1990 den Bescheid des Gemeinderates und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat. Begründet wurde die Aufhebung damit, daß die Einwendung des Beschwerdeführers betreffend Belästigungen durch Staub und Lärm nicht gesetzeskonform erledigt worden sei. Als Rechtsgrundlage sei § 62 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung heranzuziehen, der dem Nachbarn einen Immissionsschutz gewährleistet. Zur Prüfung dieses Einwandes hätte die Gemeindebehörde das Gutachten eines umweltschutztechnischen Sachverständigen und sodann des Gemeindearztes einzuholen gehabt. In diesen Gutachten wäre zu klären gewesen, ob eine unzumutbare, das örtliche Maß übersteigende Belästigung oder gar eine Gesundheitsgefährdung durch das gegenständliche Vorhaben sicher ausgeschlossen scheine und das Vorhaben aufgrund der schlüssigen Gutachten der Sachverständigen gegebenenfalls unter Vorschreibung von zusätzlichen Auflagen bewilligt werden könne oder die baubehördliche Bewilligung zu versagen sei, wobei bereits an der Grundstücksgrenze des Beschwerdeführers keine das örtlich zumutbare Maß übersteigende Belästigung eintreten dürfe.

Im fortgesetzten Verfahren hat der Gemeinderat das Ermittlungsverfahren durch Einholung eines umweltschutztechnischen Gutachtens eines Amtssachverständigen des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. September 1990 und ärztlicher Gutachten vom 25. September 1990 sowie vom 12. November 1990 ergänzt. Der Beschwerdeführer hat ein Gutachten des Ing. F.S. vom 9. Oktober 1990, betreffend allfällige Beeinträchtigungen an den gärtnerischen Kulturen des Beschwerdeführers durch die Tennisanlage, der mitbeteiligte Bauwerber ein lärmtechnisches Gutachten des Mag. W.H. vom 19. September 1990 vorgelegt. Dem Beschwerdeführer wurden die Amtsgutachten sowie das vom Bauwerber vorgelegte Gutachten mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht.

Der Beschwerdeführer hat die Richtigkeit dieser Gutachten sowie weiterer vom Gemeinderat aus dem gewerbebehördlichen Verfahren herangezogener und dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachter Gutachten bestritten.

Mit Bescheid vom 13. März 1991 hat der Gemeinderat über die Berufung neuerlich entschieden und den erstinstanzlichen Bescheid insofern abgeändert, als drei zusätzliche Auflagen, nämlich die Errichtung eines 2 m hohen Schallhindernisses in Form einer 3 cm dicken Verplankung über die gesamte Länge der Grundgrenze zum Beschwerdeführer, eine Betriebsbeschränkung auf die Zeit von 7 bis 20 Uhr sowie das Schließen der Fenster an der Ostseite des Clubhauses nach 20 Uhr, vorgeschrieben wurden. Überdies wurde der erstinstanzliche Bescheid bezüglich der Zitierung gesetzlicher Bestimmungen abgeändert, im übrigen wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, durch Aufstellen der Lärmschutzwand werde die mögliche Emission des Tennisplatzes bei voll ausgelastetem Tennisbetrieb an der Grundstücksgrenze unter den Betriebsgeräuschpegel gesenkt und die Möglichkeit einer Lärmbelästigung ausgeschlossen.

Der dagegen eingebrachten Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. August 1991 keine Folge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie der mitbeteiligte Bauwerber, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, die eingereichten Pläne enthielten keine Kotierung des Längs- und Quergefälles. Schon aus dem Flächenwidmungsplan gehe hervor, daß Niveauunterschiede bis zu 2 m im beanstandeten Bereich gegeben seien, im Bereich der Grundgrenze zum Beschwerdeführer seien die Anschüttungen 61 cm bis 1,20 m hoch, überdies sei eine konsenslose Stützmauer in diesem Bereich errichtet worden. Es fehle eine amtsgutachtliche Stellungnahme über die Verträglichkeit von massiven Geländeveränderungen mit den Bestimmungen des Landschaftsschutzes. Die Meßergebnisse der eingeholten Gutachten seien unbrauchbar und unvollständig.

Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.

§ 118 Abs. 9 BO bestimmt, daß subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet werden, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über

  1. 1. den Brandschutz;
  2. 2. den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;

    3. die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;

    4. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.

    Gemäß § 62 Abs. 2 BO sind für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlösch- und Feuermeldeanlagen zu beziehen.

    Der Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde vom 8. Juni 1990 blieb unangefochten, sodaß die die Aufhebung tragenden Gründe für die Gemeindebehörde, die Aufsichtsbehörde selbst und auch für den Verwaltungsgerichtshof bindend sind.

    Zur Frage, ob durch das Vorhaben des Mitbeteiligten Belästigungen des Beschwerdeführers im Sinne des § 62 Abs. 2 BO zu erwarten sind, die das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, wurden auf Gemeindeebene Gutachten eingeholt. Sowohl aus dem umweltschutztechnischen Gutachten vom 14. September 1990 als auch aus jenem vom 5. November 1990 in dem gewerblichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahren geht hervor, daß bei der Annahme, daß alle vier Tennisplätze mit je vier Spielern bespielt werden, unter Berücksichtigung des Spielens von Kindern auf dem Kinderspielplatz und bei der maximal zu erwartenden Frequenz von 32 Fahrten pro Stunde auf dem PKW-Abstellplatz der errechnete Immissionspegel beim Wohnhaus des Beschwerdeführers deutlich unter dem gemessenen energieäquivalenten Dauerschallpegel liegt. Der errechnete Immissionswert an der Grundstücksgrenze liegt über dem betriebseigenen Pegel und deutlich über dem energieäquivalenten Dauerschallpegel, womit es bei einem voll ausgelasteten Tennisbetrieb zu Emissionen durch den Tennisbetrieb kommen kann. Durch Aufstellung einer vom Lärmschutzsachverständigen vorgeschlagenen Lärmschutzwand werde die mögliche Emission des Tennisplatzes bei voll ausgelastetem Tennisbetrieb an der Grundstücksgrenze unter den Betriebsgeräuschpegel gesenkt und die an der Grundstücksgrenze sonst nicht völlig auszuschließende Möglichkeit einer Lärmbelästigung ausgeschlossen. Außerdem könne durch die Sichtunterbrechung eine mögliche subjektive Überbewertung der tatsächlichen Lärmimmissionen ausgeschaltet werden.

    Auch aus dem medizinischen Gutachten geht hervor, daß unter der Annahme, daß auf allen vier Tennisplätzen ein Doppel mit durchschnittlich guten Tennisspielern gespielt wird, ein äquivalenter Schallpegel von 38 bis 41 dB errechnet wurde und selbst bei Zuschlag eines Impulsgehaltes von 3 dB auf den Emissionswert keine objektivierbaren Störungen auftreten könnten. Vegetative Störungen seien mehr von der Einstellung aus dem subjektiven Empfinden des Gestörten als von der objektiv physikalisch zu messenden Intensität der tatsächlichen Emissionen abhängig. Um aber auch solchen Empfindungen Rechnung zu tragen und das sich daraus ergebende Unbehagen zu limitieren, solle der Betrieb der Anlage nur in der Zeit von 7 bis 20 Uhr stattfinden, die Fenster an der Ostseite des Clubhauses nach 20 Uhr geschlossen bleiben und eine 2 m hohe und 3 cm dicke fugendichte Holzverplankung entlang der gesamten östlichen Grundgrenze errichtet werden. Dies sei auch als Schutzbarriere gegenüber den Schallimmissionen der spielenden Kinder auf dem Kinderspielplatz und der an- und abfahrenden Kraftfahrzeuge auf dem Parkplatz zu sehen. Diese Maßnahmen seien als zusätzlicher Schutz für die besondere Situation des Anrainers und seine Kulturen zu sehen. Daraus könne nicht abgeleitet werden, daß diese Auflagen dem Gutachten betreffend die grundsätzliche medizinische Unbedenklichkeit einer solchen Sportanlage widersprechen.

    Die lärmtechnischen Sachverständigen und der medizinische Sachverständige haben schlüssig dargetan, daß der auf dem Areal des Mitbeteiligten entstehende Betriebs- und Verkehrslärm bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen zu keiner merkbaren Erhöhung der derzeitigen Umgebungslärmsituation führt, sodaß keine unzumutbare Lärmbeeinträchtigung des Nachbarn zu erwarten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken, daß im Beschwerdefall dem gemäß § 62 Abs. 2 BO dem Nachbarn gewährleisteten Immissionsschutz durch die vorgeschriebenen Auflagen entsprochen worden ist, zumal der beschwerdeführende Nachbar diesen Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist.

    Ein bestimmter, aus der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Widmungs- und Nutzungsart abzuleitender Immissionsschutz des Nachbarn war nicht zu berücksichtigen, weil für die zu bebauende Liegenschaft im Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Stadtgemeinde die Widmungs- und Nutzungsart "Grünland-Sport" festgesetzt ist (§ 19 des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes), und mit der Grünlandfestsetzung kein Immissionsschutz für die Nachbarn verbunden ist.

    Wenn nun in der Beschwerde vorgebracht wird, durch die von den Amtsgutachtern ohne weitere Auflage vorgeschlagene Errichtung einer Schallschutzwand, würden die gemessenen Werte noch erheblich übertroffen, so ist dazu festzustellen, daß sich im gesamten Akt keine Hinweise dafür finden, daß der Bauwerber beabsichtigt, die Schallschutzwand etwa als Schlagwand benützen zu lassen.

    Zum Beschwerdevorbringen betreffend Geländeveränderungen und die konsenslose Errichtung einer Stützmauer ist zu bemerken, daß sowohl die Veränderung des Niveaus gemäß § 93 Z. 2 lit. b BO als auch die Errichtung einer Stützmauer bewilligungspflichtige Vorhaben darstellen, die jeweils einen auf behördliche Genehmigung abzielenden Antrag des Bauwerbers voraussetzen. Zutreffend hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß in den einen Bescheidteil bildenden Plänen keine Höhenkoten eingezeichnet sind. Weder dem Bauansuchen noch den einen Bescheidbestandteil bildenden Planunterlagen kann aber entnommen werden, daß die Erteilung einer Bewilligung für eine bewilligungspflichtige Niveauveränderung bzw. die Errichtung einer Stützmauer beantragt würde. Folgerichtig wurden derartige Bewilligungen auch nicht erteilt. Mangels Bewilligung von Niveauveränderungen und einer Stützmauer kann aber der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in keinem Recht verletzt sein. Sollten tatsächlich bewilligungspflichtige Bauvorhaben ohne die erforderliche Bewilligung durchgeführt worden sein, so wird der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde die erforderlichen Veranlassungen zu treffen haben.

    Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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