VwGH 91/05/0064

VwGH91/05/006417.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pichler, über die Beschwerde der Marktgemeinde Mauerbach gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 24. Jänner 1991, Zl. R/1-V-90217, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: N-Genossenschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §100 Abs4;
BauO NÖ 1976 §98 Abs2;
BauRallg;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §100 Abs4;
BauO NÖ 1976 §98 Abs2;
BauRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 18. Juni 1990 wurde das Ansuchen der Mitbeteiligten um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage auf den Parzellen Nr. nn/1 bis 9, EZ. nn des Grundbuches über die Kat. Gem. Mauerbach, gemäß § 98 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 "infolge Widerspruches mit dem geltenden örtlichen Raumordnungsprogramm und Bebauungsplan" abgewiesen.

Die Baubehörde erster Instanz ging entsprechend der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß durch die geplante Bebauung die im örtlichen Raumordnungsprogramm und Bebauungsplan festgelegte Wohndichte von 40 Einwohnern/ha überschritten würde.

Der dagegen erhobenen Berufung der Mitbeteiligten wurde mit dem auf dem Sitzungsbeschluß vom 28. September 1990 beruhenden Bescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 30. Oktober 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben, wobei sich die Berufungsbehörde in der Begründung ihres Bescheides auf den Hinweis beschränkte, sich der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides vollinhaltlich anzuschließen.

Mit Bescheid der NÖ. Landesregierung vom 24. Jänner 1991 wurde der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung der Mitbeteiligten gemäß § 61 Abs. 4 der NÖ. Gemeindeordnung 1973 stattgegeben, der Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde verwiesen.

Nach einer Wiedergabe des Wortlautes der §§ 98 Abs. 2 und 100 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 vertrat die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, daß die Regelung des § 100 Abs. 2 leg. cit. im Verhältnis zu jener des § 98 Abs. 2 leg. cit. "die speziellere Bestimmung" sei. Zur Beantwortung der Frage, ob eine Baubewilligung zu versagen sei oder nicht, sei im gegebenen Zusammenhang ausschließlich § 100 Abs. 2 leg. cit. auszulegen. Die Norm des § 98 Abs. 2 leg. cit. enthalte dagegen nur die Verfahrensvorschrift, wann ein Ansuchen ohne mündliche Verhandlung abzuweisen sei. Zufolge § 100 Abs. 2 leg. cit. sei eine Bewilligung nur dann zu versagen, wenn das Vorhaben einer Bestimmung des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976 über die Zulässigkeit von Bauführungen auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten oder Vorbehaltsflächen oder Bausperren widerspreche. Der Begriff der "Wohndichte" bestehe unabhängig von den Widmungs- oder Nutzungsarten. Die Wohndichte sei wohl gemäß § 1 Abs. 2 Z. 6 und § 14 Abs. 2 Z. 4 des NÖ. Raumordnungsgesetzes 1976 eine Planungsrichtlinie, unmittelbare Wirkungen auf einen Bauwerber entfalte sie aber nicht, da sie sich nur an den Verordnungsgeber (bei der Festlegung von Wohnbauland) wende. Dies bedeute, daß eine im örtlichen Raumordnungsprogramm festgelegte Wohndichte nicht als Versagungsgrund für eine Baubewilligung herangezogen werden könne.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 98 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 ist ein Antrag ohne Bauverhandlung abzuweisen, wenn er dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht.

Zufolge § 100 Abs. 2 leg. cit. ist die Bewilligung zu versagen, wenn durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen dieses Gesetzes, der NÖ. Aufzugsordnung, LGBl. 8220, der NÖ. Mineralölordnung, LGBl. 8270, einer auf Grund dieser Gesetze erlassenen Verordnung oder des NÖ. Raumordnungsgesetzes, LGBl. 8000, über die Zulässigkeit von Bauführungen auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten sowie über Vorbehaltsflächen und Bausperren verletzt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof kann sich der Auffassung der belangten Behörde nicht anschließen, daß im gegebenen Zusammenhang ausschließlich die Regelung des § 100 Abs. 2 leg. cit. für die Beantwortung der Frage maßgebend ist, "ob eine Bewilligung zu versagen ist oder nicht".

Zunächst darf nicht übersehen werden, daß das Bauansuchen der Mitbeteiligten durch die Berufungsbehörde infolge Bestätigung des erstinstanzlichen Spruches "gemäß § 98 Abs. 2 NÖ. Bauordnung infolge Widerspruches mit dem geltenden örtlichen Raumordnungsprogramm und Bebauungsplan" abgewiesen worden ist, weshalb die belangte Behörde im Rahmen des Verfahrens über die Vorstellung der Mitbeteiligten zu prüfen hatte, ob durch diese Berufungsentscheidung Rechte der Mitbeteiligten verletzt worden sind, also deren Bauansuchen zu Recht unter Berufung auf § 98 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung 1976 ohne Durchführung einer Bauverhandlung abgewiesen worden ist. Da im Falle der Verwirklichung des Bauvorhabens der Mitbeteiligten die im maßgebenden Flächenwidmungsplan der beschwerdeführenden Marktgemeinde vorgesehene Wohndichte von 40 Einwohnern/ha - unbestritten - überschritten wäre, also ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan vorliegt, waren die Baubehörden zufolge § 98 Abs. 2 leg. cit. zur Abweisung des Bauansuchens berechtigt, ohne eine Bauverhandlung durchführen zu müssen. Im übrigen kann sich der Gerichtshof der vorstehend wiedergegebenen Auffassung der belangten Behörde nicht anschließen, daß § 98 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung "nur die Verfahrensvorschrift" enthalte, "wann ein Ansuchen ohne mündliche Verhandlung abzuweisen sei", weil sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung zweifelsfrei ergibt, daß die Baubehörde ein Bauansuchen ABZUWEISEN hat, also vor allem nicht zum Gegenstand einer Bauverhandlung machen darf, wenn es dem Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan widerspricht, woraus folgt, daß im Falle einer mit Recht auf diese Bestimmung gestützten Abweisung eines Bauansuchens einem neuerlichen gleichartigen Begehren res judicata entgegenstünde.

Der Gerichtshof kann der belangten Behörde ferner auch darin nicht folgen, daß die Wohndichte - nur - eine Planungsrichtlinie sei, aber keine unmittelbaren Wirkungen auf einen Bauwerber entfalte, weshalb eine im örtlichen Raumordnungsprogramm festgelegte Wohndichte nicht als Versagungsgrund für eine Baubewilligung herangezogen werden könne, weil im Flächenwidmungsplan die in einem bestimmten Baulandbereich höchstzulässige Wohndichte vorgesehen ist (und nicht bloß empfohlen wird) und im § 98 Abs. 2 der NÖ. Bauordnung angeordnet ist, daß ein Bauansuchen abzuweisen ist, wenn es "dem Flächenwidmungsplan ..... widerspricht". Daß ein im Widerspruch zu den Vorschriften über die Wohndichte stehendes Bauansuchen nicht abgewiesen werden darf, kann dieser Bestimmung nicht entnommen werden.

Die belangte Behörde hätte daher der Vorstellung der Mitbeteiligten mit der in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides nicht Folge geben und den Berufungsbescheid der beschwerdeführenden Gemeinde aufheben dürfen, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben war.

Von der Abhaltung der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin war abzuweisen, weil in dem in der erwähnten Verordnung vorgesehenen Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

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