Normen
GewO 1973 §198 Abs2;
GewO 1973 §368 Z11;
VStG §19 Abs1;
VStG §19;
GewO 1973 §198 Abs2;
GewO 1973 §368 Z11;
VStG §19 Abs1;
VStG §19;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung vom 28. September 1989 erkannte die Bezirkshauptmannschaft die Beschwerdeführerin schuldig, als gewerberechtliche Geschäftsführerin einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. in der Nacht zum 1. September 1989 mehreren Gästen ein weiteres Verweilen in der Zeit von 1.00 Uhr bis 1.45 Uhr in den Betriebsräumen eines näher bezeichneten Cafehauses gestattet zu haben, obwohl für diese Betriebsart des Gastgewerbes die Sperrstunde mit 1.00 Uhr festgesetzt sei. Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 368 Z. 11 in Verbindung mit § 198 Abs. 2 GewO 1973 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 lit. b Sperrzeitenverordnung, LGBl. Nr. 23/1975, begangen, weshalb gemäß § 38 Einleitungssatz GewO 1973 über sie eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzarreststrafe 2 Tage) verhängt wurde.
In dem gegen diese Strafverfügung erhobenen "Einspruch" bekämpfte die Beschwerdeführerin ausdrücklich nur die Höhe der über sie verhängten Strafe. Dennoch leitete die Bezirkshauptmannschaft das ordentliche Ermittlungsverfahren ein und erließ das Straferkenntnis vom 31. Jänner 1990, in dem sie die Beschwerdeführerin neuerlich der bereits in der Strafverfügung bezeichneten Verwaltungsübertretung schuldig erkannte und über sie unter Bezugnahme auf dieselben Rechtsgrundlagen die gleiche Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängte.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie abermals lediglich die Strafhöhe bekämpfte.
Mit dem Bescheid vom 11. Februar 1991 gab der Landeshauptmann von Tirol "als Strafbehörde zweiter Instanz gemäß § 51 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz" gemäß § 24 VStG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG der Berufung keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, von der Beschwerdeführerin werde vorgebracht, ihre Familie beziehe ihren Lebensunterhalt ausschließlich aus der S-GmbH, welche keinen Gewinn bringe. Dagegen bestünden zahlreiche Verpflichtungen. Dies hätte von der Behörde erhoben werden können. Andererseits könne die in München lebende Tochter der Beschwerdeführerin doch noch mit S 10.000,-- unterstützt werden. Darüberhinaus bestünden keine Sorgepflichten. Hinsichtlich der Strafzumessungsgründe des § 19 Abs. 1 VStG verwies der Landeshauptmann auf die diesbezüglichen Ausführungen im erstbehördlichen Straferkenntnis, wonach die Sperrstundenvorschriften wettbewerbsrechtliche Bestimmungen darstellten, die vor allem auch dem Schutz der Nachbarn vor Belästigungen dienten, weshalb der Unrechtsgehalt der Übertretung als erheblich zu bezeichnen sei. Auch hinsichtlich des als grobe Fahrlässigkeit festgestellten Verschuldensgrades müsse der Erstbehörde beigepflichtet werden, da die Beschwerdeführerin als die für die Einhaltung der Sperrstunde verantwortliche Person angesichts des von ihr selbst angegebenen Umstandes, daß ihr Gatte die Sperrstunde nicht immer einhalte, die Verpflichtung gehabt hätte, die Einhaltung der Sperrstunde zu kontrollieren. Der Einwand, sie führe noch ein Lokal, könne sie von dieser Verpflichtung nicht entheben und stelle auch keinen mildernden Umstand dar. Auch handle es sich im gegenständlichen Fall nicht um eine geringfügige Überschreitung der Sperrstunde etwa nur um ein paar Minuten, sondern um eine Dreiviertelstunde, was sich bei der Strafbemessung gleichfalls als erschwerend auswirke. Die von der Erstbehörde im bekämpften Straferkenntnis vertretene Ansicht, die mehrfach erfolgten Anzeigen wegen Überschreitung der Sperrstunde seien als erschwerender Umstand zu werten, könne von der Berufungsbehörde nicht geteilt werden. Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung sei lediglich eine rechtskräftige Bestrafung vorgelegen. Lediglich dieser Umstand könne als erschwerend angesehen werden, zumal die Bestrafung noch nicht getilgt sei. Demgegenüber könne als mildernder Umstand die späte Einsicht der Unrechtmäßigkeit des damaligen Verhaltens sowie die oben dargestellten Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin gewertet werden. In Abwägung der mildernden gegen die erschwerenden Umstände sowie in Anbetracht des nicht unerheblichen Unrechtsgehaltes der Tat erachte es die Berufungsbehörde für nicht vertretbar, die angesichts der für die gegenständliche Übertretung vorgesehenen Höchststrafe von S 15.000,-- ohnedies im untersten Bereich angesiedelte Strafe herabzusetzen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem ihr gesetzlich "gewährleisteten" Recht auf fehlerfreie Handhabung des bei der Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, die verhängte Strafe sei im Hinblick auf den gesetzlichen Strafrahmen zu hoch. Die belangte Behörde habe das ihr kraft § 19 VStG zustehende Ermessen bei der Festsetzung der Strafe rechtswidrig ausgeübt. Wiewohl sie die von der Erstbehörde vertretene Ansicht, die mehrfach erfolgten Anzeigen wegen Überschreitung der Sperrstunde seien nicht als erschwerender Umstand zu werten, da zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung lediglich eine rechtskräftige Bestrafung vorgelegen sei, nicht geteilt habe, habe sie die verhängte Strafe nicht herabgesetzt. Richtigerweise sei als mildernder Umstand gewertet worden, daß die Beschwerdeführerin die Unrechtmäßigkeit ihres Verhaltens eingesehen habe.
Offensichtlich seien von der belangten Behörde auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse, wie in der Berufung der Beschwerdeführerin geschildert, übernommen worden. Dazu komme, daß nach Ansicht der Beschwerdeführerin ihr Verhalten nicht als grob fahrlässig, sondern höchstens als leicht fahrlässig beurteilt werden könne. Sie selbst sei nicht täglich im Betrieb des Kaffees "X" tätig, sondern führe den weiteren Betrieb der S-GmbH, nämlich das Restaurant "S". Die Leitung des Kaffees "X" obliege ihrem Gatten A. Es könne der Beschwerdeführerin nicht zugemutet werden, täglich die Sperrstunde um 01.00 Uhr persönlich zu kontrollieren, sondern es müsse die entsprechende Weisung an ihren Gatten genügen. Auch sei der Unrechtsgehalt der Sperrstundenüberschreitung nicht in dieser Weise als gravierend zu betrachten, wie er von der belangten Behörde ins Kalkül gezogen worden sei. Strafgegenständlich sei nicht, daß nach 01.00 Uhr Gäste noch bewirtet worden seien, sondern lediglich, daß ihnen noch ein weiteres Verweilen in den Betriebsräumen gestattet worden sei. Wiewohl dies gegen die Sperrzeitverordnung verstoße, stelle es nach Ansicht der Beschwerdeführerin kein gravierendes Unrecht dar, wenn Gästen über die Sperrstunde hinaus noch Gelegenheit gegeben werde, ihr Getränk fertig zu konsumieren.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag zwar der Ansicht der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe das der Beschwerdeführerin zur Last liegende Verhalten zu Unrecht als grob fahrlässig bewertet, im Hinblick auf die unbestritten gebliebene Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe selbst angegeben, ihr Gatte halte die Sperrstunde nicht immer ein, nicht beizupflichten. Aus diesem Sachverhaltselement erhellt, daß der Beschwerdeführerin bewußt war, daß es immer wieder zu Verwaltungsübertretungen der in Rede stehenden Art komme und sie dies bewußt in Kauf nahm.
Die bloße - offensichtlich wirkungslos gebliebene - Weisung an ihren Gatten, die Sperrstunde einzuhalten, vermag daran nichts zu ändern.
Auch der Umstand, daß die belangte Behörde den von der Erstbehörde herangezogenen Erschwerungsgrund der mehrfachen Anzeige wegen Sperrstundenüberschreitungen auf jenen einer einzigen einschlägigen Vorstrafe einschränkte, bedeutet nicht zwangsläufig, daß die belangte Behörde die von der Erstbehörde verhängte Strafe hätte herabsetzen müssen. Vielmehr oblag es der belangten Behörde, die von ihr festgestellten Strafzumessungsgründe selbständig und ohne Bindung an die erstbehördliche Beurteilung frei zu werten.
Die Beschwerde erweist sich jedoch aus folgenden Erwägungen als begründet:
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens ist eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Demgemäß obliegt es der Behörde, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 25. März 1980, Slg. N.F. Nr. 10077/A).
Die belangte Behörde beurteilte im vorliegenden Fall den Unrechtsgehalt der in Rede stehenden Übertretung deshalb als erheblich, weil die Sperrstundenvorschriften wettbewerbsrechtliche Bestimmungen darstellten, die vor allem auch dem Schutz der Nachbarn vor Belästigungen dienten. Diese Begründung geht am normativen Gehalt des § 19 Abs. 1 VStG vorbei. Entscheidend für die Beurteilung des Unrechtsgehaltes der Tat im Sinne dieser Gesetzesstelle ist (neben den "sonstigen nachteiligen Folgen") nicht die (abstrakte) Wertigkeit des durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgutes (diese findet ihren Ausdruck bereits in der Höhe des gesetzlichen Strafrahmens), sondern das Ausmaß, in dem dieses Rechtsgut durch die in Rede stehende Tat konkret beeinträchtigt wurde. Die in § 19 Abs. 1 VStG geforderte Beurteilung erfordert daher entsprechende konkrete Sachverhaltsfeststellungen.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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