VwGH 91/03/0062

VwGH91/03/006215.1.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Baumgartner und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des F in M, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 8. Februar 1991, Zl. 9/01-33.414/5-1991, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §52;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs6;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
AVG §52;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs6;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. Februar 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 17. September 1988 um 23,15 Uhr auf der Katschbergstraße B 99 auf Höhe Straßen-km 73,5, Gemeinde St. Michael, einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch eine Übertretung nach § 5 Abs. 1 (§ 99 Abs. 1 lit. a) StVO begangen. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. a StVO wurde über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen) verhängt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer bestreite die Übertretung im wesentlichen mit dem Hinweis, daß sich der festgestellte Blutalkoholwert von 1,4 %o nicht auf den Unfallszeitpunkt beziehe und die Erstbehörde den Nachtrunk nicht berücksichtige. Abgesehen davon habe er das letzte der beiden Seidel Bier, die er vor dem Verkehrsunfall (nach der Aktenlage stieß ein entgegenkommender Pkw während eines Überholmanövers frontal gegen den seine Fahrbahnhälfte einhaltenden Pkw des Beschwerdeführers) getrunken habe, zügig geleert und sodann sogleich die Fahrt begonnen. Bei dem Unfall sei außer ihm keine andere Person verletzt worden. Mangels Zustimmung zur Blutabnahme sei eine Verwertung des Ergebnisses wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 6 StVO rechtswidrig. Für die belangte Behörde stehe fest, daß der Beschwerdeführer vor Fahrtantritt Alkohol konsumiert und auch nach dem Unfall Alkohol zu sich genommen und die am 18. September 1989 um ca. 0,30 Uhr abgenommene Blutprobe einen Wert von 1,4 %o ergeben habe. Daraus ergebe sich, daß die Behörde erster Instanz zu Unrecht von einem Blutalkoholgehalt von 1,4 %o, bezogen auf den Unfallszeitpunkt

(17. September 1989, 23,15 Uhr), ausgegangen sei. Insoweit träfen die Berufungsausführungen zu. Allerdings komme dem erstmals in der Berufung behaupteten Sturztrunk unmittelbar vor Fahrtantritt keine besondere Glaubwürdigkeit zu. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe keine Zustimmung zur Blutabnahme erteilt, weshalb deren Ergebnis nicht verwertet werden könne, sei durch das Ermittlungsverfahren widerlegt. Nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten und des behandelnden Arztes im Krankenhaus habe der Beschwerdeführer seine Zustimmung zur Blutabnahme erklärt. Die Landessanitätsdirektion sei um Stellungnahme ersucht worden,

1) von welchem Blutalkoholgehalt beim Beschwerdeführer zum Unfallszeitpunkt 23,15 Uhr unter Bedacht darauf auszugehen sei, daß die am 18. September 1989 um 0,30 Uhr abgegebene Blutprobe einen Blutalkoholgehalt von 1,4 g/l ergeben habe und der Beschwerdeführer nach dem Unfall in der Zeit zwischen 23,45 Uhr des 17. September und 0,05 Uhr des 18. September 1989 ein Seidel Bier und einen Tee mit einem doppelten Schnaps getrunken habe, und 2) ob unter der Voraussetzung, daß es unmittelbar vor Fahrtantritt zu einem Sturztrunk gekommen sei, zum Tatzeitpunkt der Blutalkoholgehalt jedenfalls 0,8 g/l betragen habe oder ob bei einem darunterliegenden Wert jedenfalls davon auszugehen sei, daß der Beschwerdeführer sich zum Unfallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO befunden habe. Dazu habe die Amtssachverständige im Gutachten vom 7. August 1990 ausgeführt:

"ad 1): Berechnet man nach der Formel nach Widmark unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Körpergewichtes von 70 kg eine Alkoholkonzentration im Blut, die sich bei Konsumation von 1 doppeltem Schnaps und einem Seidel Bier ergibt, so errechnet sich ein Alkoholgehalt von 0,53 %o. Da die Resorption zur Zeit der Blutabnahme gerade vollendet ist und noch kein Abbau stattgefunden hat, muß im günstigsten Fall von dieser bestimmten Menge von 1,4 g/l ein Promillegehalt von 0,53, welcher sich durch die Konsumation von einem Seidel und einem doppelten Schnaps im Tee ergeben, abgezogen werden. Dies würde zum Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 0,87 %o ergeben. Zu diesem müßte man jedoch noch einen Blutalkoholgehalt hinzurechnen, welcher sich durch die Aufnahme von 2 Seidel Bier und einer Abbauphase von 1 1/2 Stunden ergibt, das heißt bei Annahme einer maximalen stündlichen Eliminationsrate von 0,2 ein Gehalt von 0,1 %o und bei einer minimalen stündlichen Eliminationsrate von 0,1, 0,25 %o; dies ergäbe zum Unfallszeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 0,97 %o bzw. 1,12 %o.

ad 2): Wenn bei der Berechnung nun der behauptete Sturztrunk von einem Seidel miteinbezogen wird, so ist davon auszugehen, daß sich zum errechneten Blutalkoholgehalt von 0,87 %o nur jene Menge EINES Seidels Bier hinzuzurechnen hätte. So würde sich ergeben, daß bei einer Annahme einer maximalen stündlichen Eliminationsrate von 0,2 ein vollständiger Abbau erfolgt wäre und bei einer Annahme einer minimalen stündlichen Elimination von 0,1 lediglich 0,06 %o hinzuzurechnen wären, das einen Blutalkoholgehalt von 0,93 ergebe. Bei Einbeziehung eines Sturztrunkes muß aus ärztlicher Sicht noch ein Phänomen, das sogenannte Anflutungsphänomen erwähnt werden. Es ist dies eine Reaktion des Gehirns auf plötzlich "anflutenden Alkohol", der zwar im Venenblut noch nicht nachweisbar ist, jedoch bereits über die arterielle Versorgung des Gehirns in relativ hoher Konzentration anfällt. Das Gehirn vermag nun auf solche höhere Alkoholkonzentrationen nicht so schnell zu reagieren, was schwerere Ausfälle der Hirnleistungen in dieser Phase der Resorption zur Folge hat, als sie dann während der Ausscheidungsphase des Alkohols haben. Dies bedeutet, daß sehr wohl zum Unfallszeitpunkt ein durch Alkohol beeinträchtigter Zustand des Berufungswerbers vorgelegen haben muß."

Hinsichtlich des Nachtrunks sei ohnedies von den Angaben des Beschwerdeführers ausgegangen werden, weshalb es keiner weiteren Beweisaufnahme bedürfe. Da der Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 26. November 1990 dem eindeutigen und klaren Gutachten vom 7. August 1990 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei, seien die Ausführungen nicht geeignet, das Gutachten zu widerlegen. Die belangte Behörde habe keine Veranlassung, die Gutachterin mit den vom Beschwerdeführer angestellten Berechnungen neuerlich zu befassen. Sie vermöge auch nicht zu finden, daß es sich bei den Ausführungen zum Sturztrunk um einen Diktatfehler handle, weil sich die Ausführungen zu Punkt 2 logisch aus den Ausführungen zu Punkt 1 ergeben. Schließlich beginne laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der alkoholbeeinträchtigte Zustand nicht erst bei einem Blutalkoholgehalt von 0,8 %o. Aus dem Gutachten ergebe sich, daß gerade in der Anflutungsphase eines Sturztrunkes es zu schweren Ausfällen der Hirnleistung komme, sodaß selbst unter der Annahme, der Blutalkoholwert habe zum Unfallszeitpunkt 0,8 %o noch nicht erreicht, was sich allerdings aus dem Gutachten nicht ableiten lasse, eine Fahruntüchtigkeit des Beschwerdeführers vorgelegen wäre. Abgesehen davon ergebe sich auf Grund der vorgenommenen Berechnung selbst dann, wenn der Beschwerdeführer mit der Behauptung eines Diktatfehlers Recht hätte, daß der maßgebende Wert von 0,8 %o jedenfalls noch erreicht worden wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, es könne das aus dem abgenommenen Blut ermittelte Ergebnis nicht verwertet werden, weil er zur Blutabnahme aufgefordert worden sei, obwohl eine Voraussetzung des § 5 Abs. 6 StVO, daß nämlich eine andere Person (als er) beim Verkehrsunfall erheblich verletzt worden sei, gefehlt habe, also für ihn keine Verpflichtung zur Blutabnahme bestanden habe, übersieht er, daß er der Blutabnahme ausdrücklich zugestimmt hat, also kein dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 27. November 1979, Slg. Nr. 9975/A, vergleichbarer Fall vorliegt. Das abgenommene Blut unterlag daher keinem Beweisverwertungsverbot.

Die belangte Behörde hat die Feststellung, der Beschwerdeführer habe sich zum Unfallszeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten (fahruntüchtigen) Zustand befunden, auf das ärztliche Sachverständigengutachten vom 7. August 1990 gestützt. Die Amtssachverständige hat ihren Berechnungen zwar einen Nachtrunk von einem Seidel Bier und einem doppelten Schnaps zugrunde gelegt, wobei sie diesen Nachtrunk mit einem Blutalkoholwert von 0,53 %o berechnete und diesen Wert von dem aus dem abgenommenen Blut ermittelten Wert von 1,4 %o in Abzug brachte, was einen Blutalkoholgehalt von 0,87 %o zur Unfallszeit ergeben würde. Dem ist der Beschwerdeführer schon in der Stellungnahme vom 26. November 1990 insbesondere mit dem Hinweis entgegengetreten, daß dem Wert von 0,53 %o nicht gefolgt werden könne, zumal nach der einschlägigen Literatur (vgl. z.B. "Dittrich-Veit, Straßenverkehrsordnung, RZ 182 zu § 5"; S. 104) ein Seidel Bier eine Blutalkoholkonzentration von 0,3 %o und ein doppelter Schnaps von 0,45 %o hervorrufen, also ein Gesamtwert von 0,75 %o in Abzug hätte gebracht werden müssen, woraus sich ein Blutalkoholgehalt von lediglich 0,65 %o ergebe, also ein Wert von 0,8 %o - auch unter Berücksichtigung eines entsprechenden Abbauwertes auf Grund des vor dem Unfall konsumierten Alkohols - nie erreicht worden sei. Der Meinung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer wäre dem Sachverständigengutachten nicht wirksam entgegengetreten, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen, wozu noch kommt, daß auch die in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes enthaltenen Ausführungen, welchen Blutalkoholwert derartige Getränke in der Regel nach sich ziehen, mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in Einklang zu bringen sind (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1991, Zl. 90/02/0192). Es hätte daher der Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Amtssachverständigen bedurft, zumal das Gutachten auch deshalb als nicht schlüssig bezeichnet werden kann, weil die Sachverständige in keiner nachvollziehbaren Weise dargelegt hat, wie sie im einzelnen bei der Errechnung des Wertes von 0,53 %o vorgegangen ist. Auch ist die Amtssachverständige nach dem Wortlaut des Gutachtens von einem Körpergewicht von 70 kg ausgegangen, während der Beschwerdeführer ein solches von lediglich 58 kg aufweisen soll (vgl. die Beschuldigten-Vernehmung vom 4. Dezember 1989). Des weiteren wären zusätzliche Erhebungen, wie z.B. im Lokal, wo sich der Beschwerdeführer vor und nach dem Unfall aufgehalten hat, zur Frage der Quantität und Qualität des genossenen Schnapses angezeigt gewesen, welche Ermittlungen bisher jedoch unterblieben sind.

Da somit schon allein auf Grund der aufgezeigten Umstände der Sachverhalt in wesentlichen Punkten einer Aufklärung bedarf bzw. Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtwswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Es erübrigte sich daher ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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