VwGH 91/02/0047

VwGH91/02/004725.9.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Mandl, über die Beschwerde der Eva K in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Februar 1991, Zl. MA 70-11/1142/90/Str, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §4;
StVO 1960 §99 Abs2 lita;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44 Abs1;
VwRallg;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
StVO 1960 §4;
StVO 1960 §99 Abs2 lita;
VStG §22 Abs1;
VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VStG §44 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird sowohl in Ansehung der Übertretungen nach § 17 Abs. 1 StVO 1960 als auch in Ansehung der Übertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, im übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Februar 1991 wurde die Beschwerdeführerin jeweils dreier Übertretungen nach § 17 Abs. 1 StVO 1960 (zu 1. a, 2. a und 3. a), § 4 Abs. 1 lit. a leg. cit. (zu 1. b, 2. b und 3. b) und § 4 Abs. 5 leg. cit. (zu 1. c, 2. c und 3. c) schuldig erkannt und hiefür bestraft, weil sie am 14. Oktober 1989 um 1.20 Uhr in Wien 7, Lerchenfelderstraße einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW gelenkt und 1. beim Vorbeifahren an dem vor dem Hause Nr. 74 abgestellten PKW Peugeot 504, 2. in Fortsetzung der Fahrt sodann vor dem Hause Nr. 78 bis 80 beim Vorbeifahren an dem dort abgestellten KKW VW Passat sowie 3. in weiterer Fortsetzung derselben Fahrt sodann an dem vor dem Hause Nr. 88 bis 90 abgestellten PKW Citroen BX jeweils

a) keinen der Verkehrssicherheit entsprechenden Seitenabstand eingehalten habe, wodurch ihr Fahrzeug diese abgestellten Fahrzeuge kontaktiert habe,

b) dadurch jeweils an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden ursächlich beteiligt gewewesen sei und es unterlassen habe, sofort anzuhalten, und

c) es weiters unterlassen habe, von dem jeweiligen Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle zu verständigen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die Beschwerdeführerin macht - wie bereits in ihrer Berufung, ohne daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf eingegangen wäre - in Ansehung aller ihr zur Last gelegten ÜBERTRETUNGEN NACH § 17 ABS. 1 STVO 1960 UND NACH § 4 ABS. 1 LIT. A LEG. CIT. Verjährung gemäß § 31 Abs. 1 VStG geltend, weil diesbezüglich die erste Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG jeweils erst durch das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 26. Juli 1990 und damit außerhalb der sechsmonatigen Frist des § 31 Abs. 2 VStG gesetzt worden sei. In ihrer Gegenschrift tritt die belangte Behörde diesem Einwand zunächst mit dem Hinweis darauf, daß laut Niederschrift vom 24. Jänner 1990 der Beschwerdeführerin unter anderem der Inhalt der Anzeige mit der Maßgabe vorgehalten worden sei, daß sie sich innerhalb einer bestimmten Frist hiezu rechtfertigen möge, und dies nach dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11525/A, eine taugliche Verfolgungshandlung darstelle, wenn in der Anzeige die Tat hinsichtlich aller, der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente eindeutig umschrieben sei, entgegen. Gerade letzteres trifft aber nur hinsichtlich der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 zu. In der Anzeige "wegen § 4/5 StVO" wurde einleitend festgehalten, daß die Beschwerdeführerin zu einer bestimmten Zeit die Lerchenfelderstraße stadtauswärts gefahren und "durch seitliche Kollision" drei näher bezeichnete, an bestimmten Stellen der Lerchenfelderstraße abgestellte Kraftfahrzeuge beschädigt habe, bei der Sachverhaltsdarstellung wurden dann sinngemäß die Angaben des privaten Aufforderers, der hinter dem PKW der Beschwerdeführerin gefahren und nach diesen Angaben bloß Zeuge der letzten der drei gegenständlichen Kollisionen geworden ist, wiedergegeben, wobei auch hiebei in diesem Zusammenhang nur die Rede davon war, daß "die Lenkerin plötzlich den weißen Citroen seitlich streifte und in Wien 7, Lerchenfelderstraße Nr. 106 ihr Fahrzeug abstellte", und abschließend wurde zum Ausdruck gebracht, daß es die Beschwerdeführerin "somit unterlassen" habe, "die nächste Polizeidienststelle unverzüglich von dem VU zu verständigen". Daraus ergibt sich, daß die Anzeige noch keinen Tatvorwurf in der Richtung enthielt, die Beschwerdeführerin habe auch gegen die Vorschriften des § 17 Abs. 1 StVO 1960 und des § 4 Abs. 1 lit. a leg. cit. verstoßen, und daher die Amtshandlung vom 24. Jänner 1990 diese Übertretungen nicht zum Gegenstand hatte. Dementsprechend schienen diese Übertretungen auch nicht im vorangegangenen Ladungsbescheid vom 29. Dezember 1989 auf und hat die Beschwerdeführerin in der Folge in ihrer schriftlichen Äußerung vom 1. Februar 1990 dazu nicht Stellung genommen. Wenn sich die belangte Behörde in der Gegenschrift zusätzlich darauf beruft, daß "innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist" der private Aufforderer "zu den Vorfällen vom 14. Oktober 1989 zeugenschaftlich einvernommen wurde", so ist es zwar an sich richtig, daß auch in einer Zeugeneinvernahme eine taugliche Verfolgungshandlung gelegen sein kann (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1985, Zl. 85/02/0127, und vom 11. Februar 1987, Zl. 86/03/0204). Da es aber bei Angabe des Gegenstandes der Vernehmung in der betreffenden Niederschrift vom 9. März 1990 lediglich heißt "siehe Akteninhalt", sich dieser bis dahin nicht auf diese beiden Übertretungen bezog und sich der Zeugenaussage nicht entnehmen läßt, daß der Zeuge auch dazu befragt worden wäre, war auch daraus nicht der Behördenwille erkennbar, die Beschwerdeführerin auch wegen dieser Übertretungen zur Verantwortung zu ziehen, weshalb sich die Beschwerdeführerin nach Vorhalt dieser Aussage auch nicht veranlaßt gesehen hat, sich in ihrer schriftlichen Äußerung vom 9. Mai 1990 mit weiteren Übertretungen als nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 zu befassen. Es ist daher hinsichtlich dieser Übertretungen Verfolgungsverjährung eingetreten.

Der angefochtene Bescheid war somit in Ansehung dieser Übertretungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, sodaß insoweit eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen entbehrlich war.

2. Was nun die der Beschwerdeführern weiters angelasteten ÜBERTRETUNGEN NACH § 4 ABS. 5 STVO 1960 anlangt, so stellt die Beschwerdeführerin auf Grund des Vorliegens objektiver Umstände nicht in Abrede, zur Tatzeit mit ihrem PKW die drei genannten Kraftfahrzeuge beschädigt zu haben. Aus ihrer Sachverhaltsschilderung in der Beschwerde ergibt sich auch ausdrücklich, daß sie "angehalten und festgestellt" habe, "daß sie drei parkende Autos beschädigt hatte", sodaß eine von ihr (je nachdem, ob es sich nur um einen oder drei Verkehrsunfälle gehandelt hat, einmal oder dreimal) zu erstattende Meldung jedenfalls - ungeachtet dessen, ob die Beschwerdeführerin nicht auch sonst bei gehöriger Aufmerksamkeit davon hätte Kenntnis haben müssen - die Beschädigung aller drei abgestellten Fahrzeuge zu umfassen gehabt hätte. Die belangte Behörde ist auch in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin beim Vorbeifahren durch die Einhaltung eines zu geringen und somit nicht der Verkehrssicherheit entsprechenden seitlichen Abstandes zu den am Fahrbahnrand abgestellten Fahrzeugen diese seitlich beschädigt habe. Diese Fahrzeuge seien im Abstand von vier "Straßennummern" zwischen dem ersten und zweiten Fahrzeug und acht "Straßennummern" zwischen dem zweiten und dritten Fahrzeug abgestellt gewesen, "wodurch sich die Eigenständigkeit der jeweils drei pro Fahrzeug angelasteten Tathandlungen bzw. Unterlassungen ergibt, hätte die Berufungswerberin doch bei Einhaltung einer ihrem Fahrverhalten entsprechenden Geschwindigkeit jeweils nach einem Fahrzeugkontakt anhalten und auch zur Straßenmitte hin auslenken können, wodurch der jeweils nächste Fahrzeugkontakt mitsamt den sich daraus ergebenden Verwaltungsübertretungen unterbleiben hätte können". "Eine fortgesetzte Tathandlung" sei daher nicht anzunehmen gewesen. Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, drei Verkehrsunfälle verursacht und demnach dreimal ihre Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 verletzt zu haben. Sie bringt - im wesentlichen in Übereinstimmung mit ihren Angaben im Verwaltungsstrafverfahren - vor, vor Antritt der Fahrt ein bestimmtes Medikament zu sich genommen zu haben, sich noch an die Fahrt stadtauswärts in der Lerchenfelderstraße zu erinnern und dann eine Erinnerungslücke zu haben. Sie erinnere sich dann wieder "an einen heftigen Stoß und Schepperer", worauf sie - wie bereits gesagt - angehalten und die Beschädigung an drei parkenden Autos festgestellt habe. Sie könne "mit Gewißheit nicht sagen, ob ich eingeschlafen bin oder übermüdet und schlaftrunken die Herrschaft über meinen Wagen verloren habe oder ob allenfalls ein Reifenschaden vorne rechts den Unfall verursacht hat", weil sie "diesbezüglich eine Erinnerungslücke habe und insbesondere durch den Vorgang auch unter Schock stand". In rechtlicher Hinsicht führte sie dazu aus, daß eine "ununterbrochene Bewegung, die bei einem Verkehrsunfall geschieht, bei dem drei Fahrzeuge zu Schaden kommen, ohne daß festgestellt wäre, daß etwa zwischen den Anstößen ich die volle Herrschaft über das Fahrzeug wiedererlangt und einen neuerlichen Unfall eingeleitet hätte, nicht drei, sondern nur eine Meldung auslösen und daher auch nur eine Meldung versäumt worden sein kann". Damit ist die Beschwerdeführerin im Recht.

Die Beschwerdeführerin konnte zwar nicht die Unfallsursache nennen, doch hat auch die belangte Behörde diesbezüglich keine Feststellungen auf Grund eines ausreichenden Ermittlungsverfahrens getroffen. Der Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe beim Vorbeifahren in allen drei Fällen keinen der Verkehrssicherheit entsprechenden Seitenabstand eingehalten, kann zwar nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, weil die (jeweils unbestrittene) Tatsache der Kollision eindeutig darauf schließen läßt (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Jänner 1990, Zl. 89/03/0076, und vom 31. Oktober 1990, Zl. 90/02/0104), woran auch die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Art und Schwere der eingetretenen Schäden nichts zu ändern vermag. Das bedeutet aber noch nicht zwangsläufig, daß mehr als ein (einziger) Verkehrsunfall - worunter ein plötzliches, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängendes Ereignis, welches zumindest einen Sachschaden zur Folge gehabt hat, zu verstehen ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1988, Zl. 88/02/0009, mit weiteren Judikaturhinweisen) - vorgelegen ist. Es kommt bei Beurteilung dieser Rechtsfrage auf die konkreten Umstände an, wobei dann, wenn die Beschwerdeführerin, unabhängig voneinander, zufolge der Einhaltung eines zu geringen Seitenabstandes zu den abgestellten Fahrzeugen diese Beschädigungen herbeigeführt hätte, trotz deren zeitlichen und örtlichen Zusammenhanges im Zuge einer Fahrt, von drei verschiedenen "Ereignissen" und damit auch von drei verschiedenen Verkehrsunfällen gesprochen werden müßte (vgl. auch dazu das zuletzt zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes). Das wäre aber nur dann der Fall, wenn die Beschwerdeführerin zwischen den einzelnen Anstößen an die drei Fahrzeuge in der Lage gewesen wäre, entsprechend zu reagieren und auf diese Weise einem weiteren Anstoß wirksam zu begegnen. Hatte sie hingegen die Herrschaft über ihr Fahrzeug (zumindest nach dem ersten Anstoß), sei es auf Grund persönlicher Beeinträchtigung oder eines technischen Gebrechens, wobei keines von beiden nach der Aktenlage ausgeschlossen werden kann, verloren, so wäre objektiv ein einziges Verhalten der Beschwerdeführerin für sämtliche Beschädigungen ausschlaggebend gewesen und aus diesem Grunde hinsichtlich der Unterlassung der Meldung dieses Verkehrsunfalles Tateinheit im Sinne des § 22 Abs. 1 VStG anzunehmen. Die belangte Behörde hat wohl die Rechtslage insofern richtig erkannt, als sie bei Beurteilung dieser Rechtsfrage darauf abgestellt hat, ob die Beschwerdeführerin "bei Einhaltung einer ihrem Fahrverhalten entsprechenden Geschwindigkeit jeweils nach einem Fahrzeugkontakt anhalten und auch zur Straßenmitte hin hätte auslenken können". Es fehlen aber im angefochtenen Bescheid entsprechende Feststellungen über den Unfallhergang, weshalb dem Verwaltungsgerichtshof dadurch die Möglichkeit genommen wurde, diese Rechtsfrage abschließend zu beurteilen. Schon alleine darin liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel, wobei hinzuzufügen ist, daß dann, wenn der maßgebliche Sachverhalt insoweit nicht (mehr) einwandfrei geklärt werden könnte, nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin vom Vorliegen dreier Verkehrsunfälle, die drei Meldepflichten nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 nach sich gezogen hätten, ausgegangen werden dürfte. Wenn die Beschwerdeführerin allerdings meint, es habe, wenn sie "zu einer bestimmten Minute drei Fahrzeuge hintereinander angefahren habe, nicht die leiseste theoretische Möglichkeit" bestanden, "zwischen den drei Anstößen, also nach dem ersten und dem zweiten, die Polizei zu informieren", und sie auch insofern das Unterbleiben von Feststellungen rügt, so unterliegt sie einem Rechtsirrtum, wäre doch gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 die Meldung "ohne unnötigen Aufschub" zu erstatten gewesen, welche Möglichkeit ihr nach dem dritten Anstoß auch hinsichtlich der beiden anderen Schadensfälle noch offengestanden wäre.

Die Beschwerdeführerin verkennt überdies die Rechtslage, wenn sie unter Hinweis darauf, daß "eine Strafbarkeit nach § 99

(3) lit. b nur gegeben" sei, "soweit nicht die Tatbestandsmäßigkeit nach § 99 (2) lit. a VStG verwirklicht ist", die Auffassung vertritt, zu Unrecht wegen Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 bestraft worden zu sein. Abgesehen davon, daß sie die Begehung einer strafbaren Handlung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960, die von der belangten Behörde gemäß § 99 Abs. 2 lit. a leg. cit. geahndet wurde, bestreitet, übersieht sie, daß die zuletzt genannte Bestimmung nur in den Fällen des § 4 Abs. 1 und 2 StVO 1960, worunter auch die Nichtverständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle bei ursächlicher Beteiligung des Lenkers eines Fahrzeuges an einem (im vorliegenden Beschwerdefall nicht erfolgten) Verkehrsunfall mit Personenschaden fällt, zum Tragen kommt, während § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 die Fälle im Auge hat, in denen in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstoßen wird, also auch gegen § 4 Abs. 5 StVO 1960, indem (im Sinne des Spruches des angefochtenen Bescheides) der bei einem Verkehrsunfall entstandene Sachschaden nicht gemeldet wird. Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, daß die Strafdrohungen des § 4 Abs. 1 lit. a und des § 4 Abs. 5 StVO 1960 einander nicht ausschließen, sondern unabhängig voneinander bestehen (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1981, Zl. 81/02/0128).

Mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie habe dem Aufforderer "auch noch einen Zettel, glaublich mit Namen und Telefonnummer gegeben und habe ihn gebeten, die Fahrer der beschädigten Wagen zu verständigen", wobei sie ihm "Fahrzeugpapiere und Führerschein mit dem Ersuchen, Feststellungen zu treffen, hingehalten habe" und dieser "den Zettel angenommen und erklärt" habe, "die Papiere nicht zu brauchen", ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen, wäre doch in einem derartigen Verhalten der Beschwerdeführerin nicht die Erbringung eines Identitätsnachweises im Sinne des § 4 Abs. 5 zweiter Satz StVO 1960, der sie ihrer Meldepflicht enthoben hätte, gelegen gewesen. Der Aufforderer war keine der Personen, in deren Vermögen der von ihr verursachte Schaden eingetreten ist, und die Beschwerdeführerin hätte ihre Identität nur durch eine entsprechende persönliche Kontaktnahme mit diesen Personen hinreichend nachweisen können (vgl. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1983, Zl. 82/02/0196, und vom 25. April 1986, Zl. 85/18/0382). Richtig ist wohl, daß demgegenüber die geforderte Meldung durch einen Boten bewerkstelligt werden kann; dies setzt aber ebenfalls (wie im Falle der persönlichen Meldung) die Bekanntgabe der Personalien des Schädigers, zu denen auch dessen Anschrift zählt, die aber von der Beschwerdeführerin selbst nach ihrem eigenen Vorbringen dem Aufforderer nicht zur Kenntnis gebracht worden war, voraus (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1984, Zl. 83/02/0553, und vom 27. April 1987, Zl. 85/18/0065). Schon deshalb ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin, vom Aufforderer "informiert worden zu sein, daß er eine Polizeidienststelle bereits angerufen hat", und ihn so verstanden zu haben, "daß er meinen Namen und meine Telefonnummer an die Polizei weitergeben werde", nicht geeignet, in diesem Zusammenhang eine andere rechtliche Beurteilung herbeizuführen, wobei die Beschwerdeführerin offenbar auch übersieht, daß eine Verständigung durch einen Dritten den meldepflichtigen Schädiger nur dann entlasten kann, wenn er als dessen Vertreter oder Bote tätig wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. September 1984, Zl. 83/03/0377). Wenn sich die Beschwerdeführerin in einem Rechtsirrtum befunden hat, so hat sie auch diesen Umstand zu vertreten, mußten ihr doch als Inhaberin einer Lenkerberechtigung die betreffenden straßenpolizeilichen Vorschriften bekannt sein.

Der Beschwerdeführerin ist auch - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nicht zum Vorwurf gemacht worden, die "prompte" Meldung, sondern - entsprechend dem Tatbild des § 4 Abs. 5 StVO 1960 - die Meldung (jeweils) "ohne unnötigen Aufschub" unterlassen zu haben. Bei Auslegung dieses Begriffes ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1990, Zl. 89/02/0168, und die dort angeführte Judikatur), weshalb der Umstand, daß die Beschwerdeführerin "am nächsten Tag in der Früh auch noch die Polizeidienststelle aufgesucht" hat, an der objektiven Verwirklichung dieses Tatbestands nichts zu ändern vermag. Die Beschwerdeführerin hat sich allerdings damit verantwortet, daß sie daran zu einem früheren Zeitpunkt "durch meinen Gesamtzustand behindert gewesen" und daher eine vorherige Meldung "auf Grund meiner psychischen Beschaffenheit" nicht möglich war. Damit hat sie - wie schon, wenn auch mit anderen Worten, im Verwaltungsstrafverfahren - geltend gemacht, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da es sich aber bei dieser strafbaren Handlung um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handelt, hatte die Beschwerdeführerin ihr mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen. In der Beschwerde findet sich in diesem Zusammenhang der Passus, daß sich die Beschwerdeführerin im Verwaltungsstrafverfahren darauf berufen habe, "auf Grund meiner Erkrankung einerseits, möglicherweise durch die Wirkung einer Medikamenteneinnahme und durch den Schock durch den Unfall nach diesem Anstoß nicht mehr meiner Sinne mächtig gewesen zu sein". Dazu ist zu bemerken, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. außer dem bereits erwähnten Erkenntnis vom 21. Februar 1990, Zl. 89/02/0168, beispielsweise noch jenes vom 29. Jänner 1987, Zl. 86/02/0132) ein "Unfallschock" (auch in Verbindung mit einer, bei der Beschwerdeführerin im übrigen gar nicht vorgelegenen, Verletzung) nur in besonders gelagerten Fällen und bei gravierenden psychischen Ausnahmesituationen das Unterlassen pflichtgemäßen Verhaltens entschuldigt und einem Unfallbeteiligten, der offensichtlich dispositionsfähig geblieben ist, pflichtgemäßes Verhalten zumutbar sein muß, da von einem Kraftfahrzeuglenker, welcher die Risken des Straßenverkehrs auf sich nimmt, ein solches Maß an Charakter- und Willensstärke zu verlangen ist, daß er den Schock über den Unfall (und eine allenfalls erlittene Verletzung) zu überwinden vermag. Daß die von der Beschwerdeführerin angegebene Erkrankung, die lediglich in einer schweren Erkältung bestanden hat, ihre Dispositionsfähigkeit nicht maßgeblich beeinflussen konnte, bedarf keiner näheren Erörterung, sodaß es insofern nur auf eine allfällige nachteilige Wirkung des von ihr vor Antritt der Fahrt (auf Grund dieser Erkrankung) eingenommenen Medikamentes ankommen kann. Diesbezüglich liegt aber (wie der Gebrauch des Wortes "möglicherweise" erkennen läßt) eine bloße Vermutung der Beschwerdeführerin vor, sodaß schon aus diesem Grunde eine Rechtsverletzung darin nicht erblickt werden kann, wenn die belangte Behörde im Ergebnis (zwar mit anderer Begründung, auf die aber demnach nicht mehr eingegangen zu werden braucht) zu der Auffassung gelangt ist, daß diese Medikamenteneinnahme die Beschwerdeführerin nicht zu entlasten vermag. Selbst wenn die Beschwerdeführerin - was dahingestellt bleiben kann - im Verwaltungsstrafverfahren eine konkrete Behauptung über die nachteilige Wirkung des betreffenden Medikamentes (nicht nur für den Zeitpunkt der von ihr verursachten Kollisionen, sondern im Anschluß daran, als sie ihrer Meldepflicht nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 nachzukommen hatte) aufgestellt hat, hätte dies für eine Glaubhaftmachung im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG nicht genügt, sondern wäre es an ihr gelegen gewesen, von sich aus zumindest den Beipackzettel vorzulegen, um daraus Feststellungen treffen zu können, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen tatsächlich eine nachteilige Wirkung des Medikamentes eintreten kann.

Da aber - wie bereits aufgezeigt - der Sachverhalt in der Frage, ob die Beschwerdeführerin nur eine oder drei Übertretungen nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 zu verantworten hat, in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid hinsichtlich dieser Übertretungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerde (mit dem darauf entfallenden Stempelgebühren) lediglich in zweifacher Ausfertigung einzubringen war.

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