Normen
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat jedem der Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.110,-- (insgesamt S 20.220,--) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Beide Beschwerden wurden wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden.
Die Beschwerdeführer - ein Ehepaar rumänischer Staatsangehörigkeit - reisten illegal am 27. Dezember 1990 in das Bundesgebiet ein und stellten am gleichen Tage Asylanträge. Bei der niederschriftlichen Befragung am 28. Dezember 1990 gab der Zweitbeschwerdeführer zur Begründung seines Antrages im wesentlichen an, er habe während der Revolution an Demonstrationen teilgenommen. Im Jänner 1990 sei er Sprecher der Filialleitung der EDV-Firma, in der er beschäftigt gewesen sei, geworden. Auf Grund der Teilnahme an den Demonstrationen habe er jedoch seine Meinung in der Firma nicht äußern können. Er sei auch Mitglied der "NLP" geworden. Im Mai 1990 hätten er und die Erstbeschwerdeführerin an der Wahl teilgenommen. Am Ende der Wahl hätten die Beschwerdeführer bei der Parteileitung der NLP ein Schriftstück hinterlassen, in dem sie Gründe einer Wahlmanipulation behaupteten. Daraufhin habe die Erstbeschwerdeführerin immer wieder anonyme Anrufe erhalten, in denen sie bedroht worden sei. Über den Inhalt könne die Erstbeschwerdeführerin Auskunft erteilen. Aus Angst um das Leben seiner Ehefrau seien sie gemeinsam aus Rumänien geflüchtet. Die letzten Anrufe seien Anfang Dezember gewesen.
Die Erstbeschwerdeführerin führte bei der Befragung aus, sie habe ebenfalls an den Demonstrationen anläßlich der Revolution teilgenommen. Sie sei von ihren Kollegen am Arbeitsplatz verspottet und angestänkert worden, die Angehörige der Securitate gewesen seien. Im Jänner 1990 sei sie ebenfalls Mitglied der NLP geworden. Im Mai 1990 habe sie an den Wahlen teilgenommen. Seitdem sie das von ihrem Ehemann erwähnte Schriftstück über behauptete Wahlmanipulationen bei der Parteileitung hinterlegt habe, habe sie bis zum Dezember 1990 immer wieder anonyme Anrufe erhalten, in denen sie mit dem Tod bedroht worden sei. Am 14. Juni 1990 habe sie dann an einer Demonstration am Universitätsplatz teilgenommen, bei der sie von Securitateleuten verprügelt worden sei. Nur durch die Hilfe eines Journalisten sei sie den Leuten entkommen. Am Arbeitsplatz sei sie von drei Arbeitskollegen immer wieder ins Kreuzverhör genommen worden.
Mit zwei Bescheiden der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. Jänner 1991 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführer nicht Flüchtlinge im Sinne der Konvention seien.
Gegen diese Bescheide haben die Beschwerdeführer im wesentlichen gleichlautend Berufungen erhoben, in denen sie zu dem bisherigen Vorbringen ausführten, seit Jänner 1990 sei wöchentlich einmal ein Mann gekommen, um das Telefon zu überprüfen, obwohl es gar nicht kaputt gewesen sei. Telefongespräche seien abgebrochen worden, und Anrufe gemacht worden, ohne daß sich eine Person gemeldet hätte. Im Dezember 1990 habe der Zweitbeschwerdeführer einen Artikel in einer literarischen Zeitung veröffentlicht, in dem er die Mißstände in Rumänien aufgezeigt habe. Als Reaktion auf diesen Artikel seien bei ihnen - sie hätten im Erdgeschoß gewohnt - alle Fenster eingeschlagen worden (15. und 17. Dezember 1990). Ebenso seien am 25. Dezember 1990 die Fenster abermals eingeschlagen worden. Telefonisch seien die Beschwerdeführer informiert worden, daß dies erst der Anfang gewesen sei. Dieser psychische Druck und die ständige Angst hätten sie veranlaßt, Rumänien so rasch wie möglich zu verlassen.
Mit den nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde wurden die Berufungen abgewiesen. Zur Begründung wurde gleichlautend ausgeführt, die Beschwerdeführer hätten im gesamten Verwaltungsverfahren keine Umstände glaubhaft machen können, die objektiv die Annahme rechtfertigten, daß sie sich aus wohl begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befänden und nicht gewillt seien, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Erfahrungsgemäß gehorche eine Verfolgung sogar in totalitären Systemen einem rationalen Kosten-Nutzen- Kalkül. Es müsse für staatliche Organe Grund für die Annahme bestehen, der Asylwerber sei ein Gegner des herrschenden Systems und die Verfolgung würde dem begegnen. Für den Fall, daß der Asylwerber sich regimekonform verhalten habe, nur in untergeordneter Rolle politisch tätig gewesen sei oder allgemein kein schlüssiges Motiv für den potentiellen Verfolgerstaat feststellbar sei, erscheine eine Verfolgung nicht glaubhaft. Die gewiß knappe Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz entspreche allen Erfordernissen des § 60 AVG. Angesichts der gegenwärtigen in Rumänien herrschenden politischen und wirtschaftlichen Umstände bestehe kein Anlaß, an der Richtigkeit der Angaben der Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz zu zweifeln; hingegen müsse dem darüber hinausgehenden Vorbringen in den Berufungen die Glaubwürdigkeit versagt bleiben.
Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen Beschwerden. Die Beschwerdeführer erachten sich nach dem Beschwerdevorbringen in ihrem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (AsylG), in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Die Pflicht zur Begründung eines Bescheides ist nach herrschender Ansicht eines der wichtigsten Erfordernisse eines rechtsstaatlichen Verfahrens. Nach der ständigen hg. Judikatur muß die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründe die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet hat. Des weiteren muß aus der Begründung des Bescheides hervorgehen, ob die Behörde die Grundlage ihrer Entscheidung in einem einwandfreien Verfahren gewonnen hat und ob die von der Behörde gezogenen Schlüsse den Gesetzen folgerichtigen Denkens entsprechen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, a.a.O. unter ENR 6 zu § 60 AVG angeführte hg. Judikatur).
Kern der Beschwerdeausführungen zum Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften ist der Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, auf das rechtliche bedeutsame Vorbringen in der Begründung des angefochtenen Bescheides einzugehen. Dies stelle zumindest einen wesentlichen Begründungmangel dar.
Diesem Vorwurf kommt Berechtigung zu. Die belangte Behörde hat auf das Vorbringen der Beschwerdeführer nur indirekt und allgemein im Rahmen ihrer Rechtsausführungen Bezug genommen, keinesfalls aber entsprechend dem Gebot des § 60 AVG die Ergebnisse der niederschriftlichen Befragung der Beschwerdeführer klar und übersichtlich zusammengefaßt. Hätte die belangte Behörde dies getan, dann hätte sie nicht umhin können, zu berücksichtigen, daß die Erstbeschwerdeführerin schon bei ihrer niederschriftlichen Befragung angegeben hat, in anonymen Telefonanrufen mit dem Tode bedroht worden zu sein. Diese Drohung konnte auch für den Zweitbeschwerdeführer eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Äußerungen zu folge haben. Außerdem ist nicht zu erkennen, warum dem über das Vorbringen bei der schriftlichen Befragung hinausgehenden Vorbringen in den Berufungen, das zum Teil nur eine Ergänzung des Erstvorbringens der Beschwerdeführer darstellt, die Glaubwürdigkeit versagt bleiben mußte. Da bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensfehler nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde zu anderen Bescheiden hätte kommen können, waren diese gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 und 59 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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