Normen
AVG §10 Abs2 impl;
AVG §71 Abs1 lita;
VStG §51;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
AVG §10 Abs2 impl;
AVG §71 Abs1 lita;
VStG §51;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Das Straferkenntnis der erstinstanzlichen Behörde vom 26. Jänner 1990 wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt (Beginn der Abholfrist: 14. Februar 1990).
2. Mit Schriftsatz vom 26. März 1992 teilte der Beschwerdeführer die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. M mit, stellte den Antrag, ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu bewilligen, und erhob gleichzeitig Berufung.
Er begründete seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand damit, daß er das an seine Privatadresse zugestellte Straferkenntnis in sein Büro mitgenommen und seine Sekretärin beauftragt habe, "diese Unterlagen" an seinen Rechtsanwalt Dr. M zwecks Erhebung der Berufung zu übersenden. Er habe sich darauf verlassen dürfen, daß sie die Unterlagen umgehend an seinen Rechtsanwalt weiterleiten werde, zumal dieser auch Firmenanwalt der J C-Ges.m.b.H. sei. Am 23. März 1990 habe er sich im Zuge eines Gespräches mit seinem Anwalt nach dem Stand der Angelegenheit erkundigt. Dabei habe sich herausgestellt, daß die Sekretärin aus heute nicht mehr erklärbaren Umständen vergessen habe, die Unterlagen an den Rechtsanwalt weiterzuleiten. Da es sich bei der Sekretärin um eine langjährige und verläßliche Mitarbeiterin handle und sie im Unternehmen für die Geschäftsabwicklung mit dem Anwaltsbüro zuständig sei, habe er darauf vertrauen dürfen, daß die Unterlagen rechtzeitig an seinen Anwalt weitergeleitet werden.
3. Die erstinstanzliche Behörde wies den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung mit Bescheid vom 27. April 1990 ab und vertrat in der Begründung den Standpunkt, der Beschwerdeführer sei der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungs- und Kontrollpflicht gegenüber seiner Sekretärin nicht nachgekommen, weshalb ihn an der Versäumung der Berufungsfrist ein Verschulden träfe.
4. Der dagegen erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Steiermark (die belangte Behörde) mit Spruchpunkt I des Bescheides vom 20. Juli 1990 keine Folge und wies mit Spruchpunkt II die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 26. Jänner 1990 als verspätet zurück.
Zur beantragten Wiedereinsetzung führte die belangte Behörde begründend aus, die Sekretärin des Beschwerdeführers habe Mitte Februar 1990 den Auftrag erhalten, das Straferkenntnis unverzüglich an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers weiterzuleiten. Sie sei somit als Botin des Beschwerdeführers und nicht als seine Vertreterin anzusehen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes treffe die Partei ein Verschulden an der Versäumung einer Frist, wenn sie es bei der Auswahl des Boten und dessen Überwachung an der zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Sorgfalt fehlen lasse. Der Beschwerdeführer habe keine Kontrolle durchgeführt und sich bis zu seinem Gespräch mit dem Rechtsanwalt am 23. März 1990 nicht mehr um die Angelegenheit gekümmert, weshalb ihn an der Versäumung der Berufungsfrist Verschulden treffe. Zu bemerken sei auch, daß er seine Sekretärin zwar mit der "unverzüglichen" Erfüllung des Auftrages betraut habe, ohne eine exakte Zeit vorzugeben und auf die besondere Bedeutung einer fristgerechten Weiterleitung hinzuweisen. Der Berufung gegen die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages sei daher keine Folge zu geben gewesen.
Die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis sei im Hinblick auf ihre unbestrittene Verspätung zurückzuweisen gewesen.
5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
II.
1. Gemäß § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 357/1990), derzufolge § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend die Auffassung vertreten, daß bei Versäumung einer Frist infolge des Verhaltens eines Boten nur dann vom Fehlen des Verschuldens der Partei gesprochen werden könne, wenn sie der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Pflicht zur Überwachung des Boten nachgekommen sei (siehe unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 28. November 1978, Slg. Nr. 9706/A, vom 10. November 1989, Zl. 89/18/0093, und vom 28. Februar 1992, Zl. 91/10/0208).
2. Der Beschwerdeführer vertritt demgegenüber den Standpunkt, im Hinblick darauf, daß es sich bei seiner Sekretärin um eine langjährige und verläßliche Mitarbeiterin handle, habe er sich darauf verlassen dürfen, daß sie dem erteilten Auftrag nachkommen werde. Eine besondere zusätzliche Kontrolltätigkeit sei bei dieser Situation nicht erforderlich gewesen.
Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen. Die Einhaltung von Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei die größtmögliche Sorgfalt. Diese Sorgfalt hätte es erfordert, daß sich der Beschwerdeführer, wenn er schon die Übermittlung des Straferkenntnisses an seinen Vertreter einer Mitarbeiterin überlassen hat, vergewissert, daß sein Auftrag auch durchgeführt wurde und die Einbringung des Rechtsmittels gewährleistet ist. Im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit wäre es ihm möglich und zumutbar gewesen, entweder die Befolgung des Auftrages durch seine Sekretärin zu überwachen (etwa durch Vorweisung des Aufgabescheines) oder unmittelbar mit seinem Vertreter Kontakt aufzunehmen, um diesem die für die Einbringung der Berufung notwendigen Informationen (über das Zustelldatum und den Sachverhalt) zu geben. Die belangte Behörde hat demnach mit Recht angenommen, daß den Beschwerdeführer an der Versäumung der Berufungsfrist Verschulden trifft.
3. Der Beschwerdeführer meint, im Hinblick darauf, daß nach § 146 ZPO leichte Fahrlässigkeit der Partei die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindert und es erfahrungsgemäß im Zivilprozeß um weitaus wichtigere und umfangreichere Angelegenheiten gehen könne als in einem Verwaltungsstrafverfahren, sei der aus § 146 ZPO sich ergebenden Intention des Gesetzgebers "wohl auch bei der Rechtsbeurteilung im Verwaltungsstrafverfahren zu entsprechen".
Diese Auffassung ist im Hinblick auf die eindeutige Regelung des § 71 Abs. 1 lit. a AVG 1950 (in der im Beschwerdefall anzuwenden Fassung) verfehlt (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 10. November 1989, Zl. 89/18/0093). Nach dem Inhalt dieser Bestimmung hindert jedes Verschulden der Partei an der Versäumung der Frist die Bewilligung der Wiedereinsetzung (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Regelung siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Oktober 1991, B 358/91). Im Beschwerdefall kann es demnach dahinstehen, ob das dem Beschwerdeführer zur Last liegende Verschulden an der Versäumung der Berufungsfrist als leichte oder grobe Fahrlässigkeit anzusehen ist.
4. Aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde dem Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers mit Recht nicht stattgegeben und die unbestrittenermaßen verspätete Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 26. Jänner 1990 zurückgewiesen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)