VwGH 90/19/0278

VwGH90/19/027818.2.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Großmann, Dr. Stoll, Dr. Zeizinger und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerden 1) der N Gesellschaft n.b.R. und 2) des Bundesministers für Arbeit und Soziales gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 8. März 1990, Zl. 312.488/2-III-3/89, betreffend Ausnahmegenehmigung gemäß § 8 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, 1) den Beschluß gefaßt:

2) zu Recht erkannt:

Normen

AAV §8;
ABGB §1175;
AVG §9;
VwGG §34 Abs1;
AAV §8;
ABGB §1175;
AVG §9;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers wird als unbegründet abgewiesen.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

Der H. Warenhandel Gesellschaft m.b.H. wurde mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 11. Bezirk vom 23. Juni 1983 die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Einkaufszentrums in Wien XI, L.-Straße, erteilt. In weiterer Folge wurden mehrere Änderungen dieser Betriebsanlage rechtskräftig genehmigt. Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 11. Bezirk vom 18. Mai 1987 wurde gemäß § 81 GewO 1973 die Errichtung einer Ladenstraße sowie von Geschäftslokalen mit Grundflächen von 200 bis 1200 m2 in diesem Einkaufszentrum bewilligt. In weiterer Folge wurden mehrere kleinere Geschäftslokale errichtet, die nicht Gegenstand dieses gewerbebehördlichen Verfahrens waren. Eines dieser Lokale ("Shop" nn) wird von der N. Ges.n.b.R. (Erstbeschwerdeführerin) betrieben. Dieses Geschäftslokal entspricht nicht den Arbeitnehmerschutzvorschriften, insbesondere nicht dem § 8 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV).

Mit Schreiben vom 26. Mai 1988 beantragte die Erstbeschwerdeführerin beim Magistratischen Bezirksamt für den

11. Bezirk eine Ausnahmegenehmigung von der Vorschrift des § 8 Abs. 1 AAV für dieses Geschäftslokal.

Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes vom 26. Jänner 1989 wurde die beantragte Ausnahme gemäß § 97 Abs. 1 AAV unter Vorschreibung folgender Bedingung erteilt:

"Für den Aufenthalt in den Ruhepausen ist den Arbeitnehmern die Benützung eines Aufenthaltsraumes, welcher natürlich belichtet ist und Sichtkontakt mit dem Freien zuläßt, zu ermöglichen (z.B. Mitbenützung des Speisesaales der Fa. H. Warenhandel Ges.m.b.H. im gleichen Standort)."

Die dagegen vom Arbeitsinspektorat für den

2. Aufsichtsbezirk erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. September 1989 abgewiesen.

Auf Grund einer dagegen vom Arbeitsinspektorat für den

2. Aufsichtsbezirk erhobenen Berufung hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten den angefochtenen Bescheid sowie den diesem zugrunde liegenden Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes gemäß §§ 94 Abs. 1, 97 Abs. 1 und 99 Abs. 1 AAV in Verbindung mit § 30 ASchG sowie §§ 74, 77 und 353 GewO 1973 behoben und den Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Ausnahmegenehmigung von § 8 Abs. 1 AAV zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde im wesentlichen sinngemäß ausgeführt, das gegenständliche Geschäftslokal sei ein unselbständiger Bestandteil des Einkaufszentrums der H. Warenhandel Ges.m.b.H., welches in seiner Gesamtheit bereits als einheitliche Betriebsanlage rechtskräftig genehmigt sei. Die H. Warenhandel Ges.m.b.H. sei Betreiberin der Betriebsanlage und damit auch Adressatin der das gesamte Einkaufszentrum inklusive der Geschäftslokale umfassenden Genehmigungsbescheide. Die H. Warenhandel Ges.m.b.H. sei als Betreiberin der Betriebsanlage zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich, und nur sie sei daher berechtigt, Ausnahmegenehmigungen betreffend Arbeitnehmerschutzvorschriften zu beantragen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gemäß § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974, BGBl. Nr. 143, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Insoweit die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten in Frage kommt, ist diese zufolge § 9 AVG 1950 von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Damit wird die prozessuale Rechts- und Handlungsfähigkeit an die materiell-rechtliche Rechts- und Handlungsfähigkeit geknüpft. Die Rechtsfähigkeit, d.h. die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten des materiellen Rechtes zu sein, begründet gemäß § 9 AVG 1950 die Parteifähigkeit, d.h. die Fähigkeit, Träger von prozessualen Rechten und Pflichten zu sein; die Handlungsfähigkeit, das ist die Fähigkeit, durch eigenes Verhalten Rechte und Pflichten zu begründen, zieht auf Grund dieser Gesetzesbestimmung die Prozeßfähigkeit, d.h. Fähigkeit, rechtswirksame Verfahrenshandlungen zu setzen, nach sich (vgl. dazu Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 4. Aufl., Wien 1987, S. 48 f).

Die nach § 9 AVG 1950 zur Beurteilung der Rechts- und Handlungsfähigkeit in erster Linie heranzuziehenden Verwaltungsvorschriften - im Beschwerdefall sind dies das Arbeitnehmerschutzgesetz, die Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung und die Gewerbeordnung 1973 - enthalten weder über die Rechts- noch über die Handlungsfähigkeit Regelungen. Damit sind die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes maßgebend.

Die Erstbeschwerdeführerin ist unbestrittenermaßen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes (§§ 1175 ff ABGB). Einer solchen kommt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (siehe Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl. zu § 9, S. 131 ff) die Eigenschaft einer juristischen Person nicht zu. Es ermangelt ihr die Rechts- und Handlungsfähigkeit, gleichermaßen auch die Partei- und Prozeßfähigkeit für das Verwaltungsverfahren und das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Aus diesen Gründen war die von der Erstbeschwerdeführerin erhobene Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen.

Für die vom Zweitbeschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1974 erhobene Beschwerde ergibt sich aus den vorhergehenden Darlegungen folgendes: Da die erstbeschwerdeführende Gesellschaft bürgerlichen Rechtes weder den zum Gegenstand des zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens gemachten Antrag auf Ausnahmegenehmigung von der Vorschrift des § 8 Abs. 1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) stellen noch als Partei des von der belangten Behörde durchgeführten Verfahrens auftreten konnte, vor allem aber für sie keine Rechte aus der ihr von den Behörden erster und zweiter Instanz erteilten Genehmigung erwachsen konnten, vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit darin zu erblicken, wenn die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die in erster und zweiter Instanz ergangenen Bescheide aufgehoben und den Antrag zurückgewiesen hat. Wenn auch die belangte Behörde zu diesem Ergebnis aus einem anderen Grund als dem der mangelnden Rechtsfähigkeit der Antragstellerin gelangt ist, so hat sie mit diesem Bescheid im Ergebnis den gebotenen Rechtszustand hergestellt.

Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt, weil einerseits einem nicht rechtsfähigen Gebilde Kosten nicht auferlegt werden können und andererseits gegenüber dem Zweitbeschwerdeführer zufolge § 47 Abs. 4 VwGG ein Aufwandersatz für die belangte Behörde ausgeschlossen ist.

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