Normen
SVDolmG 1975 §10 Abs1 Z1;
SVDolmG 1975 §2 Abs2 Z1 lite;
SVDolmG 1975 §10 Abs1 Z1;
SVDolmG 1975 §2 Abs2 Z1 lite;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Juni 1990 entzog der Präsident des Handelsgerichtes Wien dem Beschwerdeführer die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger für das Fachgebiet metallurgische Technologie, Schweißarbeiten; sachliche Beschränkung: Schweißtechnik. Die Begründung ging unter Hinweis auf § 10 Abs. 1 Z. 1 und § 2 Abs. 2 Z. 1, insbesondere lit. e des Bundesgesetzes vom 19. Februar 1975, BGBl. Nr. 137, über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) dahin, der verheiratete Beschwerdeführer habe seit mehreren Jahren ein außereheliches Liebesverhältnis zu RS unterhalten. Seit geraumer Zeit verfolge der Beschwerdeführer diese Frau mit geradezu unzähligen Anzeigen bei Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften, worin er sie nicht nur unberechtigter Gewerbeausübung und Erschleichung von öffentlich-rechtlichen Förderungen, sondern auch der Geheimprostitution bezichtigt und jeweils um eine strafrechtliche Verfolgung dieser Frau ersucht habe. Des weiteren habe er durch Flugzettel und von ihm in Auftrag gegebene Inserate in verschiedenen Druckschriften die gleichen Behauptungen einem großen, unbestimmten Personenkreis zur Kenntnis gebracht. Hervorzuheben sei nur beispielsweise die Aufgabe von Inseraten in der "Kronen Zeitung", im "Kurier", in der "Fundgrube" und im "Bazar" vom 4. und 19. März 1990. In den letzterwähnten Inseraten habe der Beschwerdeführer einschalten lassen: "Bist Du ein Mann und suchst das Besondere, dann komm bitte sofort zu RS, 1000 Wien, X-GASSE". Die Erstattung verschiedener Anzeigen habe der Beschwerdeführer vor der Polizei zugegeben. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergebe sich, daß sich nach der Bestellung des Beschwerdeführers zum Sachverständigen am 18. April 1990 herausgestellt habe, daß die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z. 1, insbesondere lit. e SDG nicht gegeben gewesen seien, so daß gemäß § 10 SDG spruchgemäß vorzugehen gewesen sei. Selbst wenn die Behauptungen des Beschwerdeführers, Frau S habe für die Aufrechterhaltung einer gelegentlichen Geschlechtsgemeinschaft Geld oder Geldeswert angenommen, richtig sei, so sei die Reaktion des Beschwerdeführers durch die Aufgabe der zitierten Inserate derart unangebracht, daß von einer persönlichen Vertrauenswürdigkeit und Verläßlichkeit des Beschwerdeführers nicht gesprochen werden könne.
Über die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid erkannte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien mit Bescheid vom 23. Juli 1990 dahin, daß ihr nicht Folge gegeben werde. Dies wurde nach Darstellung des Ganges des Verwaltungsverfahrens damit begründet, selbst wenn bei der Entscheidung über die Berufung nur von dem vom Beschwerdeführer selbst zugestandenen Sachverhalt ausgegangen werde, lasse dies eine abschließende Beurteilung zu. Der Beschwerdeführer habe von 1982 bis 1989 eine außereheliche Beziehung zu RS gehabt. Er habe gegen diese Frau mehrere Eingaben bei Behörden eingebracht, so mit dem Vorwurf der unbefugten Gewerbeausübung als Schneiderin, und zwar sowohl beim Finanzamt als auch bei der Wiener Handelskammer und der Innung der Kleidermacher, ferner eine Anzeige wegen unrechtmäßigen Bezuges einer Wohnungsbeihilfe bei der zuständigen Magistratsabteilung. Der Beschwerdeführer habe in einem verschlossenen Kuvert an Frau S Kopien von Anzeigenaufträgen an die Zeitungen Kurier, Neue Kronen Zeitung, Fundgrube und Bazar mit dem bereits oben zitierten Text gesendet; als Auftraggeber dieser Inserate sei RS angeführt gewesen. Der Beschwerdeführer habe mit der Ankündigung der Veröffentlichung solcher Inserate erreichen wollen, daß die dauernden Telefonanrufe der Frau S bei der Ehefrau des Beschwerdeführers aufhörten.
Dieser Sachverhalt sei wie folgt rechtlich zu beurteilen:
Das berufliche und außerberufliche Verhalten des Sachverständigen müsse nach einem sehr strengen Maßstab geprüft werden. Es müsse sich beim Sachverständigen um eine Person handeln, auf deren Charakterstärke und Festigkeit Verlaß sei und die nicht nur auf ihrem Fachgebiet eine unbeirrbare und unerschütterliche Zuverlässigkeit als Voraussetzung auch für die erforderliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit erwarten lasse. Diese Voraussetzungen seien beim Beschwerdeführer nicht gegeben. Selbst wenn es richtig gewesen sein sollte, daß Frau S für die Aufrechterhaltung der Geschlechtsgemeinschaft vom Beschwerdeführer Geld oder Geldeswert genommen hätte, sei die Reaktion des Beschwerdeführers völlig unangebracht. Der Beschwerdeführer habe nämlich durch die Zusendung der "Unterlagen" der Frau S angedroht, sie in aller Öffentlichkeit mit völlig unbegründeten Inseraten und der Namensnennung als Prostituierte bloßzustellen. Das aus einer solchen Vorgangsweise hervorkommende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers lasse Charakterschwächen erkennen, die sehr wohl den Schluß auf die mangelnde Vertrauenswürdigkeit zuließen. Die Eintragungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z. 1 lit. d - wohl richtig lit. e - SDG seien schon bei der Eintragung des Beschwerdeführers in die Liste nicht gegeben gewesen. Somit sei gemäß § 10 SDG die Entziehung der Eigenschaft als Sachverständiger gerechtfertigt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 27. November 1990, Zl. B 1195/90, die Behandlung der Beschwerde ab und trat letztere dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof machte der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, aber auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 1 SDG muß für die Eintragung in die Sachverständigenliste für ein bestimmtes Fachgebiet nach lit. e unter anderem als Voraussetzung gegeben sein die Vertrauenswürdigkeit. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 SDG ist die Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger vom Präsidenten des Gerichtshofes erster Instanz durch Bescheid zu entziehen, wenn sich herausstellt, daß die Voraussetzungen für die Eintragung, mit Ausnahme der nach § 2 Abs. 2 Z. 2 (Bedarf) seinerzeit nicht gegeben gewesen oder später weggefallen sind.
Die Bescheide erster und zweiter Instanz legt ihrer jeweiligen rechtlichen Beurteilung andere Sachverhalte zu Grunde: Der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz sprach ganz allgemein von "geradezu unzähligen Anzeigen bei Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften", welche Anzeigen den Vorwurf unberechtigter Gewerbeausübung, der Erschleichung von öffentlich-rechtlichen Förderungsmitteln und der Geheimprostitution zum Gegenstand gehabt haben sollten. Solche Anzeigen seien auch durch Flugzettel und Inserate einem großen unbestimmten Personenkreis zur Kenntnis gebracht worden. Dazu gehörten auch die EINGESCHALTETEN Inserate mit dem oben erwähnten Text in den vier oben erwähnten Zeitungen. In rechtlicher Hinsicht stützte sich der Präsident des Gerichtshofes erster Instanz aber allein auf die von ihm angenommene Tatsache, daß die Inserate in den vier Zeitungen erschienen seien.
Der Präsident des Gerichtshofes zweiter Instanz als Berufungsbehörde nahm einerseits die Erstattung mehrerer Eingaben des Beschwerdeführers bei Behörden als erwiesen an, welche Eingaben den Vorwurf der unbefugten Gewerbeausübung als Schneiderin und den Vorwurf unrechtmäßigen Bezuges von Wohnungsbeihilfen beinhalteten. Vom Vorwurf der Geheimprostitution war in dieser Begründung nicht mehr die Rede. Ferner nahm der Präsident des Gerichtshofes zweiter Instanz nicht als erwiesen an, daß Inserate mit dem oben genannten Text in den vier genannten Zeitungen ERSCHIENEN seien, sondern den anderen Sachverhalt, daß der Beschwerdeführer in verschlossenem Kuvert der Frau S mit dem Erscheinen solcher Inserate gedroht habe. Als Motiv für diese Drohung führte die zweite Instanz an, der Beschwerdeführer habe erreichen wollen, daß die dauernden Telefonanrufe der Frau S bei seiner Ehefrau aufhörten. In seiner rechtlichen Beurteilung stützte sich der Präsident des Gerichtshofes zweiter Instanz auf diese gegenüber Frau S schriftlich ausgesprochene Drohung.
Schon in dieser Richtung - schriftliche Androhung der Veröffentlichung diskriminierender Inserate gegenüber der Frau S - ist das Verfahren deshalb mangelhaft, weil die belangte Behörde die Motive des Beschwerdeführers für ein solches Vorgehen nicht erforschte. Nach seinen mehrfach wiederholten Behauptungen hatte Frau S nicht nur die Ehefrau, sondern auch die Töchter des Beschwerdeführers mit Telefonanrufen belästigt, worauf sich der Beschwerdeführer - nach seinen diesbezüglichen BehauptungenÜ - zu der von der belangten Behörde festgestellten Drohung hinreißen ließ. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist die vom Beschwerdeführer gegenüber Frau S in verschlossenem Briefumschlag ausgesprochene Drohung nicht für sich allein derart schwerwiegend, daß daraus schon der Mangel der Vertrauenswürdigkeit geschlossen werden müßte. Es kommt vielmehr auf die näheren Umstände an, aus denen sich der Beschwerdeführer zum Ausspruch dieser Drohung hinreißen ließ.
Die belangte Behörde hat sich zwar mit dem Sachverhalt der "geradezu unzähligen Anzeigen bei Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften" nicht näher befaßt und hat diese nicht zum Gegenstand ihrer rechtlichen Beurteilung gemacht. Aus Gründen der Verfahrensökonomie bemerkt der Verwaltungsgerichtshof hiezu, daß nicht die Erstattung von Anzeigen, sondern die Erstattung von UNBEGRÜNDETEN Anzeigen mit Vorsatz oder mit Fahrlässigkeit im Hinblick auf die mangelnde Begründetheit solcher Anzeigen einen Hinweis auf den Mangel der Vertrauenswürdigkeit des Anzeigers geben könnte. Weder die Behörde erster Instanz noch die belangte Behörde haben darüber Feststellungen getroffen, ob der Beschwerdeführer UNBEGRÜNDETE Anzeigen gegen Frau S erstattet hat und ob er dies wußte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit wissen mußte. Der Beschwerdeführer hat z.B. hinsichtlich der Anzeige gegen Frau S wegen unbefugter Gewerbeausübung in seinem Schriftsatz vom 20. Juni 1990 vorgebracht, Frau S sei deswegen mit einer Geldstrafe von S 2.000,-- belegt worden. In dieser Richtung - begründete oder unbegründete Anzeigen des Beschwerdeführers gegen Frau S - fehlen schlechthin Feststellungen der beiden Verwaltungsinstanzen.
Der angefochtene Bescheid war aus dem weiter oben aufgezeigten Grund des Verfahrensmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, einerseits, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist, andererseits, weil Barauslagen des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG nicht entstanden sind und solche daher dem Beschwerdeführer nicht erwachsen konnten.
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