VwGH 90/17/0449

VwGH90/17/044928.3.1991

N-Handels GmbH gegen die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (der volle Wortlaut des BETREFF wird in der Kat BEACHTE wiederholt)

Normen

BAO §276 Abs1;
B-VG Art132;
LAO Wr 1962 §211 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §55 Abs3;
BAO §276 Abs1;
B-VG Art132;
LAO Wr 1962 §211 Abs1;
VwGG §27;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §55 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als gegenstandslos erklärt und die Verfahren eingestellt.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 75.790,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdesachen wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

1.2. Mit den vorliegenden Säumnisbeschwerden macht die beschwerdeführende Partei geltend, ihre auf Aufhebung der Vorschreibung von Ankündigungsabgabe gerichteten Berufungen gegen die in den oben genannten Punkten der Berufungsvorentscheidung des Magistrates der Stadt Wien vom 19. Dezember 1990, Zl. MA 4/6-AKÜA 96/89, Ankündigungsabgabe Kto. 558795, zitierten erstinstanzlichen Bescheide seien ungeachtet des Verstreichens der Entscheidungsfrist von sechs Monaten unerledigt geblieben. Ebenso sei die Entscheidungsfrist in der im Punkt "I. Berufungsvorentscheidung" des Bescheides des Magistrates der Stadt Wien vom 19. Dezember 1990, Zl. MA 4/6-AKÜA 156/89, genannten Berufungssache, betreffend Anträge auf Aussetzung der Einhebung von Ankündigungsabgabe, bereits abgelaufen.

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf fristgerechte Entscheidung über ihre Berufungen verletzt.

Die belangte Behörde hat innerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist mitgeteilt, der Magistrat der Stadt Wien habe nach Erhebung der vorliegenden Säumnisbeschwerde, aber vor Einleitung des Vorverfahrens (Setzung einer Nachholungsfrist) durch den Verwaltungsgerichtshof die genannten Berufungsvorentscheidungen erlassen, und eine Abschrift dieser Bescheide vorgelegt.

Die beschwerdeführende Partei wurde damit nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG klaglosgestellt (vgl. den in einem vergleichbaren Verfahrenszusammenhang ergangenen hg. Beschluß vom 22. November 1968, Slg. N. F. Nr. 3815/F). Die Berufungsvorentscheidung ist nämlich eine der im Abgabenverfahrensrecht (§ 211 WAO) vorgesehenen Möglichkeiten einer Sachentscheidung über die Berufung. Diese Entscheidung entfaltet nicht nur für den Fall des Unterbleibens eines Vorlageantrages die Wirkung eines Berufungsbescheides, sie verliert auch nach der ausdrücklichen Anordnung des § 211 Abs. 1 vorletzter Satz WAO in der Fassung LGBl. Nr. 38/1983 ihre Wirksamkeit durch einen rechtzeitigen Vorlageantrag nicht, mag auch die Berufung von der Einbringung des Vorlageantrages an wieder als unerledigt gelten. Da somit ein Fall der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG vorliegt - § 36 Abs. 2 VwGG kommt im Beschwerdefall nicht zur Anwendung (vgl. dazu unter vielen etwa den hg. Beschluß vom 13. November 1978, Zl. 2024/78 = Anw. 1979, 235, mit kritischer Anmerkung von Arnold) -, waren die Verfahren über die Säumnisbeschwerden nach Anhörung der beschwerdeführenden Partei auf Grund dieser Gesetzesstelle einzustellen.

1.3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

Die belangte Behörde verwies in ihrem Schriftsatz vom 20. März 1991 auf eine vom Magistrat der Stadt Wien im Hinblick auf die Regelung des § 55 Abs. 3 VwGG erstattete Stellungnahme. Danach habe die beschwerdeführende Partei die im September 1987 eingeleiteten Prüfungsmaßnahmen zur Feststellung der ab Juli 1985 vorgenommenen abgabepflichtigen Ankündigungen fortlaufend und nachhaltig behindert. Durch den Verstoß gegen die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht sei die Abgabenbehörde verhalten gewesen, die für den Bestand und den Umfang der Abgabepflicht bedeutsamen Sachverhalte ausschließlich von Amts wegen zu ermitteln. Erst in den Berufungen vom 15. März 1989 gegen die als Ergebnis des Schätzungsverfahrens erlassenen 50 Abgabenbescheide habe die beschwerdeführende Partei Einwendungen erhoben, die die Sachverhaltsermittlung in Frage stellten. Die Art der Einwendungen habe dazu geführt, daß in jedem der einzelnen 50 Fälle Erhebungen an Ort und Stelle durchgeführt werden mußten, wobei die Werbeträgen an 21 verschiedenen Orten in Wien situiert seien. Hätte die beschwerdeführende Partei im Verfahren vor Erlassung der Abgabenbescheide mitgewirkt, hätte eine Abklärung bereits damals und wesentlich zeitschonender erfolgen können. Dadurch, daß die Abgabenbehörde in diesem Zeitpunkt von der Möglichkeit, Erzwingungsmaßnahmen zu setzen, keinen Gebrauch gemacht habe, sei es der Beschwerdeführerin möglich geworden, durch ihre Berufungseinwendungen das Berufungsverfahren derart hinauszuzögern, daß der Abgabenbehörde eine rechtzeitige Entscheidung faktisch unmöglich gewesen sei. Die mit der Durchführung der erforderlichen Erhebungen beauftragte Fachabteilung (Revisionsstelle) habe ihre Aufgaben nach dem Prinzip der Verwaltungsökonomie zu erfüllen, wobei in dem für die Bewältigung dieser Aufgaben erforderlichen Organisationsplan für jede der von der Stadt Wien erhobenen Abgaben nach Art und Umfang der einzelnen Abgabe eine bestimmte Personalkapazität vorgegeben sein müsse. Die durchzuführenden Erhebungen hätten jedoch die für die Ankündigungsabgabe vorgegebene Personalkapazität in einem Umfang überschritten, die ihre Vornahme innerhalb der Säumnisfrist auf Grund der personellen Gesamtausstattung der Revisionsstelle nur zu Lasten der Aufgaben, betreffend andere Abgaben, auf Gefahr des Eintrittes von Säumnisfällen bei diesen Abgaben ermöglicht hätte. Dazu komme, daß der Revisionsstelle am 1. Juli 1989 und damit innerhalb der sechsmonatigen Erledigungsfrist die Überwachung der gebührenpflichtigen Kurzparkzonen als zusätzliche Agende übertragen worden sei und es die Neuorganisation dieses Aufgabenbereiches erfordert habe, über das zur Verfügung gestellte Personal hinaus zeitweise alle Außendienstmitarbeiter heranzuziehen.

Mit diesen Ausführungen vermag die belangte Behörde ein AUSSCHLIESSLICHES Verschulden der beschwerdeführenden Partei an der Verzögerung der behördlichen Erledigung nicht darzutun. Wenn der Magistrat der Stadt Wien im erstinstanzlichen Verfahren davon abgesehen hat, der beschwerdeführenden Partei die erforderlichen Erklärungen und Auskünfte unter Androhung von Erzwingungsmaßnahmen (wie im Schriftsatz selbst ausgeführt) abzufordern und die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, dann ist es Aufgabe der zur Entscheidung über die Berufung zuständigen Behörde, die in der Berufung - zu Recht - vermißten Feststellungen zu treffen; dort wurde unter anderem gerügt, es sei nicht festgestellt worden, an welchen Bestandteilen der Tankstellen die Ankündigungen angebracht worden seien, um wessen Tankstellenbetrieb es sich gehandelt habe und ob jeweils ein Geschäftsbetrieb des Ankündigenden vorgelegen sei. Der allgemein gehaltene Hinweis der belangten Behörde auf die große Anzahl von Fällen und die angespannte Personalkapazität der Revisionsstelle allein genügt nicht, um in den Beschwerdefällen ein alleiniges Verschulden der beschwerdeführenden Partei an der Verzögerung der behördlichen Entscheidung zu erweisen. Welche behördlichen Aufträge nicht oder verspätet im Berufungsverfahren befolgt worden sein sollen, wird vor dem Hintergrund der Darstellung eines zügigen Ermittlungsverfahrens nicht konkretisiert. Das weitere, das Verfahren nach Erlassung der Berufungsvorentscheidung betreffende Vorbringen in der Äußerung der belangten Behörde vom 20. März 1991 ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

Bei diesem Ergebnis kann es aber auch dahingestellt bleiben, inwiefern das Vorbringen in der Äußerung der belangten Behörde vom 20. März 1991 überhaupt für den zur

hg. Zl. 90/17/0461 protokollierten Beschwerdefall, betreffend Anträge auf Aussetzung der Einhebung von Ankündigungsabgabe, relevant ist.

§ 55 Abs. 3 VwGG konnte daher im vorliegenden Fall nicht angewendet werden. Daß hingegen nach § 55 Abs. 2 VwGG vorgegangen worden wäre, wird von der belangten Behörde nicht behauptet.

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