VwGH 90/17/0430

VwGH90/17/043016.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Wetzel, Dr. Puck und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde des F in Z, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. September 1990, Zl. BauR-010445/1-1990 See/Pe, betreffend Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen (mitbeteiligte Partei: Stadt Linz), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1976 §20 Abs10 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs11 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs9 idF 1988/033;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;
BauO OÖ 1976 §20 Abs10 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs11 idF 1988/033;
BauO OÖ 1976 §20 Abs9 idF 1988/033;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesland Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Magistrates der mitbeteiligten Stadt vom 11. Dezember 1989 wurde unter anderem dem Beschwerdeführer als Miteigentümer des Grundstückes Nr. 1380/3 KG Z für die Errichtung der Fahrbahn der vorgelagerten öffentlichen Verkehrsfläche "XY" ein Beitrag gemäß § 20 der O.ö. Bauordnung in Verbindung mit der Verordnung der O.ö. Landesregierung vom 8. Februar 1982, LGBl. Nr. 7, womit der bei der Berechnung des Beitrages zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen anzuwendende Einheitssatz festgesetzt wurde, in Höhe von S 14.238,-- (Bemessungsgrundlagen: anrechenbare Fahrbahnbreite: 3 m, anrechenbare Frontlänge von 46 m2: 6,78 m und Einheitssatz S 700/m2) zur Zahlung vorgeschrieben. Hiebei ging die Abgabenbehörde erster Instanz davon aus, daß im Zeitpunkt der Errichtung der öffentlichen Verkehrsfläche (am 19. Juli 1988) der ursprünglich (mit Baubewilligungsbescheid vom 29. Juni 1982) geschaffene Bauplatz durch den Bescheid vom 18. Jänner 1984, mit dem eine Änderung des Bauplatzes von 2119 m2 auf 2165 m2 bewilligt wurde, bereits geändert war, weswegen der Anspruch auf den Beitrag nicht auf den Abs. 1 des § 20 O.ö. BauO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 33/1988 gestützt wurde, sondern auf den Abs. 11 dieser Gesetzesstelle in der Fassung derselben Novelle.

Der gegen diesen Bescheid unter anderem vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Stadt vom 19. Februar 1990 keine Folge gegeben. In der Begründung erachtete die Berufungsbehörde auch eine Ermäßigung der Beitragsfestsetzung gemäß § 20 Abs. 10 O.ö. BauO in der Fassung der genannten Novelle mangels Erfüllung eines Beitragsermäßigungstatbestandes nicht für zulässig.

Der gegen diesen Bescheid unter anderem vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Dies nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe der maßgebenden Rechtsvorschriften im wesentlichen mit der Begründung, bei dem schon wiedergegebenen Sachverhalt sei eine Beitragsfestsetzung "für das Grundstück als Ganzes" nicht möglich gewesen, weil "für das nunmehr bestehende Gesamtgrundstück im Ausmaß von 2165 m2 bisher überhaupt keine Bauplatzbewilligung erteilt wurde". Gegenstand der Beitragsfestsetzung könne lediglich die Vergrößerungsfläche des Bauplatzes im Ausmaß von 46 m2, für die bisher ein Beitrag noch nicht entrichtet worden sei, sein. Es sei zwar richtig, daß sich bei getrennter Berechnung des Beitrages für den ursprünglichen Bauplatz und für die Vergrößerungsfläche ein höherer Beitrag ergebe als bei Berechnung des Beitrages für den vergrößerten Bauplatz, diese Rechtsfolge ergebe sich aber aus den Abs. 3 bis 5 des § 20 O.ö. BauO. Das Argument des Beschwerdeführers, daß der Beitrag auf Grund eines Größenschlusses der Bestimmungen des Abs. 9 leg. cit. überhaupt zu entfallen hätte, sei schon durch den Wortlaut dieser Gesetzesstelle widerlegt; abgesehen davon, daß sich diese Stelle ausdrücklich nur auf den Bauplatz und ein im Beschwerdefall nicht geplantes Bauvorhaben beziehe, nehme der letzte Satz des § 20 Abs. 14 O.ö. BauO auf Fälle, in denen auf dem Grundstück erst später gebaut werde, Rücksicht. Ein Anwendungsfall des § 20 Abs. 9 O.ö. BauO könne daher nur allenfalls im Zusammenhang mit einem künftig zu errichtenden Bau auf dem Gesamtgrundstück entstehen. Eine Ermäßigung gemäß Abs. 10 dieser Gesetzesstelle gebühre dem Beschwerdeführer nicht, weil der gegenständliche Bauplatz mit mehreren Reihenhäusern bebaut und diese Bestimmung auf Reihenhäuser nicht anwendbar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, "daß ihm bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ein Anliegerbeitrag überhaupt nicht oder nur in wesentlich geringerer Höhe vorgeschrieben werde."

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Stadt hat in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 20 der O.ö. BauO in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 82/1983 und 33/1988 lauten auszugsweise wie folgt:

"(1) Hat die Gemeinde eine öffentliche Verkehrsfläche errichtet, so hat sie anläßlich der Bewilligung eines durch diese Verkehrsfläche aufgeschlossenen Bauplatzes (§ 4) oder der Vergrößerung eines solchen Bauplatzes oder einer solchen bebauten Liegenschaft (§ 7 Abs. 1 lit. b) einen Beitrag zu den ihr erwachsenen Kosten der Herstellung der Fahrbahn dieser öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben.

(2) Die Verpflichtung zur Entrichtung des Beitrages trifft den Eigentümer jener Grundfläche, für die die Bewilligung gemäß § 4 oder § 7 erteilt wurde.

(3) Die Höhe des Beitrages ist gleich dem Produkt aus der anrechenbaren Breite der Fahrbahn (Abs. 4), der anrechenbaren Frontlänge (Abs. 5) und dem Einheitssatz (Abs. 6).

(4) Anrechenbare Breite der Fahrbahn ist die Hälfte der im Bebauungsplan festgesetzten Fahrbahnbreite, wenn die Fahrbahnbreite im Bebauungsplan nicht festgesetzt ist bzw. ein Bebauungsplan nicht besteht, die Hälfte der Breite, in der die Fahrbahn tatsächlich errichtet wird, in allen Fällen höchstens aber eine Breite von vier Metern.

(5) Anrechenbare Frontlänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz bzw. mit der Vergrößerung des Bauplatzes bzw. der Vergrößerung der bebauten Liegenschaft (§ 7 Abs. 1 lit. b) flächengleichen Quadrates.

(7) Der Beitrag ist für die der Berechnung der anrechenbaren Frontlänge zugrunde gelegte Fläche nur einmal zu entrichten. Der Beitrag wird im Fall einer Bewilligung gemäß § 4 drei Monate nach Ersichtlichmachung der Bauplatzeigenschaft im Grundbuch, im Fall einer Bewilligung gemäß § 7 drei Monate nach Durchführung der Änderung im Grundbuch fällig.

(9) Der Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen entfällt:

  1. a) wenn auf dem Bauplatz der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden, die nicht für Wohnzwecke bestimmt sind und baurechtlich nur untergeordnete Bedeutung haben (wie kleine Kapellen, Garten- und Gerätehütten, Boots- und Badehütten, Umspann-, Umform- und Schaltanlagen, mit Schutzdächern versehene Abstellplätze und Garagen im Sinne des § 30 Abs. 6 lit. a) geplant ist,
  2. b) wenn auf dem Bauplatz ein Zubau an ein bestehendes Gebäude bis zu einer Gesamthöhe von höchstens fünf Metern und einer verbauten Fläche von höchstens 50 m2 geplant ist, oder
  3. c) wenn auf dem Bauplatz ein Umbau eines bestehenden Gebäudes geplant ist, durch den die bisher zur Verfügung stehende Wohn- bzw. Nutzfläche höchstens um 50 m2 vergrößert wird.

(10) Der Beitrag zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn öffentlicher Verkehrsflächen ermäßigt sich bei Bauplätzen, die höchstens zweigeschossig über dem Erdboden und mit nicht mehr als drei Wohnungen (Kleinhausbauten) bebaut werden, sowie bei Einfamilienhäusern mit einer bewohnbaren Fläche von höchstens 150 m2 um 60 v.H. Sonstige Ermäßigungen bis höchstens 60 v.H. des Beitrages kann der Gemeinderat durch Verordnung für

  1. a) Grundstücke, die ganz oder teilweise landwirtschaftlichen Zwecken oder öffentlichen Aufgaben dienen,
  2. b) Gebäude in verdichteter Flachbauweise mit höchstens drei Geschossen (zwei Geschosse über dem Erdboden und einem ausgebauten Dachgeschoß), auch wenn sie als Teil einer Gesamtanlage errichtet werden, oder
  3. c) andere berücksichtigungswürdige Fälle, in denen die Höhe des Beitrages zu einer Härte für den Abgabepflichtigen führen würde,

    vorsehen.

(11) Wird eine öffentliche Verkehrsfläche von der Gemeinde erst nach Erteilung der Bewilligung eines durch diese Verkehrsfläche aufgeschlossenen Bauplatzes (§ 4) oder der Bewilligung der Vergrößerung eines solchen Bauplatzes oder einer solchen Liegenschaft (§ 7 Abs. 1 lit. b) errichtet, so ist der Beitrag anläßlich der Errichtung der öffentlichen Verkehrsfläche vorzuschreiben. Die Bestimmungen der Abs. 2 bis 10 gelten mit der Maßgabe sinngemäß, daß der Beitrag erst nach der Beschlußfassung des Gemeinderates über die Herstellung der öffentlichen Verkehrsfläche vorgeschrieben werden kann und daß der Beitrag drei Monate nach Rechtskraft der Vorschreibung fällig wird."

Zur Anwendbarkeit des § 20 Abs. 9 O.Ö. BauO:

Ein Entfall des Beitrages zu den Kosten der Herstellung der Fahrbahn einer öffentlichen Verkehrsfläche nach der in Rede stehenden Gesetzesstelle kommt im Beschwerdefall - anders als der Beschwerdeführer meint - schon deswegen nicht in Betracht, weil alle diese Bestimmungen nur Fälle betreffen, in denen "AUF DEM BAUPLATZ" VERHÄLTNISMÄßIG GERINGE ÄNDERUNGEN DER BEBAUUNG GEPLANT sind, im Beschwerdefall aber keine solche Änderung geplant war, sondern - bevor noch der Tatbestand des Abs. 11 leg. cit. erfüllt wurde - DIE FLÄCHE DES BAUPLATZES VERGRÖßERT worden ist; auf diesen Fall kann sich aber der vom Beschwerdeführer angestellte Größenschluß nicht erstrecken.

Zur Berechnung des Beitrages gemäß § 20 Abs. 11 O.ö. BauO:

Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Rechtsansicht der belangten Behörde, ein Beitrag nach dieser Gesetzesstelle sei im Falle der Errichtung einer öffentlichen Verkehrsfläche nach bereits baubehördlich bewilligter (und grundbücherlich durchgeführter) Vergrößerung eines Bauplatzes getrennt für den ursprünglichen Bauplatz und die Vergrößerungsfläche und nicht für den vergrößerten Bauplatz als solchen durchzuführen, wobei sich bei der ersten Berechnungsmethode in Summe ein höherer Beitrag als nach der zweiten Berechnungsmethode ergibt, entspricht nicht dem Gesetz. Die belangte Behörde verkennt insbesondere, daß der Beitragstatbestand nach der in Rede stehenden Gesetzesstelle nicht durch die Bewilligung des ursprünglichen Bauplatzes und durch die Bewilligung der späteren Vergrößerung des Bauplatzes erfüllt wird, sondern das Entstehen der Beitragsschuld nach dem klaren Gesetzeswortlaut an die Errichtung der öffentlichen Verkehrsfläche nach einer solchen Bewilligung oder nach solchen Bewilligungen geknüpft ist. Im Zeitpunkt der von der belangten Behörde festgestellten Errichtung der öffentlichen Verkehrsfläche lag aber unbestrittenermaßen bereits ein im Sinne des § 7 O.ö. BauO geänderter (vergrößerter) Bauplatz vor; daß "für das nunmehr bestehende Gesamtgrundstück im Ausmaß von 2125 m2 bisher überhaupt keine Bauplatzbewilligung erteilt wurde," wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid meint, erscheint vor dem Hintergrund der zuletzt zitierten Gesetzesstelle unverständlich.

Zur Ermäßigung gemäß § 20 Abs. 10 O.ö. BauO:

Nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle gebührt bei Einfamilienhäusern mit einer bewohnbaren Fläche von höchstens 150 m2 eine 60 %ige Ermäßigung des Beitrages. Auf dem Boden dieser Gesetzesstelle ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittig, ob auch REIHENhäuser (mit einer Fläche von höchstens 150 m2) als EINFAMILIENhäuser anzusehen sind. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch könnte diese Frage zwar bejaht werden, eine solche Beurteilung verbietet sich aber deswegen, weil im nächsten Satz unter der lit. b leg cit. von GEBÄUDEN IN VERDICHTETER FLACHBAUWEISE (mit höchstens drei Geschossen, auch wenn sie Teil einer Gesamtanlage sind,) die Rede ist und diese Wendung auch Reihenhäuser miteinschließt (vgl. hiezu Andreas Voigt, Diplomarbeit an der Technischen Universität Wien zum Thema "Räumliche Gestaltung im verdichteten Flachbau, Möglichkeit und Grenzen der Verwirklichung mittels wichtiger Rechtsinstrumente, gezeigt an Beispielen aus Oberösterreich", insbesondere S 18). Das solcherart entstehende Spannungsverhältnis zwischen den genannten Begriffen läßt sich aber zwanglos auflösen, wenn unter "Einfamilienhäusern" im ersten Satz nur FREISTEHENDE verstanden werden. Dafür, daß der Gesetzgeber dies auch so gemeint hat, spricht ferner, daß nur auf diesem Weg die von der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift aufgezeigte Ungleichbehandlung zwischen den Wohnungseigentümern in Reihenhausanlagen und in sonstigen Mehrfamilienwohnhäusern mit vier oder mehr Wohnungen vermieden werden kann; diese Auslegung erscheint daher auch verfassungsrechtlich geboten.

Inwieweit für Reihenhäuser eine Ermäßigung des Betrages nach dem zweiten Satz des § 20 Abs. 10 O.Ö. BauO gebührt, kann vorerst dahingestellt bleiben.

Auf Grund des zur Berechnung des Beitrages gemäß § 20 Abs. 11 O.Ö. BauO Gesagten mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.

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