VwGH 90/15/0073

VwGH90/15/007326.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Wetzel, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 25. April 1990, Zl. 30.232-3/90, betreffend Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken für 1987 und 1988, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §1 Abs1 Z2 lita;
UStG 1972 §2 Abs5 Z2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;
UStG 1972 §1 Abs1 Z2 lita;
UStG 1972 §2 Abs5 Z2;
VwGG §36 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb impl;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc impl;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.650,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide des Finanzamtes betreffend Umsatzsteuer und Abgabe von alkoholischen Getränken für 1987 und 1988 als unbegründet ab, änderte jedoch gemäß § 289 Abs. 2 BAO den angefochtenen Bescheid betreffend die Umsatzsteuer für das Jahr 1988 dahin ab, daß der Umsatz mit S 5,554.139,33 und die Umsatzsteuerzahllast mit S 993.147,-- festgesetzt wurden.

Die belangte Behörde ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin sei Alleineigentümerin der Liegenschaft 11/2, EZ 169, KG Y, auf der sie in den Jahren 1976 bis 1980 unter Inanspruchnahme von Vorsteuer einen Gasthof errichtet habe. Seit 1980 erziele sie Einkünfte aus dem Betrieb dieser Gastwirtschaft (Vermietung von Fremdenzimmern mit Halb- und Vollpension sowie aus dem Gasthausbetrieb), die gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 ermittelt, stets als gewerblich erklärt und veranlagt worden seien. Für die Streitjahre habe die Beschwerdeführerin am 20. Juli 1989 betreffend der Umsatzsteuer, der Alkoholabgabe, der Einkommensteuer und der Gewerbesteuer "Nullerklärungen" mit der Begründung abgegeben, daß keine Einkunftsquelle vorliege. Wörtlich habe sie ausgeführt:

"Ich habe in meinem Gastwirtschaftsbetrieb seit dessen Eröffnung im Jahre 1980 stets wirtschaftliche Verluste (durchschnittlich rund S 423.000,-- pro Jahr) erzielt. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, weil die Fixkosten meines Betriebes (Zinsen, Abschreibungen, Heizung und Energiebezüge, Versicherungen usw.) stets höher sind als der erzielbare Rohgewinn. Objektiv betrachtet besteht daher für mich keine realistische Chance, in absehbarer Zeit jemals ein positives Betriebsergebnis zu erwirtschaften. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom 16. September 1987, Zl. 85/13/0060 uva.) liegt daher im Falle meines Gastwirtschaftsbetriebes keine Einkunftsquelle sondern eine sogenannte "Liebhaberei" vor."

Diese Verneinung ihrer Unternehmereigenschaft durch die Beschwerdeführerin sei erstmalig mit obigem Schreiben erfolgt. Bis dahin sei die Beschwerdeführerin selbst von einer unternehmerischen Tätigkeit und dem Vorhandensein einer Einkunftsquelle ausgegangen. Für Dezember 1988 habe sie noch eine Umsatzsteuervoranmeldung mit einem Überschuß von S 6.064,-- beim Finanzamt eingereicht. In den Jahren 1980 bis 1988 hätten sich folgende Verluste ergeben: 1980 S 512.965,--, 1981 S 606.803,--, 1982 S 475.459,--, 1983 S 432.207,--, 1984 S 380.259,--, 1985 S 464.306,--, 1986 S 315.362,--, 1987 S 350.000,-- und 1988 S 300.000,--.

Der Betrieb der Beschwerdeführerin erbringe nach acht Jahren keinen Periodengewinn und ergebe eine Grobprognose, daß innerhalb eines noch überschaubaren Zeitraumes ein positives Gesamtergebnis nicht erzielt werden könne. Die bisher aufgelaufenen Verluste in der Höhe von rund S 3,8 Mio dürften selbst bei Erzielung positiver Einkünfte in absehbarer Zeit nicht ausgeglichen werden. Solche positiven Ergebnisse seien aber selbst bei allfälligen möglichen Umsatzsteigerungen, falls es in der nahen Zukunft zu einem Ausbau der Schiregion Y kommen sollte, nach der Aktenlage nicht zu erwarten, zumal der Zinsaufwand für die hohen Bankverbindlichkeiten von ca. S 6 Mio beträchtlich sei. Bei Betrachtung der übrigen Fixkosten sei es daher unwahrscheinlich, daß der Betrieb bei gleichbleibender Art der Bewirtschaftung in die Gewinnzone geführt werden könne. Selbst bei Einbeziehung eines zu erwartenden Veräußerungsgewinns sei in Anbetracht der bisher erwirtschafteten hohen Verluste ein positives Gesamtergebnis nicht zu erwarten.

Rechtlich verneinte die belangte Behörde ab dem Ende des Jahres 1988 eine unternehmerische Tätigkeit der Beschwerdeführerin und unterstellte mit diesem Termin den Übergang einer bis dahin bestandenen unternehmerischen Tätigkeit auf Liebhaberei. Damit wurde nach Ansicht der belangten Behörde aber der Eigenverbrauchstatbestand erfüllt. Die belangte Behörde sei gemäß § 289 Abs. 2 BAO berechtigt gewesen, den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern und habe der Beschwerdeführerin die Bemessungsgrundlage für die Eigenverbrauchsbesteuerung vorgehalten. Diese habe dagegen zwar dem Grunde, nicht aber der Höhe nach Einwendungen erhoben. Ausgehend vom Buchwert des Gebäudes zum 31. Dezember 1988 in Höhe von S 3,538.039,-- unter Berücksichtigung der Indexsteigerung von 150,56 % (Baukostenindex 1980: 2.358/m3, 1988: 3.550/m3) errechne sich der Wert mit S 5,325.000,--. Auf Grund des schlechten Gesamtzustandes (Renovierungsbedarf von ca. 500.000,--) des Betriebsgebäudes erachtete die belangte Behörde einen Abschlag von dem so ermittelten Wert von 20 % als gerechtfertigt, sodaß der Teilwert des Gebäudes mit S 4,260.000,-- anzusetzen sei. Der Teilwert der übrigen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sei mit S 242.000,-- (Buchwert zum 31. Dezember 1988) zu ermitteln gewesen. Es sei daher ein Umsatz von S 4,502.000,-- gemäß § 1 Abs. 2 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 UStG 1972 mit 20 % zu versteuern und die Berufung gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer sowie der Abgabe von alkoholischen Getränken abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, für die Jahre 1987 und 1988 keine Umsatzsteuer und keine Abgabe von alkoholischen Getränken entrichten zu müssen, weil sie keine Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes und Aloholabgabegesetzes sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG 1972 ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfaßt die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.

Gemäß Abs. 5 Z. 2 der zitierten Gesetzesstelle gilt eine Tätigkeit nicht als gewerbliche oder berufliche, die auf Dauer gesehen Gewinne oder Einnahmenüberschüsse nicht erwarten läßt (Liebhaberei).

Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. a UStG 1972 (die Tatbestände nach lit. b kommen für den Beschwerdefall nicht in Betracht) liegt Eigenverbrauch vor, wenn ein Unternehmer im Inland Gegenstände, die seinem Unternehmen dienen, für Zwecke verwendet oder verwenden läßt, die außerhalb des Unternehmens liegen.

Die Beschwerdeführerin macht im wesentlichen geltend, daß die belangte Behörde einerseits nicht ausreichend begründet habe, warum sie im angefochtenen Bescheid die Beschwerdeführerin trotz der von Anfang an, nämlich schon seit 1980, vorhandenen Verluste bis Ende 1988 als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes behandelt und daß die belangte Behörde andererseits zu Unrecht angenommen habe, beim Übergang einer unternehmerischen Tätigkeit auf Liebhaberei liege Eigenverbrauch im Sinne des Umsatzsteuergesetzes vor.

Mit beiden Argumenten ist die Beschwerdeführerin im Recht. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, daß der angefochtene Bescheid keine ausreichende Begründung dafür enthält, warum die belangte Behörde gerade per Ende des Jahres 1988 und nicht schon für frühere Jahre die Unternehmereigenschaft der Beschwerdeführerin verneint hat. Die weitwendigen Ausführungen der belangten Behörde auf den Seiten 3 bis 8 der Gegenschrift vermögen die fehlende Begründung im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3 Seite 533 vorletzter Absatz referierte hg. Judikatur).

Dazu kommt, daß der belangten Behörde selbst dann nicht zu folgen wäre, wenn man von der Richtigkeit ihrer Annahme ausginge, die Beschwerdeführerin sei ab dem Ende des Jahres 1988 nicht mehr als Unternehmerin anzusehen. Für die Streitjahre 1987 und 1988 wäre dann nämlich jedenfalls noch die Unternehmereigenschaft der Beschwerdeführerin mit allen sich daraus umsatzsteuerrechtlich ergebenden Konsequenzen anzunehmen gewesen und hätte daraus folgend die Tätigkeit der Beschwerdeführerin auch im Streitjahr 1988 (um das es bei der von der belangten Behörde vorgenommenen Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides geht) noch keinesfalls als Liebhaberei qualifiziert werden dürfen.

Schließlich ist es seit der Einfügung der Z. 2 in § 2 Abs. 5 UStG 1972 durch die Novelle BGBl. Nr. 587/1983 auch unrichtig, den Übergang einer unternehmerischen Tätigkeit auf Liebhaberei dem Eigenverbrauchstatbestand zu unterstellen. Seit der zitierten Novelle ist nämlich klargestellt, daß im Fall der sogenannten Liebhaberei die betreffende Person nicht mehr Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ist (vgl. dazu insbesondere das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 1987, Zl. 86/15/0105, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Ist aber jemand kein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, so kommt (zum Unterschied von der Rechtslage vor der Novelle 1983; vgl. Dorazil-Frühwald-Hock-Mayer-Paukowitsch, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1972 Anm. 23 zu § 2 UStG, 12 Lieferung, Seite 36/1 vorletzter und letzter Absatz) auch Eigenverbrauch als gemäß § 1 Abs. 1 Z. 2 UStG 1972 steuerbarer Umsatz nicht mehr in Frage, weil auch der steuerbare Vorgang des Eigenverbrauches nach dem ausdrücklichen Hinweis des Gesetzes nur von einem Unternehmer bewirkt werden kann (vgl. dazu Kranich-Siegl-Waba, Mehrwertsteuerhandbuch5 Anm. 11 Abs. 1 zu § 1 UStG; ebenso im Kommentar zur Mehrwertsteuer Rz. 175 zu § 1 sowie Rz 508 zu § 2 UStG).

Aus all diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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