VwGH 90/14/0204

VwGH90/14/020415.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde der N gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 31. Juli 1990, Zl. 30.520-3/90, betreffend Einkommensteuer 1986 und 1987, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §796;
EStG 1972 §29 Z1;
ABGB §796;
EStG 1972 §29 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,--, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eingeantwortete Testamentserbin nach einer Witwe, die für die Streitjahre außer mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (Pensionbezüge von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten) sowie aus Kapitalvermögen auch mit sonstigen Einkünften gemäß § 29 Z. 1 EStG 1972 zur Einkommensteuer veranlagt wurde. Dabei handelte es sich um eine Rente von monatlich S 12.000,-- (wertgesichert) die der Witwe im Jahre 1983 in einem Testament von ihrem im selben Jahr verstorbenen Gatten neben diversen Fruchtgenußrechten an Liegenschaften vermacht worden war. Das Finanzamt betrachtete diese Rente als Versorgungsrente und nicht, wie es die Steuerpflichtige beantragte, als Unterhaltsrente eines gesetzlich Unterhaltsberechtigten. Hingegen ließ die Abgabenbehörde eine weitere Rente von monatlich S 4.000,-- (wertgesichert), die von den Erben des Ehegatten der Witwe als Gegenleistung für deren Verzicht auf verschiedene ihr vermachte Fruchtgenußrechte eingeräumt worden war, in den Streitjahren gemäß § 29 Z. 1 letzter Satz EStG 1972 mangels Erreichung des kapitalisierten Wertes der Rentenverpflichtung steuerfrei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der Witwe ab. Die belangte Behörde folgte der rechtlichen Beurteilung durch das Finanzamt und stellte fest, daß die zwischen der Witwe und den Erben ihres Ehegatten vereinbarte Rentenerhöhung um S 4.000,-- (wertgesichert) eine eigenständige Rente darstelle, die vereinbart worden sei, weil die Witwe nicht auf der Einräumung der ihr vermachten Fruchtgenußrechte an diversen Liegenschaften bestanden habe. Die Behauptung, diese zusätzliche Rente sei unabhängig von dem Fruchtgenußrecht gewährt worden, glaubte die belangte Behörde auf Grund des unmißverständlichen Wortlautes des Erbübereinkommens nicht. Die Witwe sei übergangener gesetzlicher Erbe, die ihr vom Erblasser vermachte Rente stelle daher Ausgleich für den Entzug von Vermögen und nicht Unterhalt dar. Gegenüber den Erben habe die Witwe keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gehabt. In den Unterhaltsanspruch gemäß § 796 ABGB sei nämlich alles einzurechnen, was die Witwe nach dem Erblasser durch vertragliche und letztwillige Zuwendung, als gesetzliches Erbteil, als Pflichtteil, durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistungen erhält, desgleichen eigenes Vermögen der Witwe. Die durch das Vermächtnis eingeräumte Rente und die eingeräumten Fruchtgenußrechte minderten daher einen allfälligen Unterhaltsanspruch, stellten aber selbst nicht gesetzlichen Unterhalt dar. Bei der Rente von monatlich S 12.000,-- (wertgesichert) handle es sich daher um eine Versorgungsrente, nicht um eine Unterhaltsrente auf Grund gesetzlicher Unterhaltsverpflichtung.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht darauf verletzt, daß die Rente nicht in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage der Streitjahre einbezogen werde. Sie behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der außerhalb des Beschwerdepunktes erhobene Vorwurf, über die ausdrücklich gestellten Anträge in der Berufung, die Verspätungszuschläge für die beiden Streitjahre aufzuheben, sei neuerdings nicht abgesprochen worden, verfehlt nicht nur den Gegenstand einer Bescheidbeschwerde, sondern ist auch aktenwidrig. Bereits das Finanzamt hatte nämlich mit seinen Berufungsvorentscheidungen vom 12. Juli 1989 die Bescheide über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen in Stattgebung der Berufung aufgehoben. Hinsichtlich dieses Teiles der Berufungsvorentscheidungen wurde kein Vorlageantrag eingebracht. Die betreffenden Sachen sind daher bereits durch die Berufungsvorentscheidungen rechtskräftig erledigt. Durch die ersatzlose Aufhebung der Festsetzung von Verspätungszuschlägen hätte die Beschwerdeführerin auch in ihren Rechten nicht verletzt sein können.

Dadurch, daß die Abgabenbehörden den von ihnen als Gegenleistungsrente angesehenen Betrag von monatlich S 4.000,--(wertgesichert) in den Streitjahren der Besteuerung nicht unterzogen haben, wird die Beschwerdeführerin im Rahmen des Beschwerdepunktes nicht in ihren Rechten verletzt. Es erübrigt sich daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob dieser Betrag zutreffend als Gegenleistungsrente behandelt wurde.

Hinsichtlich der Rente von S 12.000,--, die dem Rentenlegat entspricht, und die zu leisten sich die gesetzlichen Erben (Brüder des Erblassers), die infolge der Erklärung des Universaltestamentserben und der auf Grund des Gesetzes (gemäß § 757 Abs. 1 ABGB zu zwei Dritteln des Nachlasses) berufenen Witwe, keine Erbserklärungen abzugeben, voll zum Zuge gekommen waren, in Gemäßheit des § 563 ABGB in einem Erbübereinkommen verpflichtet haben, entspricht der Sachverhalt im wesentlichen jenem, der den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Oktober 1986, 86/14/0031 (ÖStZB 1987, 312), und vom 15. März 1988, 87/14/0194 (ÖStZB 1988, 410), zugrundelag. In diesen Entscheidungen wurde dargelegt, daß bei letztwillig vermachten Renten den Erben die Verpflichtung zur Rentenzahlung aus dem Rechtsgrund der Annahme der Erbschaft und nicht aus dem Gesetz trifft, sodaß nicht von Zuwendungen (Bezügen) an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person im Sinne des § 29 Z. 1 EStG 1972 gesprochen werden könne; Renten, die einem übergangenen gesetzlichen Erben zugedacht wurden, stellten grundsätzlich einen Ausgleich für den Entzug von Vermögen und nicht Unterhalt dar, sie fielen daher nicht unter den Begriff Unterhaltsrente.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich im Beschwerdefall nicht zum Abgehen von dieser Ansicht veranlaßt. Auch die Änderung des § 796 ABGB durch das Eherechts-Änderungsgesetz, BGBl. 1978/280, die gemäß dessen Art. XXIII § 3 Abs. 2 im Hinblick auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu berücksichtigen ist, gebietet keine andere Betrachtung. Der gesetzliche Unterhaltsanspruch gegen den Erben nach dieser Gesetzesstelle ist subsidiär, besteht also nur so weit, als der Unterhalt nicht durch die in § 796 ABGB genannten Anrechnungsposten gedeckt werden kann. Unter die Anrechnungsposten fällt, was der Ehegatte nach dem Erblasser durch vertragliche oder letztwillige Zuwendung, als gesetzlichen Erbteil, als Pflichtteil, durch öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistung erhält; desgleichen eigenes Vermögen des Ehegatten oder Erträgnisse einer von ihm tatsächlich ausgeübten oder einer solchen Erwerbstätigkeit, die von ihm den Umständen nach erwartet werden kann. Zu den Anrechnungsposten gehören daher auch Vermächtnisse an Unterhaltsberechtigte, also auch Rentenlegate (vgl. Welser in Rummel, Kommentar zum ABGB, I. Band, 2. Auflage, Rz 11 zu § 796). Die Übernahme und Erfüllung des Rentenlegates durch einen Erben kann schon deshalb nicht die Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gemäß § 796 ABGB sein.

An dieser Beurteilung ändert der Umstand nichts, daß der Erblasser im letzten Willen dem Universalerben die Auflage erteilt hatte, für die Witwe bis zu deren Lebensende mindestens genauso zu sorgen, wie der Erblasser für sie gesorgt hat und ihr in gesunden und kranken Tagen beizustehen.

Da die bei aufrechter Ehe bestehende Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehepartner durch den Tod erlischt, ist die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin unrichtig, die Unterhaltspflicht des Erblassers gegenüber seiner Ehegattin sei auf die Erben übergegangen. Die Unterhaltsschuld des Erben gemäß § 796 ABGB ist nämlich nicht jene des Erblassers (vgl. Welser in Rummel, Kommentar zum ABGB, I. Band, 2. Auflage, Rz 2 zu § 796). Es handelt sich daher bei dem Rentenlegat nicht um eine gesetzliche Unterhaltspflicht, die auf den Erben übergegangen ist.

Das Beschwerdevorbringen, die Rente hätte, wenn sie nicht Unterhaltsrente sei, zur Gänze (also auch hinsichtlich des strittigen Betrages von monatlich S 12.000,--) als Gegenleistungsrente angesetzt werden müssen, verstößt gegen das Neuerungsverbot des § 41 VwGG und ist daher unbeachtlich. Ob eine Gegenleistungsrente vorliegt oder nicht, hängt von Tatsachen, nämlich davon ab, ob sie ein echtes Äquivalent für das übertragene Wirtschaftsgut darstellt (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch,

2. Auflage, Tz 41 zu § 18). Es handelt sich daher um eine Frage, die vorerst auf der Sachverhaltsebene zu lösen ist. Renten, die aus Anlaß der Ausschlagung einer Erbschaft oder aus Anlaß eines Erbverzichtes ausbedungen werden, haben nur in Ausnahmefällen den Charakter von Gegenleistungsrenten im Sinne des § 29 Z. 1 letzter Satz EStG 1972 (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch,

2. Auflage, Tz 11 zu § 29). Die belangte Behörde hat keinen Sachverhalt festgestellt, aus dem sich entnehmen ließe, daß die strittige Rente echtes Äquivalent für ein übertragenes Wirtschaftsgut darstelle. Im Abgabenverfahren wurde nichts vorgebracht und ist nichts zutage getreten, was die belangte Behörde zur Feststellung eines solchen Sachverhaltes oder zu Nachforschungen darüber hätte veranlassen müssen, ob die der Witwe von den gesetzlichen Erben (Brüdern des Erblassers) in Höhe des Rentenlegates im Erbübereinkommen zugesagte Rente ein echtes Äquivalent dafür darstelle, daß die Witwe - nachdem der Testamentserbe keine Erbserklärung abgegeben hatte - von ihrer Berufung als Erbin kraft Gesetzes keinen Gebrauch gemacht hat. Dergleichen hat weder die Beschwerdeführerin noch ihre Rechtsvorgängerin im Abgabenverfahren behauptet. In der Berufung (Seite 5) wurde sogar ausdrücklich vorgebracht, daß in der im Übereinkommen zum Ausdruck gekommenen Willenserklärung keine Disposition über ein Wirtschaftsgut gesehen werden könne. In den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen wurde ausschließlich die Rente von monatlich S 4.000,-- als Gegenleistungsrente ausgewiesen. Es war daher nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde die monatliche Rente von

S 12.000,-- (wertgesichert) nicht als Gegenleistungsrente behandelte.

Eine Verletzung von Verfahrensvorschriften erblickt die Beschwerdeführerin zu Unrecht darin, daß von der belangten Behörde keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, zeitgerecht einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt zu haben. Ihr stand daher kein subjektives Recht auf Durchführung einer Verhandlung zu. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht entnehmbar, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt nur in einer von Amts wegen anberaumten mündlichen Verhandlung hätte aufgeklärt werden können oder die Beschwerdeführerin nur in einer solchen, nicht aber schriftlich, der Behörde die entscheidungswesentlichen Tatsachen oder Beweise zur Kenntnis hätte bringen können. Die Beschwerdeführerin zeigt aber auch keine außerhalb des Neuerungsverbotes gelegenen entscheidungswesentlichen Sachverhaltsmomente auf, die die belangte Behörde zu ermitteln und festzustellen unterlassen habe.

Die Beschwerdeführerin hat also auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel dargetan, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderem Bescheid hätte gelangen können.

Die Beschwerdeführerin wird durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes in ihren Rechten daher nicht verletzt, was zur Abweisung der Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG führen mußte.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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