VwGH 90/14/0093

VwGH90/14/00937.9.1990

N gegen Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 19. März 1990, Zl. 19-2/90, betreffend Einkommensteuer 1988:

Normen

ASVG §341;
EStG 1972 §20 Abs1 Z4;
EStG 1972 §29 Z1;
ASVG §341;
EStG 1972 §20 Abs1 Z4;
EStG 1972 §29 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war praktischer Arzt. Er befindet sich seit Dezember 1984 in Ruhestand. Im Streitjahr bezog er u.a. eine Treueprämie von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse. Zur Leistung einer solchen Treueprämie an Ärzte, die aus dem Vertragsverhältnis zur Gebietskrankenkasse ausschieden oder ausgeschieden sind, hatte sich der erwähnte Sozialversicherungsträger in einer Vereinbarung mit der Ärztekammer verpflichtet, die am 1. Jänner 1982 in Kraft getreten war. Nach § 6 dieser Vereinbarung wird die Treueprämie auf Antrag der Ärztekammer gewährt. Sie gebührt jährlich. Der Anspruch auf Treueprämie erlischt u.a. mit dem Tod des Arztes oder mit dem Außerkrafttreten der Vereinbarung. Diese kann durch Kündigung (§ 9 der Vereinbarung) oder Erlöschen gleichzeitig mit dem Außerkrafttreten des Gesamtvertrages gemäß § 341 ASVG (§ 10 der Vereinbarung) eintreten.

Der Beschwerdeführer erklärte im Streitjahr neben Einkünften aus anderen Einkunftsarten die Treueprämie unter der Einkunftsart sonstige Einkünfte, wobei er Steuerfreiheit der Treueprämie gemäß § 29 Z. 1 zweiter Satz EStG 1972 behauptete, weil die Bezüge von der Gebietskrankenkasse freiwillig gewährt würden, weshalb sie dem Beschwerdeführer nicht zuzurechnen seien.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid verneinte die belangte Behörde im Instanzenzug die Freiwilligkeit mit folgender Begründung:

"Es ist davon auszugehen, daß Krankenkassen im Sinne der Sparsamkeit nicht Prämien ausschütten, für die eine sachliche Rechtfertigung nicht gegeben ist, durch die Empfänger also ohne Gegenleistung bereichert würden. Tatsächlich sind in der Vereinbarung mit der Ärztekammer mehrere Punkte enthalten, die Gegenleistungen der Ärzte darstellen, ohne deren Vorliegen eine Treueprämie nicht zur Auszahlung gelangt. So wird im § 2 der Vereinbarung unter Punkt 7 ein Mindestumfang der kassenärztlichen Tätigkeit innerhalb der letzten fünf, dem Vertragsende unmittelbar vorangegangenen Kalenderjahre z.B. für praktische Ärzte von durchschnittlich 400 Fällen pro Quartal vorausgesetzt. Im § 5 der Vereinbarung werden jene Vertragsärzte von der Gewährung der Treueprämie ausgeschlossen, gegen die mehr als einmal im Schlichtungsausschuß eine Vorentscheidung getroffen wurde, bzw. bei denen in einem Verfahren gemäß §§ 344 ff ASVG ein Verstoß gegen den Einzelvertrag festgestellt wurde.

Zweifellos stellt die Erfüllung dieser Bedingungen für die Krankenkasse einen bestimmten Wert dar; einen Wert, der sich naturgemäß nur sehr schwer beziffern läßt. Durch die Bindung der Gewährung der Treueprämie an ein bestimmtes Verhalten des Arztes läßt sich jedoch der Charakter einer Gegenleistung der Treueprämie für dieses Verhalten erkennen. Aus dieser Tatsache und der Überlegung, daß es nicht Aufgabe der Krankenkassen ist, Ärzten Zuwendungen ohne Gegenleistung zukommen zu lassen, stellt sich die Vereinbarung der Ärztekammer für Vorarlberg und der Vorarlberger Gebietskrankenkasse als auf rein wirtschaftlicher Basis abgeschlossen dar."

Von freiwilligen Zuwendungen könne dann nicht gesprochen werden, wenn die Zuwendungen auf rein wirtschaftlicher Basis erbracht würden, ihnen sohin eine gleichwertige Leistung des Empfängers der Zuwendung entspreche. Je deutlicher wirtschaftliche Überlegungen und Ziele, gerichtet auf Leistungsaustausch, Erbringung einer Gegenleistung und Abgeltung vermögenswerter Ansprüche die Rentenvereinbarung beherrschten, desto mehr müsse die Wirksamkeit des Abzugsverbotes des § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 zurücktreten.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem Recht verletzt, daß ihm die Treueprämie als freiwillig gewährt gemäß § 29 Z. 1 zweiter Satz EStG 1972 nicht zugerechnet werde. Er behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und begehrt deshalb - wie sich aus dem Beschwerdeantrag erschließen läßt - Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Den Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führt der Beschwerdeführer nicht aus. Nach der Aktenlage ist auch keine Verletzung von Verfahrensvorschriften erkennbar.

Die Richtigkeit der Einordnung der Treueprämie unter die sonstigen Einkünfte gemäß § 29 Abs. 1 Z. 1 erster Satz EStG 1972 stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage. Der in seiner Prüfungstätigkeit gemäß § 41 VwGG auf den Beschwerdepunkt beschränkte Verwaltungsgerichtshof hat daher nicht zu untersuchen, ob die Treueprämie von der belangten Behörde auf Grund des Vorranges der sechs ersten Einkunftsarten, gemäß § 32 Z. 2 EStG 1972 den Einkünften gemäß § 2 Abs. 3 Z. 2 EStG 1972 zuzuordnen gewesen wäre. Auf die betreffenden Ausführungen in der Gegenschrift ist daher nicht einzugehen.

Mit seiner Eventualbegründung, es handle sich bei der Treueprämie um ähnliche Einkünfte wie besondere Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung in der Pensionsversicherung bzw. Höherversicherungspensionen gemäß § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. a EStG 1988 ist der Beschwerdeführer vorerst darauf zu verweisen, daß das EStG 1988 gemäß § 125 Z. 1 im Beschwerdefall keien Anwendung findet. Daß die Treueprämie kein Steigerungsbetrag aus der Höherversicherung in der Pensionsversicherung bzw. keine Höherversicherungspension im Sinne des 25 Abs. 1 Z. 3 zweiter Satz EStG 1972 in der Fassung BGBl. 1987/312 ist, bedarf keiner weiteren Erklärung. Analogie zu dieser Regelung scheidet aber schon deshalb von vornherein aus, weil den Beitragsleistungen zur freiwilligen Höherversicherung vergleichbare Geldleistungen aus bereits versteuertem Einkommen nicht Voraussetzung für den Anspruch auf Treueprämie auf Grund der oben erwähnten Vereinbarung zwischen der Gebietskrankenkasse und der Ärztekammer sind (vgl. zur Geschichte und Bedeutung des § 25 Abs. 1 Z. 3 zweiter Satz EStG 1972 die Ausführungen in Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, III B, Tz 8 zu § 25 EStG 1972).

Diese Vorschrift ist im Zusammenhalt mit § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 zu sehen. Zuwendungen, die beim Geber nicht abzugsfähig sind, sollen beim Empfänger nicht versteuert werden. Für die Beurteilung gelten daher dieselben Gesichtspunkte wie für die freiwilligen Zuwendungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972

(Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, 2. Aufl., Tz 12 zu § 29). Danach sind freiwillige Zuwendungen Leistungen an andere als gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen, die entweder ohne wirtschaftliche Gegenleistung des Empfängers oder ohne zwingende rechtliche Verpflichtung des Leistenden erbracht werden. Rechtliche Erzwingbarkeit nimmt einer Zuwendung das Merkmal der Freiwilligkeit, es sei denn, daß sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken zur Zuwendung verpflichtet hat. Von einer freiwilligen Zuwendung kann dann nicht gesprochen werden, wenn diese auf rein wirtschaftlicher Basis erbracht wird, der Zuwendung also eine gleichwertige Leistung des Empfängers der Zuwendung entspricht. Derartige, auf wirtschaftlicher Basis erbrachte Zuwendungen trifft das Abzugsverbot des § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 nicht, sie sind daher beim Leistenden je nach der Art der Zuwendung als Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben abzugsfähig (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, 2. Aufl., Tz 28 und Tz. 34 zu § 20).

Soweit der Beschwerdeführer die Begründung des angefochtenen Bescheides dadurch zu entkräften sucht, daß die Gebietskrankenkasse nicht durch eine rechtliche Verpflichtung gehalten gewesen sei, die Vereinbarung abzuschließen, so gehen die Beschwerdeausführungen ins Leere. Eine solche rechtliche Verpflichtung hat die belangte Behörde nämlich nicht angenommen. Sie ist bei ihren Erwägungen ausdrücklich mit dem Beschwerdeführer davon ausgegangen, daß keine zwingende rechtliche Verpflichtung für den Sozialversicherungsträger bestand, in einer Vereinbarung mit der Ärztekammer die Gewährung einer Treueprämie an ehemalige Vertragsärzte zu übernehmen.

Die belangte Behörde hat die Freiwilligkeit daher nur aus dem zweiten oben bereits dargestellten rechtlichen Gesichtspunkt verneint, daß die Zuwendung auf rein wirtschaftlicher Basis erbracht werde. Gegen die Begründung dieser Meinung führt der Beschwerdeführer nichts ins Treffen. Er unterstreicht die Argumentation der Behörde nur noch durch seine Ausführungen, von ihm seien während seiner Vertragszeit zur Gebietskrankenkasse das Limit übersteigende Leistungen erbracht worden, die zu Ersparnissen des Sozialversicherungsträger geführt hätten und für die er nun gleichsam nachträglich honoriert werden solle.

Gemäß § 341 Abs. 1 ASVG werden die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten durch Gesamtverträge geregelt. Der Inhalt der Gesamtverträge ist gemäß § 341 Abs. 3 ASVG auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt abzuschließenden Einzelvertrages.

Die Krankenversicherung hat die in § 116 ASVG aufgezählten Vorsorgen zu treffen und die in § 117 ASVG genannten Leistungen zu gewähren. Soweit im Zusammenhang damit Arzthilfe erforderlich ist, kann der Anspruchsberechtigte die Vertragspartner (§ 338) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers in Anspruch nehmen; tut er dies nicht, so gebührt ihm ein dem § 131 ASVG entsprechender Kostenersatz. Letzteres gilt gemäß § 131a ASVG auch für den Fall des Fehlens einer Regelung durch Verträge im Sinne des § 338 ASVG. Es zählt daher zu den Aufgaben der Träger der Sozialversicherung (des Hauptverbandes) dafür zu sorgen, daß Vertragspartner zur Verfügung stehen und daß zu diesem Zweck nach Möglichkeit Gesamtverträge herbeigeführt und aufrecht erhalten werden. Leistungen des Trägers der sozialen Krankenversicherung, die diesem Zweck dienen und denen als Gegenleistung die Vertragserfüllung der Mitglieder der Ärzteschaft im Rahmen der Einzelverträge gegenüberstehen, sind Aufwendungen auf rein wirtschaftlicher Basis, weil ihnen ein Austausch zwischen etwa gleichwertigen Leistungen zu Grunde liegt; sie sind daher jedenfalls keine freiwilligen Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 4 erster Halbsatz, erster Fall, EStG 1972.

Die gegenständliche Vereinbarung zwischen Gebietskrankenkasse und Ärztekammer knüpft hinsichtlich ihres zeitlichen Geltungsbereiches an den Gesamtvertrag gemäß § 341 ASVG an; sie ist solcherart mit dem Gesamtvertrag junktimiert. Ihr erkennbares Ziel ist es, treue ehemalige Vertragsärzte für deren Tätigkeit weiter zu entschädigen und zwar, wie der Beschwerdeführer selbst ausführt, für Leistungen, die sie während ihres Aktivstandes nicht entsprechend entlohnt erhielten. Die Treueprämie stellt sich daher als (weitere) Gegenleistung für Leistungen der Ärzteschaft im Rahmen des Gesamtvertrages dar und hat dessen Aufrechterhaltung zumindest gefördert. Es fehlen daher die Voraussetzungen für den Ausschluß von der Steuerabzugsfähigkeit aus dem Grunde freiwilliger Zuwendung.

Die Prämie wäre beim Sozialversicherungsträger daher nicht gemäß § 20 Abs. 1 Z. 4 EStG 1972 vom Abzug als Betriebsausgaben ausgeschlossen. Da allein die Reichweite des Begriffes der freiwilligen Zuwendung zu ermitteln ist, ist es im gegebenen Zusammenhang bedeutungslos, ob der Aufwendende der Einkommensteuerpflicht (Körperschaftsteuerpflicht) unterliegt oder nicht.

Die Freiwilligkeit wurde von der belangten Behörde daher zu Recht verneint.

Da der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des Beschwerdepunktes nicht in seinen Rechten verletzt wird, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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