VwGH 90/14/0092

VwGH90/14/009225.1.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. Y, Rechtsanwältin in B, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Salzburg (Berufungssenat I) vom 20. Oktober 1988, Zl. 127-GA3BK-DZ/87, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer 1983 bis 1985, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
GSVG 1978 §194 Abs2;
UStG 1972 §10 Abs2 Z8;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
GSVG 1978 §194 Abs2;
UStG 1972 §10 Abs2 Z8;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bezeichnet sich als Werbegraphiker und erklärte die aus seiner Tätigkeit erzielten Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit.

Im Zuge einer die Jahre 1983 bis 1985 umfassenden Prüfung der Aufzeichnungen gemäß § 151 BA0 stellte der Prüfer fest, der Beschwerdeführer habe im Jahre 1983 die Tätigkeit als Graphiker begonnen. Eine künstlerische Vor- oder Ausbildung bestehe nicht, der Beschwerdeführer habe die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse bzw. Fertigkeiten aber als Autodidakt erworben. Im Prüfungszeitraum erstreckten sich die Tätigkeiten ausschließlich auf das Gebiet der Werbe- und Gebrauchsgraphik (Werbeinserate, -plakate, -kataloge, -prospekte, Verpackungsgestaltungen, Flugblätter, Neujahrskarten u.ä.). Bei den Erzeugnissen sei der Werbeerfolg wesentlich. Das Ziel, Kunstwerke zu schaffen, trete in der Regel hinter den wirtschaftlichen Zweck zurück. Die Herstellung von typischen Arbeiten der Werbe- und Gebrauchsgraphik sei nicht als künstlerische, sondern als gewerbliche Tätigkeit anzusehen. Die Gewinne aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers führten somit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb und unterlägen der Gewerbesteuer.

Gegen die Bescheide, mit denen sich das Finanzamt der Auffassung des Betriebsprüfers anschloß, erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er wandte sich gegen die Qualifizierung seiner Tätigkeit als gewerblich. Er übe eine künstlerische Tätigkeit aus. Zur Feststellung des künstlerischen Wertes seiner Arbeiten sollten diese einer Sachverständigenkommission vorgelegt werden.

Die belangte Behörde forderte den Beschwerdeführer auf, ihr Arbeiten aus den Streitjahren vorzulegen, welche sie an die Sachverständigenkommission beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport zur Begutachtung weiterleiten würde. Daraufhin teilte der Beschwerdeführer mit, er habe seine Arbeiten eigenhändig zum Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport gebracht, dadurch sei jedenfalls eine Beschädigung der Arbeiten im Transportweg ausgeschlossen worden.

Mit Eingabe vom 27. Juni 1988 gab der Beschwerdeführer der belangten Behörde bekannt, die Sachverständigenkommission habe mit Gutachten vom 17. Mai 1988 die künstlerische Qualität der Arbeiten positiv beurteilt, das Gutachten aber ausschließlich in bezug auf § 194 GSVG erstattet. Der Beschwerdeführer ersuchte, seine Arbeiten im Wege einer mündlichen Verhandlung selbst der belangten Behörde vorstellen zu können. Der Beschwerdeführer legte das gemäß § 194 Abs. 2 GSVG erstattete Gutachten des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Sport vom 17. Mai 1988 vor, in welchem ausgeführt wird:

"Der Kommission gemäß § 194 GSVG wurden Beweismittel in ihrer Sitzung am 12. Mai 1988 vorgelegt und geprüft.

Der Antragsteller beweist mit seinen vorgelegten Arbeiten, daß er die an ihn gestellten Aufgaben künstlerisch bewältigen kann. Die gebrauchsgraphischen Skizzen und Entwürfe zeigen ein künstlerisches Einfühlungsvermögen, sind in Form, Farbe und geistigem Inhalt künstlerisch zu bewerten.

Bei der anschließenden Abstimmung hat die Kommission die Frage, ob eine freiberufliche Tätigkeit als bildender Künstler gegeben ist, einstimmig bejaht."

In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, er habe sich zwar bemüht, von der Kommission beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport ein Gutachten auch hinsichtlich der steuerlichen Einordnung seiner Tätigkeit zu erlangen, er habe aber ein derartiges Gutachten nicht erhalten. Der Beschwerdeführer legte eine Aufstellung der einzelnen, in den Berufungsjahren von ihm erzielten Einnahmen sowie 20 Stück der zu diesen Einnahmen führenden Werke (hauptsächlich Werbeplakate und Kataloge) vor.

Die belangte Behörde wies mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung die Berufung als unbegründet ab. Die Tätigkeit eines Graphikers sei eine künstlerische, wenn die hergestellten Arbeiten in ihrer überwiegenden Mehrzahl als graphische Kunstwerke anzusehen seien; sie sei hingegen als Kunstgewerbe zu qualifizieren, wenn mit den Mitteln der Schauraumgestaltung, der Fotomechanik, einfacher Ornamentik, Schriftenmalerei und dergleichen das Niveau einer erlernbaren Technik nicht überschritten werde. Zu den einzelnen vorgelegten Arbeiten sei festzustellen:

Die Plakate für Getränkewerbung enthielten jeweils einfache Darstellungen, wie z.B. ein Flasche, ein Glas, ein Männergesicht und eine Werbeaufschrift. Die Plakate und Kataloge für Kleidungsstücke enthielten jeweils einfache Darstellungen dieser Kleidungsstücke neben einer Werbeaufschrift. Ein Plakat für Kosmetikartikel weise neben der Werbeaufschrift die Zeichnung eines Frauengesichtes auf.

Der Berufungssenat komme auf Grund der vorgelegten Arbeiten zur Auffassung, daß sich der Beschwerdeführer zum weitaus überwiegenden Teil auf die Erstellung von Entwürfen gewöhnlicher Werbeplakate, Werbeprospekte und Werbekataloge beschränke und sich bei diesen werbegraphischen Entwürfen durchwegs einfacher Ausdrucksmittel bediene, sodaß die Arbeiten nicht als künstlerisch anzusehen seien. Die Tätigkeit des Berufungswerbers sei als erlernbar zu beurteilen. Das lediglich an die Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft gerichtete und damit offensichtlich auch nur auf deren Anforderungen bedachtnehmende Gutachten der beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport eingerichteten Kommission lasse die erforderliche Schlüssigkeit vermissen. Der Berufungssenat habe dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung entsprechend diesem Gutachten die Beweiskraft abgesprochen und die vorgelegten Arbeitsproben nicht als künstlerische Werke beurteilt. Der Entwurf gewöhnlicher Werbeprospekte, Werbeplakate und Werbekataloge sei im allgemeinen nicht als künstlerisch anzusehen.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof mit Beschluß vom 27. Februar 1990, B 277/89-8, abgelehnt. Mit Beschluß vom 26. April 1990, B 277/89-10, wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Vor dem Verwaltungsgerichtshof werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtveranlagung zur Gewerbesteuer und Qualifizierung seiner Einkünfte als solche aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Z 1 EStG 1972 verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Maßgebend für die Beurteilung, ob die in der Herstellung eines Gegenstandes bestehende Tätigkeit eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 22 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1972 ist, ist ausschließlich die Art und Weise der Gestaltung des Gegenstandes. Erfolgt diese nach Gestaltungsprinzipien, die für ein umfassendes Kunstfach - z.B. Malerei, Architektur - charakteristisch sind, oder ist sie auf dieselbe Stufe wie diese zu stellen, weil die Tätigkeit eine vergleichbare weitreichende künstlerische Ausbildung (unter Umständen als Autodidakt) und Begabung erfordert, dann ist eine derart gestaltete Tätigkeit als die eines Künstlers anzusehen. Die Abgrenzung zu dem nicht Kunst, sondern Gewerbebetrieb bildenden Kunsthandwerk muß nach Maßgabe des Überwiegens entweder der eben umrissenen künstlerischen, für die Arbeit etwa eines Malers, Bildhauers oder Architekten in Richtung auf eigenschöpferischen Wert gleichartigen, oder der handwerklichen Komponente entschieden werden, wobei persönliche Note und großes Können allein eine handwerkliche Tätigkeit noch nicht zu einer künstlerischen machen. Die erwähnten Merkmale sind von der Behörde unter Berücksichtigung eines repräsentativen Querschnittes der Arbeiten, die die steuerlich relevante Tätigkeit bilden, zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1993, 91/13/0231).

Werbe- und Gebrauchsgraphiker sind zwar in der Regel kunstgewerblich tätig. Die Eignung eines Gegenstandes zum Gebrauch schließt aber keineswegs aus, daß die in der Herstellung des Gegenstandes bestehende Tätigkeit eine künstlerische ist, d.h. der Gebrauchswert kann einem Objekt nicht die Eigenschaft eines Kunstwerkes nehmen. Das trifft auch für den Bereich der Graphik zu (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, 90/14/0035).

Der belangten Behörde war ein Gutachten (Ausfertigungsdatum 17. Mai 1988, vorgelegt worden, welche das Bundesministerium für Unterricht) Kunst und Sport gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft nach Anhörung der gemäß § 194 Abs. 2 GSVG errichteten Kommission abgegeben hatte. Im Gutachten wird zum Ausdruck gebracht, die vorgelegten Skizzen und Entwürfe des Beschwerdeführers seien als künstlerisch zu bewerten. Die Kommission gemäß § 194 Abs. 2 GSVG habe die Frage, ob eine freiberufliche Tätigkeit als bildender Künstler gegeben sei, einstimmig bejaht.

Gemäß § 3 Abs. 3 Z 4 GSVG sind die freiberuflich tätigen bildenden Künstler, wenn diese Tätigkeit ihren Hauptberuf und die Hauptquelle ihrer Einnahmen bildet, in der Pensionsversicherung pflichtversichert. Ist im Verfahren vor dem Versicherungsträger oder vor den Verwaltungsbehörden über die Versicherungspflicht strittig, ob eine freiberufliche Tätigkeit als bildender Künstler im Sinne des § 3 Abs. 3 Z 4 GSVG gegeben ist, ist gemäß § 194 Abs. 2 leg. cit. ein Gutachten des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst einzuholen. In allen jenen Fällen, in denen keine vom Bundesminister für Unterricht und Kunst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Verwaltung durch Verordnung bezeichnete Kunstschule absolviert wurde, hat das Bundesministerium für Unterricht und Kunst eine Kommission zu hören. Diese Kommission besteht aus einem Vertreter des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst als Vorsitzenden und sechs Mitgliedern von Vereinigungen bildender Künstler.

Beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst besteht neben der nach § 194 Abs. 2 GSVG errichteten Kommission auch eine Sachverständigenkommission zur Beurteilung der künstlerischen Fähigkeiten von Gebrauchsgraphikern (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1990, 90/14/0035). Die Kommission nach § 194 Abs. 2 GSVG hat zu beurteilen, ob eine (freiberufliche) Tätigkeit als bildender Künstler gegeben ist (vgl. §§ 5 und 7 Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 10. Jänner 1980, BGBl 55). Jede der beiden Sachverständigenkommissionen hat sich daher mit der Sachverhaltsfrage zu befassen, ob eine Tätigkeit als Künstler vorliegt.

Da der belangten Behörde ein Gutachten vorgelegt worden war, das die Arbeiten des Beschwerdeführers als künstlerisch bewertete, hatte die belangte Behörde sich inhaltlich mit diesem Gutachten zu befassen. Dabei befand sie das Gutachten als nicht schlüssig, weil die vom Beschwerdeführer ausgeübten Tätigkeiten als erlernbar anzusehen seien, und sich der Beschwerdeführer bei den der belangten Behörde vorgelegten Arbeiten durchwegs einfacher Ausdrucksmittel bedient habe, sodaß die Arbeiten nicht als künstlerisch anzusehen seien.

Die belangte Behörde wird aber vor einer eigenen Schlußfolgerung zu ergründen haben, was die Sachverständigenkommission veranlaßte, die ihr vorgelegten Arbeiten als künstlerisch zu bewerten (vgl. hg. Erkenntnis vom 18. März 1987, 85/13/0089) bzw. ein Gutachten der Sachverständigenkommission zur Beurteilung der künstlerischen Fähigkeiten von Gebrauchsgraphikern einholen müssen. Erachtet sie das Sachverständigengutachten über die Künstlereigenschaft eines Graphikers als mangelhaft bzw. unschlüssig, muß sie deren Ergänzung verlangen oder, wenn dies nicht möglich ist, ein anderes Sachverständigengutachten einholen (vgl. hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1989, 87/13/0095). Dabei wird darauf zu achten sein, daß der Sachverständigenkommission jedenfalls alle jene Arbeiten vorgelegt werden, die im Zuge der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde präsentiert worden sind.

Durch die erwähnte Unterlassung hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Beachtung sie zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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