VwGH 90/13/0106

VwGH90/13/010614.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Schubert, Dr. Drexler, Dr. Pokorny und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Schnizer-Blaschka, über die Beschwerde der K gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat I, vom 8. März 1990, Zl. 6/1-1015/87-01, betreffend Einkommensteuer für 1983 und 1984 und Gewerbesteuer für 1982 bis 1984, zu Recht erkannt:

Normen

AbgÄG 1984;
EStG 1972 §22 Abs1 idF 1984/531;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §22 Abs1;
EStG 1972 §23 Z1;
GewStG §1 Abs1;
GewStG §1;
KrPflG 1961 §26 Abs1 idF 1969/095;
KrPflG 1961 §52 Abs4 idF 1975/426;
VwRallg;
AbgÄG 1984;
EStG 1972 §22 Abs1 idF 1984/531;
EStG 1972 §22 Abs1 Z1 lita;
EStG 1972 §22 Abs1;
EStG 1972 §23 Z1;
GewStG §1 Abs1;
GewStG §1;
KrPflG 1961 §26 Abs1 idF 1969/095;
KrPflG 1961 §52 Abs4 idF 1975/426;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Jänner 1978 erteilte der Magistrat der Stadt Wien der Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 22. März 1961, betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, der medizinisch-technischen Dienste und der Sanitätshilfsdienste, BGBl. Nr. 102 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 426/75, die "Bewilligung zur freiberuflichen Ausübung des physikotherapeutischen Dienstes".

Das Finanzamt beurteilte in den Einkommen- und Gewerbesteuerbescheiden für die Streitjahre die aus der Ausübung des physikotherapeutischen Dienstes erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und führte in dieser im wesentlichen aus, bei der von ihr tatsächlich ausgeübten Tätigkeit handle es sich um heilgymnastischen Unterricht. Sie unterrichte Patienten mit diversen Lähmungen, orthopädischen und/oder neurologischen Funktionsstörungen - welche als Folge von Rückenmarksverletzungen, Schlaganfällen, Unfällen u.dgl. auftreten - nach international anerkannten Therapiemethoden. Die Lerninhalte vermittle sie den Patienten persönlich (ohne Stellvertreter oder Hilfskräfte). Nach Art und Umfang der Ausfallserscheinungen werde unterrichtet:

Der Beschwerdeführerin sei kein Physikotherapeut bekannt, der in gleicher Weise unterrichtend tätig sei. Eine Lehrtätigkeit liege vor, da Fähigkeiten, die durch verschiedene Erkrankungen und dgl. untergegangen bzw. verlorengegangen seien, neu vermittelt, das heiße, unterrichtet würden. Das Umdrehen, das Aufsetzen, der Gebrauch der Extremitäten, das Greifen nach einem Gegenstand, das Übersiedeln in den Rollstuhl, das Neuverwenden und Bedienen von Prothesen stellten höchst komplizierte und komplexe Lerninhalte dar.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin bezüglich der Streitjahre keine Folge. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin könne weder als eine der Berufstätigkeit der Ärzte ähnliche freiberufliche Tätigkeit noch als unterrichtende Tätigkeit angesehen werden. Insbesondere sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unterrichtende Tätigkeit nur anzunehmen, wenn bestimmte Fertigkeiten und/oder Kenntnisse didaktisch aufbereitet und in systemgerechter Weise mit einem bestimmten Lehrziel vermittelt würden, wobei diese Tätigkeit im Vordergrund einer allenfalls darüber hinausgehenden Tätigkeit stehen müsse. Die belangte Behörde wertete die Ausübung des physikotherapeutischen Dienstes durch die Beschwerdeführerin als gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 23 Z. 1 EStG 1972 bzw. des § 1 Abs. 1 GewStG 1953. Erst ab 1985 lägen infolge Neufassung des § 22 Abs. 1 EStG 1972 durch das Abgabenänderungsgesetz 1984, BGBl. Nr. 531 (AbgÄG 1984), Einkünfte aus selbständiger Arbeit (aus freiberuflicher Tätigkeit) vor.

Vorliegende Beschwerde macht sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Aus der Umschreibung des Beschwerdepunktes durch die Beschwerdeführerin geht hervor, daß der angefochtene Bescheid, der auch noch über Abgaben späterer Zeiträume abspricht, nur hinsichtlich der im Spruch dieses Erkenntnisses erwähnten Abgaben in Streit gezogen ist. In den Beschwerdegründen hält die Beschwerdeführerin im wesentlichen ihren schon in der Berufung eingenommenen Standpunkt aufrecht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach seinem Erkenntnis vom 13. November 1985, Zl. 84/13/0077, auf das sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht berief, kann von einer unterrichtenden Tätigkeit nur gesprochen werden, wenn bestimmte Fertigkeiten oder Kenntnisse didaktisch aufbereitet und in systemgerechter Weise mit einem bestimmten Lehrziel vermittelt werden, wobei diese Tätigkeit IM VORDERGRUND einer allenfalls darüber hinausgehenden Tätigkeit stehen muß.

Es mag im Beschwerdefall zutreffen, daß die Beschwerdeführerin den PATIENTEN, von denen in den mit der Beschwerde vorgelegten THERAPIEblättern die Rede ist, bestimmte Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelte. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß diese Vermittlung von Fertigkeiten und Kenntnissen im Sinne einer unterrichtenden Tätigkeit im Vordergrund der von der Beschwerdeführerin entfalteten Tätigkeit stand. Im Vordergrund stand vielmehr, wie es ihrem Beruf entsprach (siehe § 26 Abs. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 102/61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 95/69), die Behandlung (Therapie) der Patienten, bei der der unterrichtenden Tätigkeit nur eine Hilfsfunktion zukam. Bei einer sinnvollen, allgemeinem Erfahrungsgut entsprechenden Betrachtung ging es beim "heilgymnastischen Unterricht" und beim "Unterricht nach international anerkannten Therapiemethoden", wie sie in der Berufung erwähnt werden, nur am Rande darum, den Patienten ein "Lehrziel" zu vermitteln; Ziel war es vielmehr in erster Linie, die Patienten einer wenn auch von ihrer Mitwirkung abhängigen Behandlung (Heilgymnastik, Therapie) zu unterziehen (siehe nochmals § 26 Abs. 1 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 102/61 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 95/69). Zutreffend sprechen daher auch die Therapieblätter von keinem Lehrziel, sondern von einem BEHANDLUNGSZIEL.

Nicht jede im Rahmen einer anderen Tätigkeit - im Rahmen eines bestimmten Berufes - entfaltete unterrichtende Tätigkeit verleiht der anderen Tätigkeit (einem bestimmten Beruf) insgesamt den Charakter einer unterrichtenden Tätigkeit. Der Betriebsberater, der Werbeberater, der Versicherungsberater bleiben im Rahmen ihrer Berufe im Geltungsbereich des Einkommensteuergesetzes 1972 gewerblich tätig, auch wenn sie die von ihnen beratenen Unternehmen über bestimmte Kenntnisse (z.B. über mögliche Betriebsorganisationen) unterrichten, und der Dirigent entfaltet, auch wenn er dem Orchester Kenntnisse und Fertigkeiten für die Interpretation eines Werkes vermittelt, weiterhin eine künstlerische und keine unterrichtende Tätigkeit.

Die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß mit der Aufnahme der Einkünfte aus der Tätigkeit als freiberuflich im medizinischen Dienst im Sinne des § 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 102/61 durch das AbgÄG 1984 in § 22 Abs. 1 EStG 1972 lediglich die bisherige Rechtslage klargestellt worden wäre, läßt sich mit dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 EStG 1972 in der Fassung vor dem AbgÄG 1984 und seinem bisherigen Verständnis in Schrifttum und Rechtsprechung nicht in Einklang bringen. Gegen diese Ansicht sprechen auch die Gesetzesmaterialien, die den (bisherigen) Katalog der freien Berufe als in einigen Bereichen ZU ENG bezeichnen (Vorblatt zu Abschnitt I der Regierungsvorlage des AbgÄG 1984, 420 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XVI. GP) und in denen davon die Rede ist, daß (unter anderem) die im physikotherapeutischen Dienst freiberuflich Tätigen in den Katalog der freien Berufe AUFGENOMMEN werden sollen (Erläuterungen zu Abschnitt I Art. I Z. 13 der Regierungsvorlage), sowie davon, daß der Katalog der freien Berufe ERWEITERT werden soll (Bericht des Finanz- und Budgetausschusses, 433 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, XVI. GP).

Auf Grund der Berufung war die belangte Behörde der Frage gestellt, ob die Beschwerdeführerin im Hinblick auf eine unterrichtende Tätigkeit freiberuflich tätig geworden sei. Es bestand daher für die belangte Behörde kein Anlaß, in Zweifel zu ziehen, daß die Beschwerdeführerin, sollte die unterrichtende Tätigkeit zu verneinen sein, eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne des § 23 Z. 1 EStG 1972 entfaltete. In Anbetracht der eingehenden Schilderung ihrer Tätigkeit, wie sie in der Berufung durch die Beschwerdeführerin selbst erfolgte, erweist sich auch die Verfahrensrüge nicht als berechtigt, die belangte Behörde hätte sich mit der von der Beschwerdeführerin tatsächlich ausgeübten Tätigkeit näher auseinandersetzen bzw. darüber ein Ermittlungsverfahren durchführen müssen. Daß die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin selbst geschilderte Tätigkeit rechtlich zutreffend beurteilte, erweisen die Ausführungen in den vorhergehenden Absätzen dieses Erkenntnisses.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG und die Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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