VwGH 90/13/0081

VwGH90/13/00816.11.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerden

1.) des Dkfm. Dr. H und 2.) der F, beide in P, beide vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der FLD für Wien, NÖ und Bgld zu 1) vom 28. Juli 1989, GZ 6/4-4076/88-03, und 2) vom 28. Juli 1989, GZ 6/4-4147/88-03, jeweils betreffend Einkommensteuer 1986, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §37 Abs4;
KStG 1966 §22 Abs2;
VwRallg;
EStG 1972 §2 Abs2;
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §37 Abs4;
KStG 1966 §22 Abs2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer erzielte im Jahre 1986 neben anderen Einkünften im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen offene Ausschüttungen aus Anteilen an inländischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Höhe von S 1,704.000,--, Verluste aus Beteiligungen als stiller Gesellschafter in Höhe von S 5,271.222,-- sowie andere steuerpflichtige Einnahmen im Gesamtbetrag von S 1,578.664,--.

Auch die Zweitbeschwerdeführerin erzielte im Streitjahr außer Einkünften aus anderen Einkunftsarten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen offene Ausschüttungen aus Anteilen an inländischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Höhe von S 1,704.000,-- sowie offene Ausschüttungen aus inländischen Aktien in Höhe von S 7.750,--, Verluste aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter in Höhe von S 401.947,-- und andere steuerpflichtige Einnahmen in Höhe von S 15.375,--.

In dem an den Erstbeschwerdeführer ergangenen Einkommensteuerbescheid 1986 ließ das Finanzamt bei der Ermittlung der mit dem halben Steuersatz zu besteuernden Einkünfte die offenen Ausschüttungen in Höhe von S 1,704.000,-- unberücksichtigt. Bei Erlassung des an die Zweitbeschwerdeführerin gerichteten Einkommensteuerbescheides für 1986 ermittelte das Finanzamt den dem halben Steuersatz unterliegenden Betrag von Einkünften mit der Summe der positiven und negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen (nach Abzug des Freibetrages von S 7.000,-- im Sinne des § 41 Abs. 3 EStG 1972).

In den Berufungen gegen die Einkommensteuerbescheide 1986 beantragten beide Beschwerdeführer, die offenen Ausschüttungen aus Anteilen an inländischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung in Höhe von jeweils S 1,704.000,-- zur Gänze mit dem halben Steuersatz zu besteuern.

Die belangte Behörde wies die Berufungen ab und vertrat dabei die Auffassung, daß außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 37 Abs. 1 EStG 1972 zunächst mit Verlusten aus der betreffenden Einkunftsart auszugleichen seien. Darüberhinaus seien die außerordentlichen Einkünfte mit einem etwaigen Verlustüberschuß, der sich bei der rechnerischen Zusammenfassung der Einküfte und Verluste ergibt, auszugleichen.

Gegen die Bescheide der belangten Behörde wurden Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof erhoben. Mit Beschlüssen vom 27. Februar 1990, B 1119/89 und B 1120/89, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerden ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof antragsgemäß zur Entscheidung ab. In der Ergänzung der Beschwerden wird inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide geltend gemacht.

Wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges der beiden inhaltlich gleichartigen, vom selben Beschwerdevertreter eingebrachten Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof die Verbindung der beiden Verfahren beschlossen und über die Beschwerden erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1972 ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 bezeichneten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben.

Sind im Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gemäß § 37 Abs. 1 EStG 1972 auf Antrag die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Der ermäßigte Steuersatz beträgt die Hälfte des Prozentsatzes, der sich bei Anwendung des Einkommensteuertarifs (§ 33 EStG 1972) auf das gesamte zu versteuernde Einkommen ergibt. Auf das übrige Einkommen ist der Einkommensteuertarif anzuwenden.

Sind im Einkommen Gewinnanteile auf Grund offener Ausschüttungen nach § 22 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1966 enthalten, so ist die auf diese Einkünfte entfallende Einkommensteuer gemäß § 37 Abs. 4 EStG 1972 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 557, nach Abs. 1 (des § 37 EStG 1972) zu berechnen.

Der im § 2 Abs. 2 EStG 1972 angeordnete Ausgleich der positiven Einkünfte mit Verlusten betrifft Verluste, die sich als Saldo aller positiven und negativen Komponenten innerhalb einer Einkunftsart ergeben. Nur wenn ein solcher Saldo negativ ist, kommt es zu einem Verlustausgleich im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG 1972. Daraus folgt, daß auch der Begriff "Einkünfte" als Saldo aller positiven und negativen Komponenten innerhalb einer Einkunftsart anzusehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1986, Zl. 84/13/0105). Es ist somit ein Verlustausgleich innerhalb derselben Einkunftsart (sogenannter horizontaler Verlustausgleich) vorzunehmen (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, Tz 19 zu § 2).

Wenn im § 37 Abs. 1 EStG 1972 der Begriff "außerordentliche Einkünfte" verwendet wird, so setzt das Vorhandensein außerordentlicher Einkünfte zunächst das Vorhandensein von positiven Einkünften aus jener Einkunftsart voraus, der die "außerordentlichen Einkünfte" zuzurechnen sind.

Außerordentliche Einkünfte können nämlich im Einkommen nur insoweit vorhanden sein, als im Einkommen überhaupt positive Einkünfte der betreffenden Einkunftsart enthalten sind. Nur soweit solche positiven Einkünfte vorhanden sind, kann auch eine als "Einkünfte" bezeichnete Bemessungsgrundlage für die Anwendbarkeit des begünstigten Steuersatzes nach § 37 Abs. 1 EStG 1972 gegeben sein. Die unter die Tarifbegünstigung des § 37 Abs. 1 EStG 1972 fallenden außerordentlichen Einkünfte können nie höher sein, als die insgesamt aus der betreffenden Einkunftsart erzielten Einkünfte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 27. März 1985, Zl. 84/13/0005, und vom 19. März 1986, Zl. 84/13/0105). Im Hinblick auf die im Abs. 4 des § 37 EStG 1972 enthaltene ausdrückliche Verweisung auf Abs. 1 der Gesetzesstelle sind die dargestellten Verlustausgleichsregeln auch im Bereich der den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnenden offenen Ausschüttungen im Sinne des § 22 Abs. 2 KStG 1966 anzuwenden, sodaß beim Erstbeschwerdeführer, bei dem die Einkünfte aus Kapitalvermögen insgesamt einen Verlust ergeben haben, für die Anwendung des halben Steuersatzes in bezug auf die gegenständlichen Ausschüttungen überhaupt kein Raum blieb, und bei der Zweitbeschwerdeführerin als begünstigter Betrag nur die Summe (der Saldo) der Einkünfte aus Kapitalvermögen verblieb.

Dem steht auch nicht entgegen, daß mit § 37 Abs. 4 EStG 1972 in der angeführten Fassung das sogenannte Halbsatzverfahren eingeführt wurde, womit eine wirtschaftliche Doppelbelastung der Unternehmensgewinne von Kapitalgesellschaften beseitigt wurde (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Abgabenänderungsgesetzes 1985, 715 Blg. NR. XVI. GP.). Ergebnis der vertretenen Auffassung, wonach auf den von den Beschwerdeführern an offenen Ausschüttungen ausgewiesenen Betrag der halbe Steuersatz stets anzuwenden wäre, wenn er im Einkommen Deckung finden würde, wäre demgegenüber nicht die Beseitigung einer wirtschaftlichen Doppelbelastung der Unternehmensgewinne von Kapitalgesellschaften; vielmehr würden dadurch tatsächlich Einkünfte aus anderen Quellen begünstigt, die im Einkommen der Beschwerdeführer noch enthalten sind. Einem solchen Ergebnis steht aber die ausdrückliche Bestimmung des (auch für den Beschwerdefall präjudiziellen) letzten Satzes des § 37 Abs. 1 EStG 1972 entgegen, wonach auf das übrige Einkommen der Einkommensteuertarif nach § 33 EStG 1972 anzuwenden ist.

Aus dem Umstand, daß der Gesetzgeber des Abgabenänderungsgesetzes 1985 die Besteuerung der offenen Ausschüttungen im Sinne des § 22 Abs. 2 KStG nicht in einer weiteren Ziffer des § 37 Abs. 2 EStG 1972, sondern in einem gesonderten Absatz geregelt hat, können die Beschwerdeführer im Hinblick auf die schon erwähnte Bezugnahme des § 37 Abs. 4 EStG 1972 auf den Abs. 1 der Gesetzesstelle nichts gewinnen.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer ist die belangte Behörde zu ihrer Rechtsauffassung auch nicht auf Grund einer Gesetzesanalogie gelangt; vielmehr ist wie ausgeführt im Abs. 4 des § 37 EStG 1972 ausdrücklich auf dessen Abs. 1 verwiesen.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte