VwGH 90/13/0070

VwGH90/13/007013.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführes Dr. Cerne, über die Beschwerde der P-Bettfedernfabrik GmbH in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 2. Februar 1990, GZ 6/2-2139/89-07, betreffend Investitionsprämie für das 2. Kalendervierteljahr 1985, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §24 Abs1 Z1;
InvestPrämG §2 Abs3 Z4;
VwRallg;
EStG 1972 §24 Abs1 Z1;
InvestPrämG §2 Abs3 Z4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, damals unter der Firmenbezeichnung V.B. GmbH, schloß am 10. Juni 1985 mit der "Firma

V.B. Bettfedernfabrik", die das Unternehmen der fabriksmäßigen Herstellung von Federprodukten betrieben hatte, einen Kaufvertrag ab. Danach "kaufte" die Beschwerdeführerin zum Stichtag 1. Mai 1985 Aktiva im Werte von S 34,433.774,59 und übernahm Passiva im gleichen Betrag.

Eine berichtigte "Rechnung" über den "Verkauf von Geschäftsanteilen der Firma V.B." vom 30. Oktober 1985 enthielt folgende Aufgliederung:

ANLAGEVERMÖGEN

Baukostenzuschuß 1.140.833,--

Invest. Ablöse 239.544,78

Maschinen 10.719.391,--

Werkzeuge 2.000,--

Betr.- u. Gesch. Ausst. 551.791,--

Fuhrpark 152.000,-- 12.805.559,78

UMLAUFVERMÖGEN

Vorräte 19.804.522,35

Emballagen 120.000,--

Kassa 19.004,08

Raika 5.053,66

Kundenforderungen 1.581.692,85

Forderungen a. Bauer Ges. 42.059,80

Forderungen a. Lieferanten 32.982,07

Familienbeihilfe 15.900,--

Lohnvorschüsse 7.000,-- 21.628.214,81

SUMME AKTIVA 34.433.774,59

PASSIVA:

Rücklage für Beratung 25.000,--

Verbindl. Sparkasse 19.525.835,91

Verbindl. Vienna Commerz 3.053.235,70

Abstattungskredit RAIKA 50.000,--

Verbindl. Lieferanten 7.389.364,53

Div. Verbindlichkeiten 3.090.811,76

Lohn- u. Gehaltsverrechnung 165.034,40

Verbindlichkeit DB 9.447,--

Verbindlichkeit LST 29.045,--

Verbindlichkeit LSST 4.198,--

Verbindlichkeit DZ 630,--

Verbindlichkeit SV 67.897,49

Zahllast Finanzamt 519.882,--

Passive Rechnungsabgrenzung 503.392,80 34.433.774,59

Mit einer Eingabe vom 6. Oktober 1986 machte die Beschwerdeführerin eine Investitionsprämie in Höhe von S 914.725,-- geltend (4 % des Fuhrparks im Wert von S 152.000,--, sowie je 8 % der Betriebs- und Geschäftsausstattung im Wert von S 517.621,-- und der Maschinen im Wert von S 10,840.433,--).

Das Finanzamt erließ nach Durchführung einer Betriebsprüfung einen Feststellungsbescheid, wonach die Investitionsprämie nicht zustehe, weil der Kauf einen "Teilbetriebserwerb" dargestellt habe.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde ausgeführt, die Firma V.B. sei Anfang 1985 zahlungsunfähig gewesen. Zum 30. April 1985 sei eine buchmäßige Überschuldung von rund 10 Millionen Schilling ausgewiesen gewesen. Der wirtschaftliche Zusammenbruch sei nur dadurch aufgehalten worden, daß einer der Hauptgläubiger, die V.C. Handels-GmbH, neben der Finanzierung des Einkaufs und der Abwicklung der Exportgeschäfte auch die Zahlung von Löhnen und Gehältern sowie von Lieferanten übernommen hatte. Nach einem Schuldennachlaß von 5 Millionen Schilling habe die Verbindlichkeit gegenüber V.C. rund 3 Millionen Schilling betragen. Zur Besicherung habe das Warenlager gedient. Die Forderungen der W.N.-Sparkasse hätten rund 35 Millionen Schilling betragen, wobei als Besicherung die Betriebsliegenschaft gedient habe. Eine Verwertung der Sicherheiten hätte vermutlich nur ein Drittel der Verbindlichkeiten abgedeckt. Die beiden Hauptgläubiger hätten sich zu einem gemeinsamen Vorgehen veranlaßt gesehen. Durch die Übernahme der Geschäftsführung sollte eine abgestimmte Vorgangsweise gewährleistet werden. Da die Firma V.B. als nicht funktionsfähiger Betrieb unverkäuflich gewesen sei

- Verkaufsverhandlungen mit in- und ausländischen Mitbewerbern seien fehlgeschlagen -, habe sich die V.C. veranlaßt gesehen, eine Mehrheitsbeteiligung zu übernehmen und hierauf einen neuen Geschäftsführer zu bestellen. Rückwirkend zum 1. Mai 1985 sei sodann der Kauf einzelner Vermögensgegenstände sowie die damit verbundene unvermeidbare Übernahme von Schulden durchgeführt worden. Da die V.C. ihr Pfandrecht am Warenlager realisieren wollte, habe sie sich gezwungen gesehen, auf dem Umweg über die Mehrheitsbeteiligung das dem Pfandrecht zugrunde liegende Warenlager zu erwerben. Der Wert des Warenlagers sei aber weit überhöht gewesen. Daher habe die V.C. auch die für die Verwertung des Warenlagers erforderlichen Maschinen und Ausstattungen sowie das Personal mitübernehmen müssen. Im Kaufvertrag seien die Positionen "Beteiligung H" und "Forderung H." im Gesamtbetrag von 6 Millionen Schilling nicht enthalten gewesen. Diese zurückbehaltene Beteiligung habe die Grundlage für die Sparte "Federnlohnverarbeitung" dargestellt. Da diese Sparte nicht weitergeführt werden konnte, habe die Beschwerdeführerin eine neue Sparte "Bettwaren" aufziehen müssen, um den weiteren Betrieb aufrechtzuerhalten.

In einer Stellungnahme zur Berufung führte die Betriebsprüferin aus, die Einzelfirma V.B. habe die Rohfedern überwiegend von ausländischen Lieferanten erworben. Die Rohwaren seien im eigenen Betrieb sortiert, gereinigt, gewaschen, entfettet und getrocknet worden. Die Bettfedern seien überwiegend im eigenen Betrieb in Polster und Decken gefüllt, der Rest sei an verschiedene inländische Einzelabnehmer abgegeben worden. Mit dem Verkauf des Teilbetriebes seien alle wesentlichen Grundlagen übergeben worden, die für die Fortführung des Betriebes in der bisherigen Art und Weise erforderlich gewesen seien. Es seien das gesamte Anlagevermögen bis auf zwei Personenkraftwagen und bis auf die mit der genannten Beteiligung in Zusammenhang stehenden Forderungen sowie die Passiva im Ausmaß der übernommenen Aktiva übereignet worden. Durch die Übertragung aller für den Fortbestand der Erzeugung notwendigen Betriebsmittel wie Anlagen, Warenlager, Kunden, Lieferanten und Personal sei eine lückenlose Fortsetzung der Produktion durch die Übernehmerin gewährleistet gewesen. Die Beteiligung "H" habe keine wesentliche Grundlage des Unternehmens dargestellt, weil der Rohstoffeinkauf nicht ausschließlich über diese Firma erfolgt sei.

Auf einen entsprechenden Vorhalt der belangten Behörde wurde seitens der Beschwerdeführerin in einer Eingabe vom 5. Dezember 1989 unter anderem ausgeführt, daß das "betriebstypische Gebäude" mit dem "erforderlichen Wasseranschluß" nicht übertagen worden sei. Der Produktionsanlage müsse auch die Beteiligung "H" als für die frühere "Federnlohnverarbeitung" wesentliche Rohstoffquelle zugerechnet werden.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Hinsichtlich der mit dem Stichtag 1. Mai 1985 erworbenen Wirtschaftsgüter vertrat die belangte Behörde die Auffassung, daß für die Beurteilung, ob ein lebender Betrieb (Teilbetrieb) übertragen worden ist oder nicht, die Verhältnisse im Übergabezeitpunkt maßgebend seien. Die Beschwerdeführerin habe nicht einen überschuldeten Betrieb übernommen, sondern lediglich Passiva in Höhe der erworbenen Aktivposten. Der Umstand, daß die Beteiligung "H" nicht erworben wurde, hätte die Fortführung der Betriebstätigkeit "Federnlohnverarbeitung" nicht unmöglich gemacht. Bei einem Produktionsbetrieb seien als wesentliche Grundlagen des Vertriebes lediglich Betriebsgebäude bzw. Mietrechte daran, maschinelle Anlagen und Einrichtungen, nicht aber Rohstoffbezugsquellen und Geschäftsverbindungen mit Kunden anzusehen. Zum Betriebsgebäude und dem erforderlichen Wasseranschluß wurde ausgeführt, daß das Gebäude, in dem die Tätigkeit des Einzelunternehmens V.B. ausgeübt worden war, vor und nach der gegenständlichen Übergabe im Eigentum der Beschwerdeführerin gestanden sei. V.B. habe dieses Gebäude auf Grund eines Mietvertrages mit der Beschwerdeführerin genutzt gehabt. Dieses Gebäude sei auch mit dem für die Betriebstätigkeit erforderlichen Wasseranschluß ausgestattet gewesen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 3 Z. 4 Investitionsprämiengsetz kann eine Investitionsprämie beim Erwerb eines Betriebes, eines Teilbetriebes oder des Anteiles eines Gesellschafters, der als Mitunternehmer des Betriebes anzusehen ist, nicht geltend gemacht werden.

Unter der Veräußerung eines Teilbetriebes ist die Veräußerung eines organisch in sich geschlossenen Teiles eines Gewerbebetriebes zu verstehen, der es auf Grund seiner Geschlossenheit ermöglicht, die gleiche Erwerbstätigkeit ohne weiteres fortzusetzen. Dabei ist es erforderlich, daß zumindest die wesentlichen Grundlagen des Teilbetriebes an den Erwerber veräußert werden (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. März 1991, 87/13/0190, und vom 25. Jänner 1980, 2020/76, 175/80, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Für die Beurteilung der gegenständlichen Streitfrage kommt es also auf die objektive Beschaffenheit des veräußerten Betriebs(teiles) und nicht darauf an, über welche Möglichkeiten der konkrete Erwerber im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Fortführung des Betriebes unabhängig vom gegenständlichen Erwerbsakt verfügt. Er muß durch diesen Erwerb allein auf Grund der Übereignung in den Stand gesetzt werden, die gleiche Erwerbstätigkeit ohne Unterbrechung fortzusetzen, die der Veräußerer ausgeübt hatte. Gleichgültig ist dabei auch, ob der Erwerber von der objektiv vorhandenen Möglichkeit einer Fortführung des Betriebes wirklich Gebrauch macht oder nicht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1988, 87/13/0066).

Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Beschwerdeführerin von V.B. das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen der Erzeugung von Bettfedern gegen Übernahme der im einzelnen bezeichneten Verbindlichkeiten erworben hat. (Das Betriebsgebäude befand sich bereits vor dem Übergabezeitpunkt im Eigentum der Beschwerdeführerin und war bis dahin an den Übergeber vermietet gewesen.) Ausgenommen von der Übernahme war lediglich die Beteiligung an dem Unternehmen "H" sowie eine damit im Zusammenhang stehende Forderung. Bei einem Produktionsunternehmen wie dem der Beschwerdeführerin gehören zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebes Betriebsgebäude (bzw. Rechte an den Betriebsgebäuden), maschinelle Anlagen und Einrichtungen (vgl. Schubert-Pokorny-Schuch-Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch2, S. 556). Demgegenüber ist die Zurückbehaltung der genannten Beteiligung durch den Übergeber für die Entscheidung über die gegenständliche Streitfrage nicht ausschlaggebend. Auch wenn durch diese Beteiligung die Erschließung von Rohstoffquellen erleichtert worden ist, stellt eine solche (in welcher Rechtsform auch immer vorliegende) Beteiligung an einem Lieferanten jedenfalls in einem solchen Fall keine wesentliche Grundlage eines Produktionsbetriebes dar, in dem nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen der Prüferin in der Stellungsnahme vom 11. Mai 1989 verschiedene ausländische Lieferanten in Betracht gekommen sind.

Daß von der Beschwerdeführerin nach dem Übergabszeitpunkt eine neue Sparte mit der Bezeichnung "Bettwaren" aufgebaut worden ist, ist für den Beschwerdefall schon deshalb nicht maßgebend, weil es, wie ausgeführt, allein auf die objektiv vorhandene Möglichkeit der Fortführung des Betriebes ankommt.

Im Hinblick auf den Umfang des von der Beschwerdeführerin als wesentliche Unternehmensgrundlage übernommenen Maschinenparks, der Betriebs- und Geschäftsausstattung und überdies auch des Warenlagers kommt im Beschwerdefall dem Umstand, ob der nicht mit einem bilanzmäßigen Ansatz ausgewiesene Kundenstock von der Beschwerdeführerin übernommen worden ist, ebenfalls keine Bedeutung mehr zu. Daß die belangte Behörde keine Feststellungen über das Fortbestehen der Beziehungen zu Kunden des Unternehmens getroffen hat, konnte daher auf sich beruhen.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, zum Übergabestichtag habe ein konkursreifes Unternehmen bestanden, aus dem kein lebensfähiger Teilbetrieb mehr ausgegliedert werden konnte, ist entgegenzuhalten, daß Gegenstand der Übergabe die wesentlichen Grundlagen eines zur selbständigen Fortführung geeigneten Betriebsteiles gewesen sind, wobei das Entgelt in der Übernahme von Verbindlichkeiten in Höhe des Buchwertes der übernommenen Wirtschaftsgüter des Anlage- und des Umlaufvermögens bestand. Die Frage, ob der Übergeber zahlungsunfähig bzw. sein Vermögen überschuldet war, ist für die Beurteilung, ob ein Teilbetrieb im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 4 IPrG vorliegt, nicht maßgebend. Der Erwerb in einem Insolvenzverfahren steht nicht zur Diskussion.

Da es, wie ausgeführt, für die Frage des Erwerbs eines (Teil-)Betriebes lediglich auf die objektive Beschaffenheit der veräußerten Betriebsteile ankommt, ist auch der Umstand, daß der Veräußerer V.B. nach der Übergabe weiterhin als Einzelunternehmer (offenkundig als Unternehmer eines Handelsbetriebes) tätig gewesen ist, in keiner Weise maßgebend. Ob dieses Einzelunternehmen von V.B. mit wesentlichen oder unwesentlichen Grundlagen des bis zum Übergabszeitpunkt 1. Mai 1985 bestandenen Unternehmens fortgesetzt wurde, ist im Beschwerdefall nicht zu entscheiden, da es hier nur auf die Sicht des Erwerbs durch die Beschwerdeführerin ankommt.

Soweit unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften von der Beschwerdeführerin gerügt wird, die belangte Behörde sei über die Feststellung, daß der Wert des Warenlagers weit überhöht gewesen sei, hinweggegangen, wird mit diesem Vorbringen in Wahrheit die Frage nach der Angemessenheit des Entgelts für die übernommenen Wirtschaftsgüter (= Übernahnme der Verbindlichkeiten) gestellt. Für die Frage nach dem Erwerb der wesentlichen Grundlagen eines Betriebes kommt es aber auf die Angemessenheit des Entgelts nicht an. Bei Feststellungen hierüber hätte die belangte Behörde nicht zu einem anderen Bescheid kommen können.

Schließlich ist nicht ersichtlich, welcher Zusammenhang zwischen der Frage des Erwerbs eines (Teil-)Betriebs und der (im Zusammenhang mit der Übergabe erfolgten) Ablösung des Geschäftsführers durch den Mehrheitsgesellschafter bestehen sollte. Die Rüge, die belangte Behörde habe sich mit den in der Berufungsschrift enthaltenen Ausführungen über die Bestellung des Geschäftsführers nicht beschäftigt, geht daher ins Leere.

Die Beschwerde erweist sich damit in allen Punkten als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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