Normen
BAO §119 Abs1;
BAO §240 Abs3;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §119 Abs1;
BAO §240 Abs3;
BAO §303 Abs1 litb;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin bezog als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Jahr 1984 erhielt sie zwei Nachzahlungen für die Jahre 1977 bis 1981 in Höhe von brutto S 257.760,40 und S 193.126,80, die unter Bezugnahme auf § 67 Abs. 10 EStG wie laufende Bezüge nach dem Lohnsteuertarif besteuert wurden. Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der Nachzahlungen bereits im Ruhestand.
Mit Eingabe vom 20. September 1984 beantragte die Beschwerdeführerin gemäß § 240 BAO die Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer betreffend die beiden Nachzahlungen ohne Angabe näherer Gründe.
Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom 15. November 1984 ab. Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von Arbeitslohn für abgelaufene Kalenderjahre seien nur dann nach § 67 Abs. 8 EStG begünstigt zu besteuern, wenn sie neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber geleistet würden. Diese Voraussetzung treffe bei der Beschwerdeführerin nicht zu, weil zum Zeitpunkt der Nachzahlungen von derselben bezugsauszahlenden Stelle kein laufender Arbeitslohn ausbezahlt worden sei. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1987 stellte die Beschwerdeführerin abermals einen Antrag auf Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer betreffend die oben genannten Nachzahlungen. Begründet wurde dieser Antrag ausschließlich mit den Worten: "Nachzahlung wurde falsch versteuert".
Mit Bescheid vom 6. November 1987 wies das Finanzamt diesen Antrag mit der Begründung ab, in der Sache sei bereits mit Bescheid vom 15. November 1984 rechtskräftig entschieden worden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit folgender Begründung:
"Die seinerzeitige hohe Steuerbelastung ergab sich infolge eines von einer Stelle der öffentlichen Hand (Ü) verspätet ausbezahlten Einkommens. Nach einer oberstgerichtlichen Entscheidung - betreffend einen Parallelfall - wurde diese Steuer zu Unrecht einbehalten. Ich ersuche daher auch mir die zuviel einbehaltene Steuer zurückzubezahlen."
Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1987 (eingelangt beim Finanzamt am 7. Dezember 1988) wurde zusätzlich ein Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 15. November 1984 abgeschlossenen Verfahrens gestellt. Die Beschwerdeführerin habe anläßlich einer Vorsprache bei der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst - Rechtsbüro erfahren, daß die Nachzahlungen auf einem außergerichtlichen Vergleich der Gewerkschaft mit der Republik Österreich beruhten. Dieser Umstand sei der Beschwerdeführerin bisher nicht bekannt gewesen und stelle einen Wiederaufnahmsgrund dar.
Das Finanzamt wies die Berufung gegen den abweisenden Bescheid vom 6. November 1987 mit Berufungsvorentscheidung vom 15. März 1988 ab, begründete dies damit, daß in der Sache bereits eine rechtskräftige Entscheidung (15. November 1984) ergangen sei, und fügte hinzu, "daß ein für die Vorjahre ergehendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes keine neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO bildet".
Mit Rücksicht auf diesen Begründungszusatz erblickte die Beschwerdeführerin in der Berufungsvorentscheidung auch eine Entscheidung über ihren Wiederaufnahmeantrag. Sie beantragte die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte vor, daß über ihre Berufung erst entschieden werden könnte, sobald über ihren Wiederaufnahmeantrag entschieden worden sei. Eine solche Entscheidung sei jedoch zu Unrecht im Wege der Berufungsvorentscheidung erfolgt. Im übrigen habe sie ihren Wiederaufnahmeantrag nicht auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gestützt, sondern darauf, daß ihr der tatsächliche Rechtsgrund für die Nachzahlungen ohne Verschulden erst am 19. November 1987 bekannt geworden sei.
Gesondert zu diesem Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen die "irrtümlich als Berufungsvorentscheidung bezeichnete" Erledigung betreffend ihren Wiederaufnahmeantrag. Die Begründung entsprach jener im Vorlageantrag.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde zunächst über einen Devolutionsantrag gemäß § 311 BAO stattgebend entschieden. Ein solcher Antrag ist den vorgelegten Verwaltungsakten zwar nicht angeschlossen; er wird jedoch von der Beschwerdeführerin ebensowenig bestritten wie die Richtigkeit der diesbezüglich stattgebenden Entscheidung. Damit erübrigt sich eine Prüfung der Frage, ob mit Rücksicht auf Vorlageantrag und gesonderte Berufung, die beide von einer erstinstanzlichen Entscheidung über den Wiederaufnahmeantrag ausgingen, überhaupt ein Devolutionsantrag in Betracht kam. Die Beschwerde richtet sich gegen die ebenfalls mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Geltend gemacht werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 303 Abs. 1 lit.b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten. Weitere Voraussetzung ist, daß die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Gemäß Abs. 2 der zitierten Bestimmung ist der Antrag binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an zu stellen, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat. (Die Wiederaufnahmsgründe des § 303 Abs. 1 lit. a und lit. c BAO kommen im Beschwerdefall unbestritten nicht zum Tragen.)
Die Beschwerdeführerin erblickt eine neu hervorgekommene Tatsache darin, daß sie erst am 19. November 1987 von dem Umstand Kenntnis erlangt habe, daß die Nachzahlungen aufgrund eines Vergleiches erfolgt seien. Da die Kenntnis dieses Umstandes mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 67 Abs. 8 letzter Satz EStG einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte, läge ein Wiederaufnahmsgrund vor.
Die belangte Behörde bestreitet das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes mit dem Argument, die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Tatsachen seien bereits ihrem ursprünglichen Antrag auf Rückzahlung von zu Unrecht entrichteter Lohnsteuer zugrundegelegen.
Nach der Aktenlage trifft dies allerdings nicht zu. Die für die Besteuerung der Nachzahlungen wesentliche Tatsache eines Vergleichsabschlusses wurde seinerzeit weder von der Beschwerdeführerin vorgebracht, noch hat sich das Finanzamt damit auseinandergesetzt. Vielmehr hat das Finanzamt den Antrag mit dem Argument abgewiesen, daß neben den Nachzahlungen kein laufender Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber ausbezahlt worden war, - ein Argument, dem gemäß § 67 Abs. 8 letzter Satz EStG keine Bedeutung beizumessen gewesen wäre, wenn die Nachzahlungen auf gerichtlichem oder außergerichtlichem Vergleich beruhten.
Dessen ungeachtet hat die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen.
Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist u. a. auch, daß die als Wiederaufnahmsgründe bezeichneten neu hervorgekommenen Tatsachen im abgeschlossenen Verfahren OHNE VERSCHULDEN der Partei nicht geltend gemacht wurden. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall nicht erfüllt.
Wenn ein Bezieher von lohnsteuerpflichtigen Einkünften einen Antrag gemäß § 240 Abs. 3 BAO auf Rückzahlung von Lohnsteuer stellt, weil er der Auffassung ist, daß eine für bestimmte Bezugsteile vorgesehene Steuerbegünstigung zu Unrecht nicht berücksichtigt wurde, so hat er der Abgabenbehörde grundsätzlich jene Tatsachen bekanntzugeben, die vorliegen müssen, um die Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbegünstigung zu erfüllen. Setzt somit die Gewährung der Steuerbegünstigung voraus, daß der Bezugsteil unter einem bestimmten Rechtstitel, aufgrund besonderer Verhältnisse oder unter bestimmten Modalitäten ausbezahlt wurde, so hat der Steuerpflichtige das Vorliegen der insoweit maßgebenden Umstände zumindest zu behaupten. Dabei kann es allenfalls auch erforderlich sein, entsprechende Informationen einzuholen. Kommt der Steuerpflichtige dieser Verpflichtung nicht nach, obwohl es ihm unschwer möglich wäre, so kann nicht gesagt werden, daß ihn an der Nichtgeltendmachung von abgabenrechtlich relevanten Tatsachen kein Verschulden trifft.
Ein solches Verschulden ist der Beschwerdeführerin anzulasten. Selbst wenn ihr nicht bekannt gewesen sein sollte, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Lohnnachzahlungen gewährt worden waren, hätte sie leicht jene Umstände in Erfahrung bringen können, die für die Zuerkennung der von ihr im Wege eines Antrages nach § 240 Abs. 3 BAO beanspruchten Steuerbegünstigung maßgebend waren. Für eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens über Antrag der Beschwerdeführerin fehlt es daher an den gesetzlichen Voraussetzungen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbebründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
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