VwGH 90/11/0088

VwGH90/11/008820.11.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Vesely, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 28. Februar 1990, Zl. 512.374/20-2.9/90, betreffend Zurückweisung der Berufung in Angelegenheit Wehrgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

ADV §17;
AVG §33 Abs3;
AVG §6 Abs1;
B-VG Art10 Abs1 Z16;
B-VG Art144 Abs1;
B-VG Art20 Abs1;
B-VG Art80;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §6;
VwGG §24 Abs1;
WehrG 1978 §1 Abs3;
WehrG 1978 §27;
WehrG 1978 §32 idF 1983/577;
WehrG 1978 §32;
WehrG 1978;
ADV §17;
AVG §33 Abs3;
AVG §6 Abs1;
B-VG Art10 Abs1 Z16;
B-VG Art144 Abs1;
B-VG Art20 Abs1;
B-VG Art80;
DVG 1984 §1 Abs1;
DVG 1984 §6;
VwGG §24 Abs1;
WehrG 1978 §1 Abs3;
WehrG 1978 §27;
WehrG 1978 §32 idF 1983/577;
WehrG 1978 §32;
WehrG 1978;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Militärkommandos Wien vom 2. Juni 1989, betreffend Anrechnung von Dienstzeiten für die Bemessung der Dauer der beruflichen Bildung im Wehrdienst als Zeitsoldat, gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 als verspätet zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei der erstinstanzliche Bescheid vom Beschwerdeführer am 20. Juni 1989 persönlich übernommen worden. Dieser habe seine an das Kommando der Heeresversorgungsschule gerichtete Berufung vom 1. Juli 1989 am selben Tag bei der 1. Lehrkompanie der Heeresversorgungsschule eingebracht. Der Schriftsatz sei am 4. Juli 1989 beim Kommando der Heeresversorgungsschule protokolliert und am selben Tag auf dem Dienstwege dem Militärkommando Wien weitergeleitet worden. Dort sei die Berufung am 6. Juli 1989 eingelangt. Die trotz richtiger Rechtsmittelbelehrung bei einer unzuständigen Stelle eingebrachte Berufung sei im Sinne des § 6 AVG 1950 auf Gefahr des Beschwerdeführers weitergeleitet worden und erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist (diese endete mit 4. Juli 1990) bei der zuständigen Stelle eingelangt. § 33 Abs. 3 AVG 1950 sei hier nicht anzuwenden, weil die Weiterleitung nicht durch die Post erfolgt sei. Der Meinung des Beschwerdeführers, die Einbringung bei der Heeresversorgungsschule sei durch § 6 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29, (DVG) gedeckt, hielt die belangte Behörde in der Begründung entgegen, dieses Gesetz finde nach seinem § 1 Abs. 1 ausschließlich auf das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses zum Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden Anwendung. Die Rechtsstellung des Beschwerdeführers sei jedoch jene eines außerordentlichen Präsenzdieners gemäß § 32 des Wehrgesetzes 1978 (wiederverlautbart als Wehrgesetz 1990-WG, BGBl. Nr. 305/1990). Daher sei für ihn § 6 DVG, wonach auch die Tage des Laufes des Dienstweges in den Fristenlauf nicht eingerechnet werden, nicht anzuwenden.

Der Beschwerdeführer meint, das Rechtsverhältnis eines Zeitsoldaten sei begrifflich zweifellos ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, auch wenn der Gesetzgeber es materiell-inhaltlich nicht als solches behandelt wissen wolle, d.h. daß darauf nicht das Gehaltsgesetz 1956 und das BDG 1979, sondern "das WG, das HGG und das HDG" anzuwenden seien. Nichts spreche dafür, das durch hoheitliche Akte gestaltete Rechtsverhältnis des Zeitsoldaten von der Anwendbarkeit des DVG auszunehmen. Jene Gründe, die dazu geführt hätten, für Verwaltungsverfahren, die öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse betreffen, über das AVG 1950 hinausgehende Sonderregelungen zu treffen, lägen zweifellos auch beim öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis des Zeitsoldaten vor.

Da nach § 6 DVG auch die Tage des Laufes des Dienstweges in den Fristenlauf nicht eingerechnet werden und die Berufung des Beschwerdeführers noch innerhalb der Rechtsmittelfrist im Dienstweg an die hiefür zuständige Erstbehörde (§ 63 Abs. 5 erster Satz AVG 1950) weitergeleitet wurde, hängt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides von der Anwendbarkeit des DVG ab. Andernfalls wäre die Berufung zu Recht als verspätet zurückgewiesen worden, weil sie nicht im Wege der Post an die zuständige Behörde weitergeleitet wurde und daher § 33 Abs. 3 AVG 1950, wonach (nur) die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Oktober 1988, Zl. 88/18/0250, und seinen Beschluß vom 26. Mai 1989, Zl. 89/18/0070), nicht zum Tragen kommt.

Der Anwendungsbereich des DVG umfaßt nach seinem § 1 Abs. 1 das Verfahren in Angelegenheiten des öffentlich-rechtlichen Dienst-, Ruhe- oder Versorgungsverhältnisses zum Bund, den Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden. Strittig ist im vorliegenden Fall, ob das Rechtsverhältnis des Zeitsoldaten im Bundesheer als ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis im Sinne dieser Gesetzesstelle anzusehen ist.

Diese Frage ist zu verneinen. Das Wehrrecht der Zweiten Republik unterschied von Anfang an zwischen Wehrpflichtigen, die Präsenzdienst leisten, einerseits und Berufsoffizieren und zeitverpflichteten Soldaten anderseits (§§ 1 und 10 des Wehrgesetzes 1955, BGBl. Nr. 181; § 2 Z. 5 und Abschnitt IVa der 2. Gehaltsüberleitungsgesetznovelle 1955, BGBl. Nr. 182; siehe auch Rauter, Die österreichische Wehrgesetzgebung, 118 f). Nur Angehörige der beiden letztgenannten Personengruppen sind öffentlich-rechtliche Bedienstete (vgl. Rauter, a.a.O., 119). Hingegen sind Wehrpflichtige, die Präsenzdienst leisten, nicht öffentlich-rechtliche Bedienstete; sie gehören im Unterschied zu den vorhin genannten Personengruppen dem Bundesheer nicht aufgrund eines Dienstverhältnisses an (vgl. Pernthaler, Der Rechtsstaat und sein Heer, 176; Ermacora-Kopf-Neisser, Das österreichische Wehrrecht II, 107, 327). Daß es sich beim Rechtsverhältnis der Präsenzdienstleistenden nicht um ein Dienstverhältnis handelt, zeigen im übrigen auch die Bestimmungen des § 1 Abs. 2 des Heeresdisziplinargesetzes 1985 und des Abschnittes II des Heeresgebührengesetzes 1985 über die "Barbezüge" der einen ordentlichen oder einen außerordentlichen Präsenzdienst Leistenden sowie § 39 Abs. 1 Z. 1 dieses Gesetzes, der für Wehrpflichtige, die "in einem Dienstverhältnis zum Bund stehen", wenn sie einen der im § 36 Abs. 1 leg. cit. genannten Präsenzdienste leisten, die Fortzahlung der Dienstbezüge vorsieht.

Durch das Wehrrechtsänderungsgesetz 1983, BGBl. Nr. 577, wurde nun der Wehrdienst als Zeitsoldat als eine neue Art des außerordentlichen Präsenzdienstes für zeitlich begrenzte militärische Dienstleistungen geschaffen (§ 27 Abs. 3 Z. 3 und § 32 des Wehrgesetzes 1978). Diese wehrrechtliche Einrichtung ersetzt unter anderem die bis dahin bestandene dienstrechtliche Einrichtung des zeitverpflichteten Soldaten, die angesichts einzelner Konsequenzen aus ihrem Charakter als öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis für bestimmte Bedürfnisse des militärischen Dienstes als nicht mehr voll angemessen erachtet wurde (Rauter, a.a.O., 147). Die rechtliche Stellung des Zeitsoldaten ist die eines Wehrpflichtigen, der Präsenzdienst leistet (Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Wehrrechtsänderungsgesetz 1983, 51 Blg. NR XVI. GP, 15). Aus dem rechtlichen Charakter des Wehrdienstes als Zeitsoldat als Präsenzdienst folgt, daß durch die Einberufung eines Zeitsoldaten kein Dienstverhältnis zum Bund, und daher auch kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, begründet wird. Da aber § 1 Abs. 1 DVG auf das Bestehen eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses abstellt, finden die Bestimmungen dieses Gesetzes auf Zeitsoldaten keine Anwendung.

Dagegen bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil es dem Gesetzgeber grundsätzlich freisteht, Rechtsverhältnisse von Bundesheerangehörigen, die zwar mehrere Jahre hindurch, aber doch nur für eine von vornherein begrenzte Zeit im Bundesheer Dienst versehen, als Präsenzdienst oder als Dienstverhältnis zum Bund zu gestalten. Macht der Gesetzgeber von der ersteren Möglichkeit Gebrauch - wie seit 1983 bei den Zeitsoldaten -, so folgt daraus für diese Personengruppe notwendig die Unanwendbarkeit des Dienstrechtsverfahrensgesetzes, und zwar zur Gänze.

An diesem Ergebnis vermag die Berufung des Beschwerdeführers auf den "erschließbaren Gesetzessinn" ebensowenig wie sein Hinweis auf Nachteile etwas zu ändern, die sich allenfalls infolge mangelnden Verständnisses der betroffenen Personenkreise für das Bestehen unterschiedlicher Verfahrensbestimmungen ergeben können. Dies gilt in gleicher Weise für das Vorbringen, es würde im Falle der Nichtanwendbarkeit des § 6 DVG auf Präsenzdienstleistende "eine inakzeptable Rechtsunsicherheit herbeigeführt". Auch erfordern weder der "Wille des Gesetzgebers" noch die "Prinzipien eines effektiven Rechtsschutzes" bei Präsenzdienstleistenden die Möglichkeit der fristwahrenden Einbringung von Schriftstücken auch "im Dienstweg". Bei diesem Vorbringen des Beschwerdeführers handelt es sich im Grunde um rechtspolitische Erwägungen, die an der gegebenen Rechtslage nichts zu ändern vermögen.

Für den Beschwerdeführer ist auch mit dem Hinweis auf § 17 ADV, BGBl. Nr. 43/1979, wonach für "dienstliche Mitteilungen" grundsätzlich der Dienstweg einzuhalten ist, nichts zu gewinnen. Zum einen ist die Einbringung eines Rechtsmittels oder die Stellung eines sonstigen Parteiantrages schon begrifflich nicht als "Mitteilung" im Sinne der genannten Verordnungsstelle anzusehen. Zum anderen vermag die Einbringung eines Antrages oder einer Berufung als solche noch nicht, wie der Beschwerdeführer meint, "Auswirkungen auf den Dienstbetrieb" zu zeitigen; diese können allenfalls die Folge einer darüber getroffenen Entscheidung sein. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers muß daher hinsichtlich von Rechtsmitteln von Zeitsoldaten keineswegs "die Einbringung im Dienstweg dem Normzweck entsprechend als verbindlich vorausgesetzt werden".

Der Beschwerdeführer meint, die Zulässigkeit der Einbringung der Berufung bei seiner Dienststelle (Heeresversorgungsschule) ergebe sich auch aus § 6 AVG 1950, "da es hier nicht um die Einbringung völlig außerhalb eines Zuständigkeitsbereiches der Behörde geht, sondern bei einer Stelle, die nicht nur dem Zuständigkeitsbereich der Behörde (des Militärkommandos Wien) zuzuordnen ist, sondern nach Maßgabe der Einbringung im Dienstweg gleichsam als deren verlängerter Arm erscheint". Dazu ist zum einen auf die vorstehenden Ausführungen hinzuweisen, wonach die Einbringung der Berufung des Beschwerdeführers im Dienstwege nicht in Betracht kam. Daher erfolgte die Weiterleitung des weder an die angegebene Behörde gerichteten noch bei ihr eingebrachten Rechtsmittels an diese entsprechend dem § 6 Abs. 1 AVG 1950 auf Gefahr des Beschwerdeführers. Zum anderen ist es für die Frage der Einbringung der Berufung beim Militärkommando Wien als der den Bescheid in erster Instanz erlassenden Behörde (§ 63 Abs. 5 AVG 1950) ohne Belang, ob die Heeresversorgungsschule dem "Zuständigkeitsbereich" des Militärkommandos Wien zuzuordnen ist. Daß die Heeresversorgungsschule eine unselbständige Einheit dieser Behörde wäre, behauptet der Beschwerdeführer selbst nicht. (Laut Gegenschrift der belangten Behörde sei sie "direkt dem Armeekommando unterstellt".)

Das Eventualvorbringen, die Dienststelle des Beschwerdeführers habe von ihm "gleichsam einen Auftrag erhalten" und diesem durch Abfertigung an die zuständige Behörde noch innerhalb der Berufungsfrist entsprochen, sodaß diese gewahrt worden sei, läßt die Regelung des § 33 Abs. 3 AVG 1950 außer acht, die eben nur bei einem der Post erteilten Beförderungsauftrag vorsieht, daß die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden (siehe die bereits erwähnte diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Da sich die Beschwerde als nicht begründet erwiesen hat, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte