VwGH 90/09/0034

VwGH90/09/00344.9.1990

N gegen Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 4. Dezember 1989, DK 7-2/1989, betreffend Einleitung des Disziplinarverfahrens

Normen

BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs1;
PVG 1967 §28 Abs1 idF 1971/284;
PVG 1967 §28 Abs3 idF 1971/284;
PVG 1967 §3 Abs6;
BDG 1979 §123 Abs1;
BDG 1979 §124 Abs1;
PVG 1967 §28 Abs1 idF 1971/284;
PVG 1967 §28 Abs3 idF 1971/284;
PVG 1967 §3 Abs6;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Offizial in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Ihre Dienststelle ist das Arbeitsamt A. Sie ist gewähltes Mitglied des Dienststellenausschusses beim Arbeitsamt A.

Nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens hatte die belangte Behörde auf Grund der gegen die Beschwerdeführerin eingebrachten Disziplinaranzeige am 4. Dezember 1989 beschlossen, gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 123 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), ein Disziplinarverfahren durchzuführen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor; von der ihr eingeräumten Möglichkeit, zur Beschwerde eine Gegenschrift zu erstatten, machte die belangte Behörde keinen Gebrauch.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in dem Recht verletzt, daß gegen sie ein Disziplinarverfahren ohne Vorliegen der Zustimmung des Dienststellenausschusses nicht eingeleitet werde, gemäß § 28 Abs. 1 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes (PVG) durch unrichtige Anwendung dieser Bestimmung verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, im Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides sei unbestrittenermaßen die Zustimmung des Dienststellenausschusses, dem sie angehöre, zu ihrer disziplinären Verfolgung nicht vorgelegen.

Die Beschwerde ist begründet.

Gemäß § 28 Abs. 1 erster Satz des Bundes-Personalvertretungsgesetzes, BGBl. Nr. 133/1967, idF des Bundesgesetzes vom 16. Juli 1971, BGBl. Nr. 284/1971, dürfen die Personalvertreter und die Mitglieder der Wahlausschüsse wegen Äußerungen oder Handlungen nur mit Zustimmung des Ausschusses, dem sie angehören, dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

Der Gesetzgeber will mit dieser Vorschrift die ungestörte Amtsausübung der Personalvertreter (§ 3 Abs. 6 PVG) und der Mitglieder der Wahlausschüsse sicherstellen. Die sachgerechte Erfüllung der Aufgaben dieser Organe der Personalvertretung fordert eine gewisse Unabhängigkeit der Mitglieder gegenüber der Dienstbehörde. Darüber hinaus wird durch diese Schutzbestimmung eine dem Wählerwillen entsprechende Zusammensetzung dieser Organe der Personalvertretung während ihrer Funktionszeit garantiert.

Von der belangten Behörde wird in der Gegenschrift nicht bestritten, daß die Beschwerdeführerin dem durch § 28 Abs. 1 PVG geschützten Personenkreis angehört.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 8. September 1987, Zl. 87/09/0066 und vom 4. September 1989, Zl. 89/09/0080, dargelegt hat, steht außer Zweifel, daß mit den verba legalia "dienstrechtlich zur Verantwortung gezogen werden" auch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemeint ist. Bei Setzung dieses Verfahrensschrittes ist zum Schutze der von § 28 Abs. 1 PVG erfaßten Organe der Personalvertretung das Verfolgungshindernis ihrer funktionellen Immunität zu beachten.

Die Zustimmung des Ausschusses muß VOR Einleitung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Sie ist unter den in Abs. 2 der vorzitierten Bestimmung genannten Voraussetzungen von dem Ausschuß zu erteilen, dem der Betroffene angehört, weil dieser in seiner Zusammensetzung geschützt werden soll.

Das Fehlen dieser vom Gesetz geforderten Tatbestandsvoraussetzung belastet den angefochtenen Bescheid mit einer zur Aufhebung führenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Die Entscheidung selbst konnte gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG im Dreiersenat erfolgen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und öffentlicher Dienst vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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