VwGH 90/08/0149

VwGH90/08/014925.9.1990

A betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der gegen die Bescheide des Landesarbeitsamtes Klagenfurt vom 10. August 1989, Zl. IVa2 7022 B, eingebrachten Beschwerden betreffend Notstandshilfe und Rückforderung von Notstandshilfe

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1 idF 1985/564;
VwGG §46 Abs1;
AVG §13 Abs3;
AVG §71 Abs1 lita;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1 idF 1985/564;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

  1. 1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird abgewiesen.
  2. 2. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 1989 wurde der Verfahrenshelfer des Beschwerdeführers aufgefordert, die Mängel der gegen die vorbezeichneten Verwaltungsakte vom Beschwerdeführer persönlich eingebrachten Beschwerde binnen einer Frist von 6 Wochen zu beheben. Dabei wurde auch verfügt, daß die zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen, gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen sei, wenn zur Ergänzung einer neuer Schriftsatz eingebracht werde.

Innerhalb der gesetzten Frist wurden zwar die der Beschwerde anhaftenden Mängel behoben, die Urbeschwerde bzw. die angefochtenen Bescheide jedoch nicht wieder vorgelegt. Mit Beschluß vom 24. April 1990, Zlen. 89/08/0239, 0240, wurde daraufhin das Verfahren gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt, da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein nur mangelhaft erfüllter Verbesserungsauftrag der Unterlassung der Mängelbehebung gleichzustellen ist.

Dieser Beschluß wurde dem Verfahrenshelfer des Beschwerdeführers nachweislich am 25. Juni 1990 zugestellt.

1.2. Mit Schriftsatz vom 14. August 1990 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wobei im wesentlichen vorgebracht wurde, der beim Vertreter des Beschwerdeführers seit März 1989 tätige Rechtsanwaltsanwärter Dr. P habe die Abfertigung der Verbesserungsschriftsätze nicht mehr gesondert überwacht, sodaß es habe geschehen können, daß die verbesserten Bescheidbeschwerden ohne die angeführten Beilagen an den Verwaltungsgerichtshof abgefertigt worden seien. Ein derartiges Versehen sei in der Kanzlei des Beschwerdevertreters bisher noch nicht vorgekommen. Da die Post ansonsten immer anstandslos abgefertigt werde, sei der Beschwerdevertreter nicht unmittelbar veranlaßt gewesen, die ordnungsgemäße Ergänzung des Schriftsatzes durch Beifügung der am Schriftsatz angeführten Beilagen zu überwachen.

Erst durch den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1990, Zlen. 89/08/0239, 0240, zugestellt am 25. Juni 1990, habe der Vertreter des Beschwerdeführers bzw. richtigerweise nur dessen Rechtsanwaltsanwärter von der unvollständigen Wiedervorlage der verbesserten Beschwerden gegen die Bescheide des Landesarbeitsamtes Klagenfurt erstmals Kenntnis erlangt. Dr. P habe den Akt in Abwesenheit des Beschwerdevertreters nach Postzustellung samt dem genannten Beschluß nach Kenntnisnahme des von ihm gesetzten Fehlers an sich genommen, um sich zu überlegen, was unternommen werden könne. In der Aufregung sei sowohl von ihm als auch von der die Post in Empfang nehmenden Mitarbeiterin des Beschwerdevertreters übersehen worden, eine Frist, insbesondere die 14-tägige Frist zur Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, im Fristenbuch vorzumerken. Durch "nicht mehr rekonstruierbare Umstände", wahrscheinlich wegen Arbeitsüberlastung vor den Gerichtsferien sei der Akt am Schreibtisch des Rechtsanwaltsanwärters Dr. P unter anderen nicht so dringend zu bearbeitenden Akten zu liegen gekommen, möglicherweise seien Akten mit Evidenzvormerken auf dem zur Bearbeitung am Schreibtisch abgelegten Akt daraufgelegt worden. Jedenfalls sei der Akt erst bei der Suche nach einem anderen Akt, der am Schreibtisch von Dr. P zur weiteren Bearbeitung gelegen sei, am 14. August 1990 unerledigt aufgefunden worden. Durch diese "teufliche Verkettung unglücklicher Mißgeschicke", die eigentlich aus nichtigen Anlässen zum Zuge gekommen seien, habe es geschehen können, daß nicht nur die Beischließung der Beilagen bei der Wiedervorlage der Beschwerde unterlassen worden sei, sondern auch die Frist zur Erhebung eines Wiedereinsetzungsantrages nicht eingetragen und dann auch tatsächlich versäumt worden sei. Die Säumnis gehe in allen Fällen nicht auf eine allgemeine Nachlässigkeit bei der Eintragung und Überwachung von Fristen oder bei der Bearbeitung von Akten zurück, sondern habe jeweils ihre Ursache in geradezu nichtigen Fehlern beim Vorgehen der Aktenbearbeitung, die normalerweise für sich allein auf Grund der Dichte der notwendigen Kontrollmechanismen in einer Anwaltskanzlei zu keinem Nachteil führten, da sie frühzeitig auffielen.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 lit. e VwGG gebildeten Senat beschlossen:

2.1. § 46 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. 1985/564 lautet auszugsweise:

"§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Verschuldens handelt.

.....

(3) Der Antrag ist beim Verwaltungsgerichtshof in den Fällen des Abs. 1 binnen zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses ... zu stellen, ... Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

2.2. Selbst bei Annahme der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages (Wegfall des Hindernisses für den Beschwerdevertreter erst mit Kenntnis der Versäumnis am 14. August 1990) ist das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet, seinem Antrag zum Erfolg zu verhelfen.

2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht schlechterdings gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. Ein Verschulden trifft den Rechtsanwalt jedenfalls dann nicht, wenn sich zeigt, daß die Fristversäumung auf einem ausgesprochen weisungswidrigen Verhalten des betreffenden Kanzleibediensteten beruht, ohne das ein eigenes Verschulden des Rechtsanwaltes hinzugetreten wäre (vgl. etwa den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1990, Zl. 89/07/0184).

Ein Verschulden eines Rechtsanwaltsanwärters ist dem Verschulden des Rechtsanwaltes selbst nicht gleichzusetzen, weshalb auch im Falle eines die Säumnis verursachenden Verschuldens des Rechtsanwaltsanwärters zu prüfen ist, ob den Rechtsanwalt selbst ein Verschulden daran trifft (vgl. den Beschluß vom 8. November 1988, Zlen. 88/11/0159, 0236). Der Rechtsanwalt muß auch die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen unter anderem dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Dies gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Tätigkeit des bei einem Rechtsanwalt tätigen Rechtsanwaltsanwärters, dessen Verwendung unter der Verantwortung des Rechtsanwaltes erfolgt (vgl. den bereits genannten Beschluß vom 8. November 1988).

Ein Wiedereinsetzungsantrag ist auch gegen die mangelhafte Erfüllung eines Verbesserungsauftrages zulässig (vgl. den Beschluß vom 19. Jänner 1990, Zl. 89/18/0202, 0203).

Die Überwachungs- bzw. Organisationspflicht des Rechtsanwaltes hat sich in Ansehung seines Kanzleibetriebes im besonderen auf eine vollständige Erfüllung eines Mängelbehebungsauftrages zu richten (vgl. hiezu den Beschluß vom 24. Jänner 1989, Zl. 88/04/0349).

In der Tatsache, daß ein Beschwerdevertreter nicht mehr die Abfertigung (Kuvertierung) eines Schriftsatzes durch eine sonst verläßliche Kanzleikraft überprüfte, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn überhaupt, nur ein minderer Grad des Versehens erblickt werden (vgl. z.B. den Beschluß vom 8. November 1989, Zl. 89/13/0184).

Wenn der Wiedereinsetzungswerber als Wiedereinsetzungsgrund ein Versehen eines Kanzleiangestellten seines bevollmächtigten Rechtsanwaltes geltend macht, so hat er durch konkrete Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag nicht nur darzutun, worin das Versehen bestanden hat, sondern auch, daß es zur Fehlleistung des Kanzleiangestellten gekommen ist, obwohl die dem Rechtsanwalt obliegenden Aufsichts- und Kontrollpflichten eingehalten wurden. Erlaubt das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag über das beim Rechtsanwalt des Wiedereinsetzungswerbers eingerichtete Kontrollsystem und über die konkreten Umstände, auf die die Versäumung der Beschwerdefrist zurückzuführen ist, eine Beurteilung der Frage nach dem letzteren nicht, so schließt dies die Annahme eines tauglichen Wiedereinsetzungsgrundes aus (vgl. den Beschluß vom 21. Februar 1990, Zlen. 90/03/0021, 0022).

2.4. Was die mangelhafte Erfüllung des Verbesserungsauftrages anlangt, so hat der Beschwerdeführer dazu im wesentlichen vorgebracht, daß ein derartiges Versehen in der Kanzlei seines Rechtsvertreters bisher noch nicht vorgekommen sei. Da die Post ansonsten immer anstandslos abgefertigt werde, sei der Rechtsvertreter nicht unmittelbar veranlaßt gewesen, die ordnungsgemäße Ergänzung des Schriftsatzes durch Beifügung der am Schriftsatz angeführten Beilagen zu überwachen.

Abgesehen davon, daß diese Ausführungen jegliches Vorbringen über das beim Vertreter des Beschwerdeführers eingerichtete Kontrollsystem vermissen lassen, läßt das Vorbringen auch nicht erkennen, ob die Wiedervorlage der Beilagen vom Rechtsvertreter anläßlich der Abfertigung kontrolliert wurde und die Beilagen im Anschluß daran bloß beim rein technischen Vorgang der Kuvertierung von einem Kanzleibediensteten irrtümlich nicht der ergänzten Beschwerde angeschlossen wurden oder die Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages ohne weitere Kontrollen einem Kanzleibediensteten übertragen wurde. Nur im ersteren Fall könnte von einem minderen Grad des Versehens des Beschwerdevertreters gesprochen werden (vgl. etwa den Beschluß vom 7. September 1988, Zl. 88/18/0320), der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde. Davon könnte jedoch im letzteren Fall nicht die Rede sein, da einem Rechtsanwalt, der sich bei Unterfertigung eines Schriftsatzes, mit welchem einem Mängelbehebungsauftrag entsprochen werden soll, nicht überzeugt, was er unterschreibt, grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (vgl. dazu auch PICHLER,

Zur Wiedereinsetzung des Verwaltungsgerichtshofes, AnwBl. 1990, Seite 178 ff, insbesondere Seite 180, mit weiteren Hinweisen auf die Beschlüsse vom 11. September 1978, Zl. 1757/78, und vom 24. Jänner 1989, Zl. 88/04/0349).

Im Vorbringen des Beschwerdeführers fehlen jedoch dazu jegliche Angaben, weshalb eine Beurteilung, ob ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorliegt und ob dabei dem Beschwerdevertreter nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann, nicht möglich ist.

2.5. Auf Grund dieser Erwägungen war das Anbringen des Beschwerdeführers abzuweisen.

Die gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingebrachten Beschwerden waren dementsprechend gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

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