Normen
AVG §52;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §25 Abs2;
ROG Stmk 1974 §25 Abs3;
VwRallg;
AVG §52;
BauO Stmk 1968 §4 Abs3;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §25 Abs2;
ROG Stmk 1974 §25 Abs3;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Graz hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.440,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem am 27. Februar 1987 beim Magistrat der Landeshauptstadt Graz eingelangten Ansuchen beantragte die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für eine Flutlichtanlage auf einem Teil ihrer in der S-Straße gelegenen Tennisanlage. Über dieses Ansuchen wurde am 28. Februar 1989 eine mündliche Verhandlung für den 22. März 1989 anberaumt, wobei auf die Präklusionsfolgen gemäß § 42 AVG hingewiesen wurde. Die Ladung der Mitbeteiligten (als Nachbarn) ist ausgewiesen. Am 21. März 1989 langte beim Magistrat eine Stellungnahme der Mitbeteiligten ein, in der sie sich gegen die Errichtung einer Flutlichtanlage aussprachen und ausführten, daß an ihrer Grundstücksgrenze durch die bereits bestehende Flutlichtanlage die im Industriegebiet I höchstzulässigen Immissionsgrenzwerte nicht eingehalten würden. Die Tennisanlage würde durch den Flutlichtbetrieb eine wesentiche Erhöhung der Immissionen bringen, dies durch Belästigungen auf Grund der Scheinwerferanlage und insbesonders durch den Nachtbetrieb. Infolge des Lärms und des grellen Lichtes sei es nicht möglich, die Fenster zu öffnen. Die Flutlichtanlage werde auf einer Freilandfläche mit Sondernutzung Sportanlage errichtet, es werde daher der Antrag gestellt, die Zulässigkeit einer Flutlichtanlage im Rahmen der Sondernutzung für Sport im Freiland zu überprüfen. Eine Flutlichtanlage sei für den Betrieb einer Tennisanlage nicht erforderlich.
Mit Bescheid vom 5. April 1989 wurde der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die beantragte Bewilligung erteilt. Die Einwendungen der Mitbeteiligten wurden als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der gegenständliche Bauplatz liege gemäß dem Flächenwidmungsplan 1982 der Landeshauptstadt Graz im "Freiland (Sportplatz)". Für diese Widmung (§ 25 Abs. 2 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes) sei ein Immissionsschutz nicht vorgesehen. Da die Steiermärkische Bauordnung ein von der Flächenwidmung unabhängiges Immissionsverbot nicht kenne, käme den Nachbarn bezüglich des geltend gemachten Immissionsschutzes kein Mitspracherecht zu. Trotz Fehlens des Mitspracherechtes von Nachbarn seien entsprechende Gutachten vorgelegt bzw. eingeholt worden, aus welchen hervorgehe, daß eine Beeinträchtigung der Nachbarn nicht zu erwarten sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten die Mitbeteiligten vor, es sei nachträglich die Errichtung einer Flutlichtanlage bewilligt worden, obwohl mit Bescheid vom 20. November 1985 dem Bewilligungswerber die Beseitigung der konsenslos errichteten Flutlichtanlage aufgetragen worden sei. Vom Bewilligungwerber sei Berufung erhoben worden, die aber als unbegründet abgewiesen worden sei. Man versuche nachträglich eine Genehmigung nach der anderen zu erteilen, ohne Rücksicht auf die Anrainer, denn die Erholung anderer gehe auf Kosten der Gesundheit der Anrainer. Es werde daher beantragt, die Anlage zu beseitigen.
Auf Grund dieser Berufung ließ die belangte Behörde Lärmmessungen durchführen und ein lärmtechnisches Gutachten erstellen. In einem Gutachten des Amtes für Umweltschutz vom 4. September 1989 wurde (zusammengefaßt) ausgeführt, daß sich der Umgebungslärm durch den Spielbetrieb auf den Freiplätzen bezogen auf den äquivalenten Dauerschallpegel bis 6 Dezibel, bei maximal auftretenden Lärmspitzen bis zu 8 Dezibel erhöhe. Der Umgebungslärm ohne Spielbetrieb werde am Messpunkt 1 durch den Verkehrslärm der nahegelegenen S-Straße und des östlich des Messpunktes vorbeifließenden Baches geprägt. Auf Grund dieses Gutachtens wurde in einem Gutachten des Gesundheitsamtes vom 6. November 1989 ausgeführt, der im Lärmgutachten ermittelte Lärm sei durchaus geeignet, eine adäquate Nutzung von Außenwohnflächen (Garten als Ruhezone) störend zu beeinträchtigen. Das Maß dieser Beeinträchtigung sei von der jeweiligen individuellen Einstellung des Nachbarn zum Lärmgeschehen abhängig. Empfinde er den Lärm als passiv aufgezwungen und könne er sich mit dem Sportgeschehen nicht identifizieren, so werde er den Lärm als unlustbetont und störend empfinden und bei Bestehen eines solchen Zustandes über einen längeren Zeitraum würden auch bei einem gesunden normal reagierenden Menschen über das vegetative Nervensystem organische Wirkungen ausgelöst werden. Es komme zu negativen Beeinflussungen des Organismus mit vegetativer Überreizung, allgemeiner Nervosität und dergleichen. Zur Hintanhaltung der angeführten negativen gesundheitlichen Auswirkungen auf gesunde, normal reagierende Menschen, die den Tennisplatzlärm als passiv aufgezwungen und somit als störend empfänden, erschienen Maßnahmen zur Lärmreduktion (eventuell Schallschutzmauer, Halle) zielführend.
Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Stellungnahme zu diesen Gutachten zusammengefaßt vor, die als Tennisanlage genützen Liegenschaften befänden sich im Freiland/Sondernutzung Sportstätte-Tennisanlage. Die Liegenschaft der Mitbeteiligten seien im Flächenwidmungsplan als Industriegebiet I ausgewiesen. Die Bewohner der im Industriegebiet gelegenen Liegenschaften müßten Lärmimmissionen hinnehmen, die im Industriegebiet zulässig seien. Überdies hätten die Mitbeteiligten keine objektive Einstellung zum Betrieb der Tennisanlage, derart sensibilisierte Personen könnten und dürften aber weder im Gewerbeverfahren noch im Bauverfahren Maßstab der Beurteilung sein. Die Beschwerdeführerin stelle daher den Antrag auf Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Psychiatrie und Neurologie sowie eines Gutachtens eines Hals- Nasen und Ohrenfacharztes zum Nachweis dafür, daß der von der Tennisanlage ausgehende Lärm im Hinblick auf die Gebietskategorien und die daraufhin im Gesetz festgesetzten Grenzwerte nicht geeignet seien, sich auf einen gesunden, normal empfindenden Menschen schädlich auszuwirken.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 17. Jänner 1990 versagte die belangte Behörde aufgrund der Berufung der Mitbeteiligten die nachträgliche Baubewilligung gemäß den §§ 57 und 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Feststellung, den Nachbarn komme kein Mitspracherecht zu, sei unzutreffend, da hiebei auf die besonderen Vorschriften des § 4 Abs. 3 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 nicht Bedacht genommen worden sei, der gemäß § 61 Abs. 2 lit. d leg. cit ausdrücklich ein Recht zum Schutz des Nachbarn enthalte und unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines vom Flächenwidmungsplan abhängigen Immissionschutzes ein zum Schutz des Nachbarn normiertes Immissionsverbot enthalte. Die Gutachten hätten ergeben, daß der durch die Flutlichtanlage mögliche Tennisbetrieb das Recht der Mitbeteiligten auf eine das ortsübliche Ausmaß nicht übersteigende Belästigung der Nachbarschaft verletze.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, daß das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in zweifacher Hinsicht beschränkt ist: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechende Einwendungen wirksam geltend gemacht hat, wobei die eingetretene Präklusion sowohl von der Berufungsbehörde als auch vom Verwaltungsgerichtshof zu berücksichtigen ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. N.F. Nr. 10.317/A, u.v.a.).
Im Beschwerdefall ist die steiermärkische Bauordnung (BO) LGBl. Nr. 149/1968, in der Fassung der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 14/1989 maßgebend.
Gemäß § 61 Abs. 2 BO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn sie sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Die Bestimmungen, auf welche diese Voraussetzung zutrifft, sind in den lit. a bis k des § 61 Abs. 2 BO taxativ aufgezählt.
Die Mitbeteiligten haben vor der Verhandlung vom 22. März 1989 (jedoch nach der erfolgten Ladung) vorgebracht, daß die Flutlichtanlage und der damit ermöglichte Tennisbetrieb bis (22.00 Uhr) Belästigungen mit sich bringe, die im Industriegebiet I nicht zulässig seien. Die Mitbeteiligten könnten nicht einmal die Fenster öffnen, da der Lärm und das grelle Scheinwerferlicht dies nicht zuließen. Die Zulässigkeit einer Flutlichtanlage im Rahmen der Sondernutzung für Sport im Freiland sei zu überprüfen.
Nun kann die Beschränkung der Immissionen von Betrieben stets nur im Zusammenhang mit der entsprechenden Flächenwidmung des zu BEBAUENDEN Grundstückes (nicht des Nachbargrundstückes) gesehen werden. Wie bereits die Behörde erster Instanz zutreffend ausgeführt hat, enthält § 25 Abs. 2 des (Steiermärkischen) Raumordnungsgesetzes 1974 in der Fassung der Novelle 1980 keine Immissionsbeschränkungen. Gemäß § 25 Abs. 3 ROG dürfen im Freiland nur solche Gebäude, Bauwerke und Anlagen errichtet werden, die für eine bestimmungsgemäße Nutzung nach Abs. 2 erforderlich sind. Es kann nun keinem Zweifel unterliegen, daß Tennisplätze und dazugehörige Flutlichtanlagen der Sonderwidmung Freiland/Sportanlage entsprechen.
Die belangte Behörde geht zwar zutreffend davon aus, daß § 4 Abs. 3 BO einen Immissionsschutz zugunsten der Nachbarn enthält, der unabhängig von der Flächenwidmung ist. Sie hat aber übersehen, daß den Mitbeteiligten gegenüber hinsichtlich des § 4 Abs. 3 BO Präklusion eingetreten ist. Den Einwendungen der mitbeteiligten Nachbarn kann nichts entnommen werden, was eine Deutung dahingehend zuließe, daß sie die Einhaltung größerer Abstände forderten, nicht einmal in ihrer Berufung haben sie größere Abstände gefordert. (Ein derartiges Vorbringen wäre schon im Hinblick darauf sinnvoll gewesen, daß die beantragte Flutlichtanlage, die insgesamt sechs Tennisplätze befluten soll, zweifellos technisch auch so zu installieren ist, als nur die Beflutung einzelner, von den Mitbeteiligten weiter entfernter Tennisplätzen möglich ist). Daß aber ein allgemeines Vorbringen in Richtung unzumutbare Lärmerregung noch dazu unter Hinweis auf die Flächenwidmung nicht als (Eventual)Begehren auf Festsetzung größerer Abstände gemäß § 4 Abs. 3 BO auszulegen ist, geht schon aus den hg. Erkenntnissen vom 10. April 1980, Zl. 2066/78, sowie vom 11. September 1986, Zl. 85/06/0013, hervor.
Aufgrund der gegenüber der Mitbeteiligten eingetretenen Präklusion durfte die belangte Behörde aber die Frage, ob allenfalls größere Abstände gemäß § 4 Abs. 3 BO einzuhalten seien, nicht von Amts wegen aufgreifen und prüfen. Da sie dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß das vorliegende medizinische Gutachten infolge seiner Widersprüche keine ausreichende Grundlage für die Annahme gesundheitsschädlichen Lärms wäre; das von der belangten Behörde herangezogene Beispiel eines Fußballfanatikers geht ebenso fehl wie das eines Menschen, der dem Sportlärm von vornherein negativ gegenübersteht; bei der erforderlichen OBJEKTIVEN Bewertung von Lärmbelästigungen muß die EINSTELLUNG von Personen zu den LärmQUELLEN außer Betracht bleiben; sonst würde auch die Lärmbelästigung durch Industriebetriebe davon abhängen, ob in der Nachbarschaft Personen wohnen, die dort beschäftigt sind und den Lärm daher für erforderlich halten oder Personen die Industrie von vornherein ablehnen.
Ungeachtet des Ergebnisses im Verfahren zur Erlangung der Baubewilligung wird die Beschwerdeführerin dennoch zu bedenken haben, ob sie nicht auf die Anregung der belangten Behörde, die Bewilligung von Lärmschutzmauern oder einer Halle zu beantragen, zurückkommt, um (nach Auffassung des erkennenden Senates durchaus denkbar) gewerbebehördliche Maßnahmen gegen Lärmbelästigungen der Nachbarschaft zu vermeiden. Nach den vorliegenden Meßdaten kann kaum von der Aufrechterhaltung des jetzigen Standpunktes der Gewerbebehörde, es liege gar kein emittierender Betrieb vor und es bedürfe daher gar keiner Genehmigung nach Betriebsanlagenrecht, ausgegangen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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