VwGH 90/04/0232

VwGH90/04/023230.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher und Dr. Weiss als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde der N-OHG gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 11. April 1990, Zl. IIa-93.003/1-90, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §13a;
AVG §61 Abs1;
AVG §61 Abs5;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;
AVG §13 Abs3;
AVG §13a;
AVG §61 Abs1;
AVG §61 Abs5;
AVG §63 Abs3;
AVG §63 Abs5;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit den vorgelegten Bescheid- und Schriftsatzkopien wurde u.a. der Beschwerdeführerin mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 13. Februar 1990 gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1973 die Beseitigung aller fahrbereiten und nicht mehr fahrbereiten Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück Nr. 1465, KG X, sowie aller gebrauchten Ersatzteile insbesondere der Motoren, Getriebe und Hinterachsen und aller anderen neuen Ersatzteile und des Zubehörs, die in Werkstättengebäuden auf dem angeführten Grundstück gelagert würden, aufgetragen. Weiters wurde verfügt, daß vom Gebäude sämtliche Hinweise auf die Ausübung des "Handelsgewerbes mit Kraftfahrzeugen" und die Ausübung des "Kraftfahrzeugmechanikergewerbes" zu entfernen und der Betrieb geschlossen zu halten sei. Über eine u.a. seitens der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung erkannte der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 11. April 1990 dahin, daß diese im Grunde des § 63 Abs. 3 AVG 1950 als unzulässig zurückgewiesen werde (Spruchpunkt I). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe gegen den angeführten Bescheid ohne Begründung berufen; sie habe auch keine Begründung innerhalb der zweiwöchigen Berufungsfrist nachgereicht. Gemäß § 63 Abs. 3 AVG 1950 habe jede Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richte und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Die Berufung müsse also erkennen lassen, was die Partei anstrebe und womit sie ihren Standpunkt zu vertreten glaube. Sei in einer Berufung diesen Vorschriften, die nicht formalistisch auszulegen seien, nicht entsprochen worden, fehle dem Anbringen der Charakter einer dem Gesetz entsprechenden Berufung und diese müsse ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückgewiesen werden. Dem vorliegenden, als Berufung bezeichneten Anbringen fehle eine Begründung. Die erfolgte Anmeldung der Berufung mit dem Vorbehalt der Beibringung der Begründung zu einem späteren Zeitpunkt wäre nur dann als zulässig anzusehen gewesen, wenn die Begründung innerhalb der Berufungsfrist bei der zuständigen Einbringungsstelle eingelangt wäre. Da das nicht der Fall gewesen sei, habe die Berufung als unzulässig zurückgewiesen werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, deren gesamtem Vorbringen zufolge sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Entscheidung über ihre Berufung unter Abstandnahme von dem angeführten Zurückweisungsgrund verletzt erachtet. Sie bringt hiezu vor, der vorangeführte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 13. Februar 1990 sei ihr am 16. Februar 1990 zugestellt worden. Da sie der Ansicht sei, daß die aufgetragenen Maßnahmen nicht berechtigt seien, habe sie ohne Beiziehung eines Rechtsbeistandes am 2. März 1990 eine Eingabe an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gerichtet, die folgenden Inhalt gehabt habe:

"Betrifft: 3-4203/90-F

Kfz-Werkstätte-Einstweilige Zwangsmaßnahmen

Bescheid vom 13.2.1990

Berufung

Gegen obigen Bescheid erhebe ich hiemit innerhalb offener Frist Berufung. Für die Begründung der Berufung bitte ich um eine Fristverlängerung von zwei Wochen."

In weiterer Folge habe sie von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck nichts mehr gehört und sie sei daher "auch" der Ansicht gewesen, daß ihrem Antrag auf Fristverlängerung Folge gegeben worden sei. Sie habe sich dann innerhalb der beantragten Fristverlängerung von zwei Wochen am 15. März 1990 mit dem nunmehrigen Vertreter wegen der Verfassung eines Schriftsatzes in Verbindung gesetzt und habe erst am 15. März 1990 entsprechend über die Berufungsvoraussetzungen aufgeklärt werden können. Auf alle Fälle sei am 15. März 1990 im Zusammenhang mit der Berufung von ihr ein Schriftsatz eingebracht worden, der die Berufungsbegründung und auch einen Berufungsantrag enthalte. Die Zurückweisung ihrer Berufung sei rechtswidrig erfolgt. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck wäre "seinerzeit" verpflichtet gewesen, da sie mit Ausnahme eines begründeten Berufungsantrages sämtliche Voraussetzungen für die Ergreifung einer Berufung erbracht gehabt habe, sie zu informieren, daß eine Fristverlängerung an sich nicht vorgesehen sei. Durch das Stillschweigen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck habe sie der berechtigten Ansicht sein können, daß der Fristverlängerungsantrag in Ordnung gehe, und daß sie daher für die Begründung der Berufung noch zwei Wochen ab 2. März 1990 Zeit habe; sie habe auch dann innerhalb dieser zwei Wochen einen begründeten Berufungsantrag nachgereicht. Ihre Ansicht, daß für einen begründeten Berufungsantrag nicht die ursprüngliche Berufungsfrist ausschlaggebend sei, hänge mit der unrichtigen bzw. mangelhaften Rechtsbelehrung der Bezirkshauptmannschaft zusammen. Die Rechtsbelehrung der Bezirkshauptmannschaft umfasse "normal" den Hinweis, daß gegen den Bescheid binnen zwei Wochen bei der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck die Berufung einzubringen sei. Im nächsten Absatz werde lediglich angeführt, die Berufung habe den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richte, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck habe jedoch in keiner Weise in ihrer Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen, daß auch der begründete Berufungsantrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides einzubringen sei und es fehle insbesondere auch der Hinweis, daß eine Fristverlängerung nicht möglich sei. Es dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß sie seinerzeit unvertreten gewesen sei und natürlich keinerlei Kenntnis über Verfahrensrechte gehabt habe. Es dürften daher auch keine strengen Maßstäbe angelegt werden. Auf Grund der mangelhaften und nicht eindeutigen Rechtsbelehrung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck sei sie sehr wohl berechtigt gewesen, sich darauf zu verlassen, "daß der begründete Berufungsantrag nachgereicht wird", und es hätte daher dieser begründete Berufungsantrag im Zusammenhang mit der von ihr selbst eingereichten Berufung im Berufungsverfahren behandelt werden müssen. Die Zurückweisung sei als rechtswidrig zu bezeichnen, insbesondere auch deshalb, da die belangte Behörde der Ansicht sei, daß die Rechtsmittelbelehrung ausreichend gewesen sei und daher keine Verbesserung der Berufung möglich wäre. In einem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgetragenen Schriftsatz brachte die Beschwerdeführerin u.a. noch vor, wenn sie als nicht juristisch gebildete Person einen Auslegungsfehler mache, so wäre es Pflicht der Behörde, sie anzuleiten. Die Außerachtlassung dieser Anleitungspflicht sei rechtswidrig. Außerdem fühle sie sich "im Rechtsgrundsatz des Parteiengehörs" verletzt, da zumindest, wenn die Behörde habe feststellen können, daß eine Fehlinterpretation vorliege, ihr Gelegenheit hätte gegeben werden müssen, diesen Fehler zu berichtigen bzw. klarzustellen. Die Verletzung des Parteiengehörs bzw. die Nichtaufforderung zur Verbesserung stelle insbesondere eine Rechtswidrigkeit dar. Weiters wäre es Pflicht der Behörde gewesen, umfassende Rechtsbelehrungen in den Bescheid aufzunehmen und es müsse daher die gegenständliche Rechtsmittelbelehrung als unrichtig bzw. mangelhaft bezeichnet werden. Hiezu komme noch, daß vom "Schonungsprinzip" nicht Gebrauch gemacht worden sei, auf das dann ein Anspruch bestehe, wenn eine Partei unverschuldet Rechtsvorgänge nicht klar erkennen könne.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG 1950 hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Nach Abs. 5 ist die Berufung von der Partei schriftlich oder telegraphisch binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündung mit dieser.

Gemäß § 61 Abs. 1 AVG 1950 hat die Rechtsmittelbelehrung eines Bescheides anzugeben, ob der Bescheid noch einem weiteren Rechtszug unterliegt oder nicht, und bejahendenfalls, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist. Sie hat ferner auf das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages hinzuweisen. Nach Abs. 5 gilt, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines begründeten Rechtsmittelantrages enthält, das Fehlen eines solchen als Formgebrechen (§ 13 Abs. 3).

Im Beschwerdefall entsprach - wie sich aus dem Beschwerdevorbringen selbst in Übereinstimmung mit dem darauf Bezug habenden, aus der vorgelegten Kopie des erstbehördlichen Bescheides ersichtlichen Wortlaut ergibt - die Rechtsmittelbelehrung der Vorschrift des § 61 Abs. 1 AVG 1950, wogegen für die damit im Zusammenhang stehende Beschwerderüge, die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck habe ungeachtet dessen in keiner Weise in ihrer Rechtsmittelbelehrung darauf hingewiesen, daß auch der begründete Berufungsantrag innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides einzubringen sei, und daß insbesondere auch ein Hinweis, wonach eine "Fristverlängerung" nicht möglich sei, in die Rechtsmittelbelehrung nicht aufgenommen worden sei, eine gesetzliche Grundlage fehlt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof u.a. bereits in seinem Erkenntnis vom 4. Oktober 1989, Zl. 89/01/0252, unter Bezugnahme auf die dort angeführte hg. Rechtsprechung dargetan hat, bilden nach dem Willen des Gesetzgebers die "Berufungsanmeldung" - das ist im vorliegenden Fall die Erklärung der Beschwerdeführerin, gegen den erstbehördlichen Bescheid in offener Frist Berufung zu erheben, und die weitere Erklärung, daß sie für die Begründung der Berufung eine Fristverlängerung von zwei Wochen erbitte - und die Berufungsbegründung eine Einheit. Da ein begründeter Berufungsantrag einen wesentlichen Bestandteil der Berufung bildet, ohne den eine dem Gesetz entsprechende Berufung nicht vorliegt, ist somit, wenn der begründete Antrag erst nach Ablauf der Berufungsfrist nachgetragen wird, die Berufung verspätet.

Insofern sich aber die Beschwerdeführerin inhaltlich auf eine von ihr angenommene Verpflichtung der Behörde im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 bzw. des § 13a AVG 1950 unter Hinweis darauf beruft, daß sie im Zeitpunkt ihrer "Berufungserhebung" nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, so ergibt sich einerseits aus § 61 Abs. 5 AVG 1950, daß das Fehlen eines begründeten Rechtsmittelantrages in der Berufung nur dann als Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG 1950 gilt, wenn der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über das Erfordernis eines solchen enthält und andererseits, daß das Gesetz in Ansehung einer Rechtsmittelbelehrung keinen Unterschied macht, ob der zur Erhebung des Rechtsmittels Berechtigte im vorangegangenen Verfahren durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten war oder nicht, weshalb, da § 61 Abs. 1 AVG 1950 klar umschreibt, welchen Inhalt eine Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat, der Hinweis auf § 13a AVG 1950 ins Leere geht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 11. Jänner 1984, Slg. N.F. Nr. 11.279/A (nur Rechtssatz)).

Insoweit aber die Beschwerdeführerin in allgemeiner Weise rügt, die Erstbehörde hätte sie auf Grund ihrer Berufungseingabe darüber belehren müssen, daß eine Fristverlängerung nicht in Betracht komme bzw. ihr in diesem Zusammenhang "Parteiengehör" hätte gewährt werden müssen, so ist, abgesehen von der vordargestellten maßgebenden Rechtslage, darauf hinzuweisen, daß nach ihrem eigenen Beschwerdevorbringen die Einbringung des "Berufungsschriftsatzes" erst am letzten Tag der hiefür offen stehenden Berufungsfrist erfolgte, und daß daher weitere "Belehrungen" durch die Behörde erst nach bereits erfolgtem Ablauf der Berufungsfrist hätten erfolgen können.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen; im Hinblick darauf hatte auch eine Entscheidung über den gleichzeitig gestellten Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zu entfallen.

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