VwGH 90/02/0094

VwGH90/02/00943.10.1990

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N gegen die in einer Ausfertigung zusammengefaßten Bescheide der NÖ LReg und des LH von NÖ vom 2. April 1990, Zl. I/7-St-D-9018, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (Bescheid der NÖ LReg) und Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 (Bescheid des LH von NÖ), zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §1;
StVO 1960 §4 Abs5 idF 1983/174;
VwRallg;
StVO 1960 §1 Abs1;
StVO 1960 §1;
StVO 1960 §4 Abs5 idF 1983/174;
VwRallg;

 

Spruch:

Der Bescheid der NÖ LReg wird, soweit der Beschwerdeführer damit einer Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO 1960 für schuldig befunden und hiefür bestraft wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.530,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den in einer Ausfertigung zusammengefaßten, im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der NÖ LReg (hinsichtlich der Übertretungen der StVO) und des Lt von NÖ (hinsichtlich der Übertretung des KFG) vom 2. April 1990 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe 1) am 29. April 1989 um 18.55 Uhr am Gendarmerieposten X die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er einen dem Kennzeichen nach bestimmten LKW am 29. April 1989 gegen 18.00 Uhr im Ortsgebiet von X auf dem Parkplatz eines näher angeführten Gasthauses gelenkt habe und habe vermutet werden können, daß er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, wodurch er eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO begangen habe; weiters habe der Beschwerdeführer 2) am 29. April 1989 gegen 18.00 Uhr diesen LKW auf dem erwähnten Gasthausparkplatz a) gelenkt und sei mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden, da er mit dem LKW gegen einen geparkten PKW gestoßen sei und diesen dadurch beschädigt habe, und habe er nicht die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall mit Sachschaden ohne unnötigen Aufschub verständigt, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgt sei, wodurch der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO begangen habe, b) ohne erforderliche Lenkerberechtigung auf Straßen mit öffentlichem Verkehr gelenkt, wodurch der Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 64 Abs. 1 KFG begangen habe. Über den Beschwerdeführer wurden jeweils Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diese beiden Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die belangten Behörden haben die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine (gemeinsame) Gegenschrift erstattet, in welcher sie die Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit in der Gegenschrift darauf Bezug genommen wird, daß der Beschwerdeführer die Niederösterreichische Landesregierung als belangte Behörde "formell falsch bezeichnet" habe (es wurde insoweit "Amt der NÖ LReg" angeführt), genügt es, etwa auf das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11 625/A, zu verweisen.

Das Beschwerdevorbringen läßt sich zunächst dahin zusammenfassen, daß der Beschwerdeführer behauptet, bei dem in Rede stehenden Gasthausparkplatz handle es sich nicht um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO, da dieser eingezäunt und bei der Einfahrt ein Schild mit dem Hinweis "Parken nur für Gäste" angebracht sei. Weiters sei diese Einfahrt mit einer Schiebetüre samt im Boden eingelassener, diesbezüglicher Schiene versehen. Der Beschwerdeführer verweist dazu auf das hg. Erkenntnis vom 4. Dezember 1981, Zl. 81/02/0005, wonach eine Straße dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings im Erkenntnis vom 25. April 1985, Zlen. 85/02/0122, 0123, - insoweit ergänzend - zum Ausdruck gebracht, aus dem einzigen Umstand, daß eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern, z. B. nur von Anrainern, befahren werden dürfe, könne nicht geschlossen werden, daß es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handle; unter Benützung für jedermann unter den gleichen Bedingungen (im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO) sei zu verstehen, daß "irgendeine" denkbare Benützung im Rahmen des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs jedermann offenstehen müsse; nicht aber könne der Begriff der Benützung unter den gleichen Bedingungen so ausgelegt werden, daß die Einschränkung einer Benützungsart auf einen bestimmten Personenkreis allein der Straße den Charakter einer öffentlichen Verkehrsfläche entzöge; bei einer solchen Auslegung träte diese Folge nämlich immer dann schon ein, wenn z.B. Zufahrts-, Park- oder Haltebeschränkungen zugunsten eines sachlich oder persönlich umschriebenen Kreises von Benützern durchbrochen werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis die Rechtsansicht des damaligen Beschwerdeführers, beim Vorplatz vor einem bestimmten Haus handle es sich um keine Straße mit öffentlichem Verkehr, weil dieser mit dem Hinweiszeichen "Parken" mit dem Zusatz "nur für Hausbewohner" versehen sei, verworfen. Gleiches gilt für den vorliegenden Beschwerdefall. Immerhin hat sogar jedermann die Möglichkeit, "Gast" zu werden. Daß grundsätzlich die Möglichkeit besteht, die Einfahrt zum Parkplatz mit der neben der erwähnten Hinweistafel vorhandenen, nach der Aktenlage nur während der Urlaubssperre geschlossenen Schiebetüre zu verhindern, ändert an diesem Ergebnis nichts.

In Hinsicht auf die Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 KFG bringt der Beschwerdeführer keine zusätzlichen Argumente vor. Eine Rechtswidrigkeit des vom Landeshauptmann von Niederösterreich erlassenen Bescheides ist nicht zu erkennen. Die Beschwerde war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Hinsichtlich der Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO bringt der Beschwerdeführer zusätzlich im wesentlichen vor, es sei ihm das Lenken und nicht die Inbetriebnahme des LKWs vorgeworfen worden. Das "Zurückrollen" des Fahrzeuges sei offenbar nicht bewußt durch den Beschwerdeführer veranlaßt worden, sondern sei offenbar irrtümlich erfolgt.

Einer Erörterung dieses Vorbringens steht allerdings das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot entgegen, worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend verweist. Die Beschwerde erweist sich sohin auch hinsichtlich der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Was allerdings die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO anlangt, ist der Beschwerde Erfolg beschieden: Nach dieser Gesetzesstelle haben die im Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

Der Beschwerdeführer bringt dazu im wesentlichen vor, aus dem Akt gehe hervor, daß die nächsten Gendarmeriedienststelle bereits 10 Minuten nach dem Verkehrsunfall von dem Ereignis in Kenntnis gesetzt worden sei. Der Beschwerdeführer und der Unfallsgegner seien noch mit der Erörterung des Sachverhaltes beschäftigt gewesen, als die Gendarmerie bereits am Unfallsort eingetroffen sei. Eine Verpflichtung zur Verständigung im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO habe daher noch nicht bestanden. Im übrigen ergebe sich aus dem Akt, daß der Beschwerdeführer darüber informiert gewesen sei, daß die Gendarmerie verständigt worden sei.

Was den letztzitierten Einwand des Beschwerdeführers (betreffend sein Wissen über die bereits erfolgte Verständigung der Gendarmerie) anlangt, so ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - solches aus dem Akt nicht entnehmbar; vielmehr handelt es sich auch hier um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung. Dem übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers kommt allerdings im Ergebnis Berechtigung zu:

Der Beschwerdeführer hat bereits im Verwaltungsverfahren (Stellungnahme vom 11. Juli 1989) vorgebracht, er sei zum Zeitpunkt des Einschreitens der Gendarmerie noch am Unfallsort anwesend gewesen. Diese Behauptung steht im Einklang mit der Aktenlage (vgl. die Anzeige vom 15. Mai 1989 sowie die Aussagen des Zeugen A vom 22. August 1989, des Zeugen B vom 15. September 1989 sowie des Zeugen C vom 13. November 1989).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 19. September 1984, Zl. 83/03/0358) die Rechtsansicht vertreten, daß die Auslegung des Begriffs "ohne unnötigen Aufschub" im § 4 Abs. 5 StVO nach strengen Gesichtspunkten zu erfolgen habe. Unter diesem Begriff sei nach dem Sinn und Zweck dieser Gesetzesstelle zu verstehen, daß die Meldung nach Durchführung der am Unfallsort notwendigen, durch das Gebot der Verkehrssicherheit erforderlich erscheinenden Maßnahmen bzw. nach vergeblichem Versuch der Beteiligten, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachzuweisen, geboten sei. Daraus ergebe sich, daß anders als bei einem Unfall mit Personenschaden, bei dem die Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle durch die hiezu Verpflichteten sofort zu erfolgen habe, der Gesetzgeber den an einem Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden Beteiligten insofern einen Spielraum einräume, als die Meldung dieses Unfalls in einem relativ kurz an diesen Unfall anschließenden Zeitraum erstattet werden könne. Die Frage, ob die Erstattung der Meldung nötiger- oder unnötigerweise aufgeschoben worden sei, sei nach der Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Der Sinn und Zweck des § 4 Abs. 5 StVO bestehe darin, eine zumindest vorläufige Bereinigung von Unfällen, die nur Sachschaden zur Folge haben - möglichst ohne Behinderung des Verkehrs und Inspruchnahme von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie unnötigen Zeitverlust -, zu ermöglichen, dem am Unfall Beteiligten also die Möglichkeit zu geben, ohne unnötigen Aufschub und Schwierigkeiten klarstellen zu können, mit wem er sich hinsichtlich der Schadensregelung in der Folge auseinanderzusetzen haben wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall ergibt sich aus der Aktenlage (vgl. die Anzeige sowie die erwähnten Zeugenaussagen vom 22. August und vom 13. November 1989) daß die - nicht vom Beschwerdeführer verständigten - Gendarmeriebeamten um

18.15 Uhr am Unfallsort eingetroffen waren. Entsprechend der von der NÖ LReg als belangten Behörde angenommenen Zeit des Verkehrsunfalles waren sohin seither (lediglich) 15 Minuten verstrichen. Der belangten Behörde wäre es daher bei den ihr vorliegenden Ermittlungsergebnissen im Sinne der zitierten hg. Rechtsprechung oblegen, Feststellungen dahin zu treffen, ob dem Beschwerdeführer überhaupt der Vorwurf gemacht werden konnte, die Erstattung der Meldung unnötigerweise aufgeschoben zu haben. Ob der Beschwerdeführer durch das von der Behörde als erwiesen angenommene Verlassen der Unfallstelle im Zuge der Sachverhaltsfeststellung durch die Gendarmeriebeamten allenfalls eine Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. c StVO zu verantworten hätte (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1989, Zl. 89/02/0106), ist nicht zu erörtern, weil ihm ein Verstoß gegen diese Vorschrift nicht zum Vorwurf gemacht wurde.

Der angefochtene Bescheid der NÖ LReg war daher, soweit dem Beschwerdeführer eine Übertretung nach § 4 Abs. 5 StVO angelastet wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers betreffend Stempelgebührenersatz war mangels Erforderlichkeit des Aufwandes abzuweisen.

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