VwGH 90/01/0177

VwGH90/01/017730.1.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hoffmann, Dr. Herberth, Dr. Kremla und Dr. Steiner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Magistratsoberkommissär Dr. Kral, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Juli 1990, Zl. 4 215.968/2-III/13/89, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Nationalität, reiste am 24. November 1985 in das Bundesgebiet ein und stellte am 4. Dezember 1985 Asylantrag, in dem er ausführte, die Situation der Kurden in der Türkei habe sich verschlechtert und er habe in seinem Dorf "nicht mehr leben" können. Da er um sein Leben gefürchtet habe, habe er die Türkei verlassen. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor der Behörde erster Instanz führte der Beschwerdeführer aus, seit dem Jahre 1978 dem revolutionären Kulturverein DDKD angehört zu haben. Für diese Organisation habe er Flugblätter verteilt und Plakate geklebt. Seit dem Verbot dieses Vereines im Jahre 1980 habe er sich nicht mehr für die Organisation betätigt. "Beim Umsturz" seien viele Mitglieder verhaftet worden. Bei ihm habe man eine Hausdurchsuchung durchgeführt und dabei Bücher über Kurdistan gefunden. Daraufhin sei der Beschwerdeführer im März 1981 festgenommen und zwei Monate inhaftiert worden. Man habe ihn über Mitglieder jenes Vereines befragt. Er habe nur den Namen seines "Chef's" nennen können und sei deshalb gefoltert worden. So habe man ihn barfuß über Glasscherben gehen lassen. Nach seiner Entlassung seien wiederholt Hausdurchsuchungen durchgeführt worden. In Abständen von zwei bis drei Monaten sei er von der Polizei geholt und vernommen worden. Danach sei er jeweils wieder entlassen worden. Von 1981 bis 1984 habe er als selbständiger Elektriker gearbeitet und mit seinem Bruder einen Baustoffbedarfshandel geführt. In der Zeit vom April 1983 bis September 1984 habe der Beschwerdeführer seinen Militärdienst abgeleitet. Den Reisepaß habe er durch Bestechung erhalten.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. April 1986 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei Kurde und habe deshalb in der Türkei "Schwierigkeiten" gehabt.

Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Begründend führte sie im wesentlichen aus, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Anhaltung im Jahre 1981 und die dabei erfolgten Mißhandlungen keinen zeitlichen Bezug zu seiner Ausreise aufwiesen. Auch habe der Beschwerdeführer für den folgenden Zeitraum bis zu seiner Ausreise keine gravierenden Nachteile für seine Person darlegen können. Befragungen durch die Polizei und Hausdurchsuchungen wiesen als Mittel der Beweissicherung keinen pönalen Charakter auf. Auch seien dem Beschwerdeführer daraus keine weiteren Konsequenzen erwachsen. Die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer Minderheit allein könne nicht als Grund für seine Anerkennung als Konventionsflüchtling angesehen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, als Flüchtling anerkannt zu werden, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 126, in der Fassung der Novelle vom 27. November 1974, BGBl. Nr. 796, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Art. 1 Abschnitt A Punkt 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne des Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Auszugehen ist zunächst davon, daß nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zentrale Erkenntnisquelle im Asylverfahren das eigene Vorbringen des Asylwerbers ist (vgl. z. B. die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0155 und vom 8. November 1989, Zl. 88/01/0022). Die belangte Behörde war nicht verhalten, den Beschwerdeführer im Berufungsverfahren nochmals über Verfolgungshandlungen in der Zeit von 1981 bis 1985 zu befragen, da er im Verfahren hinreichend Gelegenheit hatte, die Gründe für seine Flucht darzulegen. Die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer sei nach seiner Haftentlassung 1981 bei den Einvernahmen vor den staatlichen Behörden geschlagen und auch verletzt worden, stellt eine gemäß § 41 VwGG unbeachtliche Neuerung dar. Aktenwidrig ist auch die Beschwerdebehauptung, der Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge in Österreich sei im Verfahren vor der Behörde erster Instanz nicht gehört worden. Denn aus der in den Akten erliegenden Note der Sicherheitsdirektion für Wien vom 19. Februar 1986 geht eindeutig hervor, daß dem Hochkommissär gemäß § 9 Abs. 2 und 3 Asylgesetz bekanntgegeben worden ist, daß eine Anerkennung des Beschwerdeführers als Flüchtling nicht beabsichtigt sei.

Der Verwaltungsgerichtshof ist auch wie die belangte Behörde der Ansicht, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Anhaltung und Mißhandlung im Jahre 1981 in keinem zeitlichen Bezug zu seiner mehr als vier Jahre späteren Ausreise steht, weil angesichts der inzwischen vergangenen beträchtlichen Zeitspanne, während der der Beschwerdeführer ohne gravierende Behelligung einer geregelten Arbeit nachgehen und einen Betrieb einrichten konnte, von einer wohlbegründeten Furcht im Sinne der Konvention, die den Beschwerdeführer zur "Flucht" veranlaßt hätte, nicht mehr gesprochen werden kann. Daß dem Beschwerdeführer im Jahre 1981 die Ausstellung eines Passes verweigert worden sei, - eine weitere Antragstellung erfolgte offenbar nicht mehr - fällt dabei nicht ins Gewicht, hatte doch der Beschwerdeführer im Jahre 1981 als Wehrdienstpflichtiger noch keinen Militärdienst abgeleistet gehabt.

Da die Beschwerde sich sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.

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