Normen
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;
AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Oktober 1988 ab und sprach wie die erstinstanzliche Behörde aus, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist.
Die belangte Behörde ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer, ein angolanischer Staatsangehöriger, sei am 15. Juli 1988 mit seinem angolanischen Reisepaß legal in das Bundesgebiet eingereist. Er habe am 17. Juli 1988 Asylgewährung beantragt und bei seiner niederschriftlichen Befragung am 30. Juli 1988 folgendes angegeben:
Er sei als Kind katholisch getauft worden und interessiere sich seit 1985 für die Religion der Zeugen Jehovas. Er sei sehr oft zu religiösen Veranstaltungen gegangen, welche von staatlicher Seite verboten seien. Als seine Religionsgemeinschaft eine von der katholischen Kirche aufgegebene Kirche für sich haben wollte, sei sie in Konflikt mit der ebenfalls christlichen Quimbango Religion geraten, die aber vom Staat gefördert werde. Der Beschwerdeführer sei von Mitgliedern der Quimbango Religion mit dem Tod bedroht worden und habe deshalb nicht mehr in Angola bleiben können. Seine Fluchtgründe seien rein religiös. Er sei ab dem Jahr 1985 bis zu seiner Ausreise im Nationalmuseum in Luanda als Museograph tätig gewesen. In Angola zurückgeblieben seien seine Gattin, sein Kind, drei Schwestern und zwei Brüder. Er wolle nach Kanada auswandern.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß gegen die von Mitgliedern der Quimbango Religion ausgehenden Verfolgungen der Zeugen Jehovas seitens der Behörden Angolas kein Schutz gewährt werde, weshalb die gegen ihn ausgesprochene Todesdrohung den staatlichen Behörde zuzurechnen sei. Er habe mittlerweile durch einen befreundeten Angehörigen seiner Religionsgemeinschaft, der Angola ebenfalls verlassen habe und nach Tunesien geflüchtet sei, erfahren, daß seine Frau und sein Kind von Angehörigen der Quimbango Religion getötet worden seien. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung dazu seine ergänzende Einvernahme beantragt.
In ihrer Beweiswürdigung vertrat die belangte Behörde unter Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer als Angestellter des Nationalmuseums in Luanda ein Funktionär des Staates gewesen sei, die Meinung, schon deshalb sei eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus Konventionsgründen unwahrscheinlich; die Angaben des Beschwerdeführers seien daher nicht glaubhaft. Auf die Behauptungen des Beschwerdeführers in der Berufung betreffend seine Familienangehörigen sei nicht einzugehen, weil diese nur Andeutungen darstellten, bloße Behauptungen nicht überprüfbar seien und weil diese Behauptungen unter Berücksichtigung des Sachverhaltes "auch nicht sehr wahrscheinlich" seien. Außerdem habe der Beschwerdeführer über Repressalien gegen seine Familie bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung keine Angaben gemacht.
Rechtlich meinte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe behördliche Maßnahmen gegen seine Person nie behauptet und stelle der Besitzstreit um eine Kirche der Zeugen Jehovas, deren Mitglied der Beschwerdeführer gar nicht sei, mit der Religionsgemeinschaft der Quimbango keinen "Konventionsgrund" dar. Allfällige Drohungen der Mitglieder der Quimbango Religion hätten sich nicht an der Religion des Beschwerdeführers als Katholik entzündet, sondern "am Besitz bzw. an einem Sachwert". Der erstinstanzliche Bescheid sei daher zu Recht ergangen. Der Hochkommissär der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 Asylgesetz gehört worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Aktenwidrigkeit. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom 7. März 1968, BGBl. Nr. 126, über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (AsylG) in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974 ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschn. A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974 erfüllt und daß bei ihm kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschn. C oder F dieser Konvention vorliegt. Art. 1 Abschn. A Z. 2 der Konvention bestimmt, daß als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Der Beschwerdeführer ist im Recht, wenn er im Rahmen der Darstellung des Beschwerdegrundes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, der Sachverhalt sei in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig und die belangte Behörde sei zu Unrecht auf die im Berufungsvorbringen vorgenommenen Ergänzungen nicht eingegangen. Anders als es die belangte Behörde gesehen hat, kann nämlich den Argumenten des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht schlüssig damit begegnet werden, er habe die in seiner Berufung behaupteten Repressalien gegen seine Familie bei seiner ersten Befragung nicht angegeben. Die belangte Behörde hat dabei nämlich übersehen, daß es sich bei diesem Berufungsvorbringen nicht um eine der von Asylwerbern in anderen Fällen wiederholt vorgenommene Steigerung ihrer Behauptungen handelt, sondern daß der Beschwerdeführer in der Berufung ganz unmißverständlich zum Ausdruck brachte, "mittlerweile" (also nach seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 30. Juli 1988; vgl. den Punkt 2 Abs. 2 der Berufung) erfahren zu haben, seine in Angola zurückgebliebene Gattin und sein Kind seien von Angehörigen der Quimbango Religion getötet worden. Umstände aber, die ein Asylwerber selbst erst nach seiner ersten Vernehmung erfährt, dürfen ihm, wenn er sie zulässigerweise in dem nicht vom Neuerungsverbot beherrschten Berufungsverfahren vorbringt, nicht mit dem Vorwurf nachteilig entgegengehalten werden, er hätte sie schon anläßlich seiner ersten Befragung bekannt geben müssen.
Die belangte Behörde wäre also gehalten gewesen, sich mit dem neuen Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers inhaltlich außereinanderzusetzen, woran auch der Umstand nichts ändert, daß ihr diese Behauptungen des Beschwerdeführers von vornherein "nicht sehr wahrscheinlich" erschienen. Es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, im Rahmen der sie treffenden Ermittlungspflicht den Beschwerdeführer im Sinne seines in der Berufung gestellten Beweisantrages zu vernehmen und dabei auf die ihrer Ansicht nach fehlende Konkretisierung der Behauptungen (z.B. in Richtung einer Bekanntgabe des nach Tunesien geflüchteten Informanten des Beschwerdeführers) zudringen.
Nach der vom Beschwerdeführer zu Recht zitierten hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1986, Zl. 84/01/0106, Slg. N.F. 12005/A) ist auch eine Verfolgung, die zwar nicht von den staatlichen Stellen des Heimatlandes eines Asylwerbers ausgeht, sondern von dritter Seite, dann relevant wenn die staatlichen Behörden nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, dagegen Schutz zu gewähren. Mit Rücksicht darauf, daß der Beschwerdeführer behauptet hat, wegen seines Naheverhältnisses zu den Zeugen Jehovas von Angehörigen der Quimbango Religion mit dem Tod bedroht worden zu sein, wogegen die angolanischen Behörden keinen Schutz böten, kann im Sinn der zitierten Judikatur nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde, wenn sie sich auch mit den Neuerungen im Berufungsverfahren auseinander gesetzt hätte (die dem erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers ein besonderes Gewicht zu geben geeignet sind) zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Dem Umstand, daß sich die vom Beschwerdeführer behaupteten Auseinandersetzungen zwischen den Zeugen Jehovas und Mitgliedern der Quimbango-Religion an der Frage der Benützung einer Kirche entzündeten, kommt dabei keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.
Der angefochtene Bescheid leidet daher schon aus diesem Grund an einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG, weshalb er aufzuheben war. Auf die übrigen Beschwerdeargumente brauchte daher nicht weiter eingegangen zu werden.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG Abstand genommen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung vom 17. April 1989, BGBl. Nr. 206.
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