Normen
ABGB §6;
LSchG Vlbg 1973 §10;
LSchG Vlbg 1982 §13;
LSchG Vlbg 1982 §20 Abs1;
SteinbruchV 1955 §18 Abs1;
VwRallg;
ABGB §6;
LSchG Vlbg 1973 §10;
LSchG Vlbg 1982 §13;
LSchG Vlbg 1982 §20 Abs1;
SteinbruchV 1955 §18 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landesabgabenamtes für Vorarlberg vom 2. September 1988 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 20 des Landschaftsschutzgesetzes, Vorarlberger LGBl. Nr. 1/1982, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 22/1988 (im folgenden LSchG bezeichnet), verpflichtet, "für die jeweils in der Rheinmündung in der Zeit vom 4. 1. bis 22. 4. 1988 abgebauten 12.280 t Sand (S 5,30/t) S 65.084,-- und für die im Zeitraum vom 2. 5. bis 8. 6. 1988 abgebauten 2.177 t Sand (S 5,30/t) S 11.538,10, sohin insgesamt S 76.622,10 an Landschaftsschutzabgabe zu entrichten". Weiters wurde ein Säumniszuschlag zur Bezahlung vorgeschrieben.
In der Begründung dieses Bescheides wird bei der Darstellung des Verwaltungsgeschehens auf Mitteilungen der Internationalen Rheinregulierung, Bauleitung Lustenau, verwiesen, wonach von der Beschwerdeführerin näher bezeichnete Sandbaggerungen vorgenommen worden seien.
In der Darstellung des Verwaltungsgeschehens wird u.a. auch darauf hingewiesen, daß vom Landesabgabenamt für Vorarlberg die Internationale Rheinregulierung gebeten worden sei, das Zustandekommen der Sandbaggerungen näher auszuführen. Im Antwortschreiben sei mitgeteilt worden, daß es sich bei den an der Mündung durchgeführten Sandentnahmen um flußbauliche Maßnahmen handle, die für die Projektserstellung notwendig seien. Eine Zustimmung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz über diese Sandbaggerungen sei nicht erforderlich.
Im Erwägungsteil der Begründung dieses Bescheides wird auf die Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Änderung des Landschaftsschutzgesetzes (gemeint: 16. Beilage im Jahre 1981 zu den Sitzungsberichten des XXIII. Vorarlberger Landtages) verwiesen. Wie aus dem Motivenbericht hervorgehe, seien nur jene Räumungsmaßnahmen in fließenden Gewässern nicht bewilligungspflichtig und auch nicht abgabepflichtig, die
1) auf Grund einer behördlichen Anordnung, z.B. nach dem Wasserrechtsgesetz, erfolgten und 2) bei denen das entnommene Material nicht mit Gewinn weiterveräußert werde. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe mitgeteilt, daß hinsichtlich der Sandbaggerungen im Rhein keine wasserrechtliche Anordnung erlassen worden sei. Auch vom Landeshauptmann liege keine Anordnung zur Flußräumung vor. Auf Grund der Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes sei in erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig, unbeschadet der im Wasserrechtsgesetz einzeln festgelegten anderen Zuständigkeiten. Auf keinen Fall sei sohin die Internationale Rheinregulierung, Bauleitung Lustenau, Behörde im Sinne des Wasserrechtsgesetzes. Nachdem keine behördliche Anordnung im Sinne des vorzitierten Pkt. 1) vorliege, könne nicht von einer abgabenfreien Räumungsmaßnahme ausgegangen werden. Auf Grund der Nichterfüllung des Pkt. 1) sei die unter Pkt. 2) angeführte Bedingung (keine Weiterveräußerung mit Gewinn) keiner weiteren Überprüfung zu unterziehen gewesen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Zur Begründung wird u. a. darauf hingewiesen, aus dem Sachverhalt ergebe sich, daß die Baggerungen über Auftrag der Internationalen Rheinregulierung, Bauleitung Lustenau, im Zuge einer flußbautechnisch bewilligten Baumaßnahme, für die die erforderlichen Bewilligungen auch nach dem Landschaftsschutzgesetz vorlägen, erfolgt seien. Der angefochtene Bescheid stütze sich auf die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, die contra legem argumentierten. Nach § 13 LSchG seien u.a. Entnahmestellen von Sand landschaftsschutzbewilligungspflichtig. Dieser Tatbestand liege aber nicht vor, weil es sich hiebei um eine feste Entnahmestelle handeln müsse. Dies sei hier aber nicht der Fall, sondern es werde jeweils nach flußbautechnischer Notwendigkeit vorgegangen. Nicht der Wunsch zur Entnahme des Materials bestimme die Baggerstelle, sondern die flußbautechnische Notwendigkeit, sodaß keine bewilligungspflichtige Anlage vorliege.
Weiters wird in der Berufung dahingehend argumentiert, daß die Internationale Rheinregulierung, die auf einem völkerrechtlichen Vertrag zwischen Österreich und der Schweiz beruhe, zwar möglicherweise keine Behörde "im engsten Sinne österreichischen Verfassungsverständnisses" sei; ihre Anordnung entspreche "vom Gewicht und Struktur her" jedoch der einer Behörde im Sinne des genannten Motivenberichtes.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Zur Begründung wird im wesentlichen darauf hingewiesen, daß Voraussetzung einer Abgabenbefreiung eine behördliche Anordnung zur Flußräumung sei. Die Behörde müsse also zur Anordnung - das seien hoheitliche Maßnahmen - befugt sein. Die Internationale Rheinregulierung, Bauleitung Lustenau, sei keine Behörde, insbesondere nicht im Sinne des Landschaftsschutz- oder Wasserrechtsgesetzes. Nachdem keine behördliche Anordnung im Sinne der Erläuternden Bemerkungen zum Landschaftsschutzgesetz vorliege, könne nicht von einer abgabenfreien Räumungsmaßnahme ausgegangen werden. Auf Grund der Nichterfüllung dieses Punktes sei die zweite Bedingung (keine Weiterveräußerung mit Gewinn) keiner weiteren Überprüfung zu unterziehen. Bemerkt werde aber, daß die Beschwerdeführerin in einem näher bezeichneten Schreiben selbst vorbringe, daß das mit Schwemm- und Trockenbagger gewonnene Abbaumaterial mit zugeführtem Kieselmaterial vermischt werde, um es in der Bauwirtschaft der Verwertung zuführen zu können. Auf Grund dieses Vorbringens könne schwerlich von einer fehlenden Gewinnabsicht ausgegangen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, "nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen Landschaftsschutzabgabe bezahlen zu müssen". Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 13 LSchG hat folgenden Wortlaut:
"Bewilligungspflichtige Anlagen
Steinbrüche, Entnahmestellen von Schuttmaterial aller Art sowie von Sand und Kies, Lehm- und Ziegeleitongruben sowie Torfgewinnungsstätten - im folgenden Bodenabbauanlagen genannt - dürfen nur mit Bewilligung der Behörde eingerichtet und betrieben werden."
Nach § 20 Abs. 1 LSchG ist zur Entrichtung der Landschaftsschutzabgabe verpflichtet, wer Steine, Sand, Kies oder Schuttmaterial aller Art in einer bewilligungspflichtigen Bodenabbauanlage (§ 13) abbaut.
Der Beschwerde kommt im Ergebnis schon insoweit Berechtigung zu, als das Bestehen einer Abgabenschuld mangels Vorliegens einer bewilligungspflichtigen Bodenabbauanlage bestritten wird.
Der nicht eigens umschriebene Abgabentatbestand knüpft bei der Bestimmung des Abgabenschuldners im § 20 Abs. 1 LSchG daran an, daß bestimmte Materialien - nämlich Steine, Sand, Kies oder Schuttmaterial aller Art - in einer bewilligungspflichtigen Bodenabbauanlage abgebaut werden. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 21. Dezember 1981, Zl. 17/2603/80, näher dargelegt hat, ist unter "Abbau" die "Gewinnung" der abgabengegenständlichen Materialien zu erblicken.
Voraussetzung der Entstehung der Abgabenschuld für den Abbau der abgabengegenständlichen Materialien ist deren Gewinnung in einer an anderer Stelle des LSchG (§ 13) geregelten bewilligungspflichtigen Bodenabbauanlage. § 13 LSchG macht nun die Gewinnung der dort aufgezählten Materialien (und zwar die im § 20 Abs. 1 LSchG genannten sowie auch weitere) durch BESTIMMTE Bodenabbauanlagen von einer Bewilligung abhängig. Nicht jeglicher "Abbau" von Materialien - im Sinne des Loslösens vom Mutterboden - ist bewilligungspflichtig, sondern nur dessen Gewinnung durch bestimmte, auf das jeweilige Material bezogene AbbauANLAGEN; so etwa die Gewinnung von Steinen durch Steinbrüche oder von Sand durch "Entnahmestellen". In diesem Sinne ist daher z.B. der Anfall von Steinen im Zuge eines Tunnelbaues keine bewilligungspflichtige Gewinnung dieses Materials durch Bodenabbauanlagen nach § 13 LSchG.
Eine Definition dieser verschiedenen Bodenabbauanlagen, nämlich der Begriffe Steinbruch, Entnahmestellen von Schuttmaterial aller Art sowie von Sand und Kies, Lehm- und Ziegeleitongruben sowie Torfgewinnungsstätten, enthält das Gesetz nicht.
§ 10 des Landschaftsschutzgesetzes, LGBl. Nr. 33/1973, in seiner Stammfassung - also vor der Novelle LGBl. Nr. 38/1981 (das LSchG ist eine Neukundmachung dieses Gesetzes in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 38/1981, wobei dessen § 10 dem § 13 LSchG entspricht) - hatte folgenden Wortlaut:
"§ 10
Bewilligungspflichtige Anlagen
Steinbrüche, Entnahmestellen von Schuttmaterial aller Art, Sand-, Kies-, Lehm- und Ziegeleitongruben sowie Torfgewinnungsstätten - im folgenden Bodenabbauanlagen genannt - dürfen nur mit Bewilligung der Behörde eingerichtet und betrieben werden."
Den darin genannten Einrichtungen (wie u.a. Sand-, Kies-, Lehm- und Ziegeleitongruben) ist schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein dahingehender Begriffsinhalt beizumessen, der jedenfalls auf eine zweckorientierte und damit im Zusammenhang stehend organisierte Gewinnung von bestimmten Materialien abstellt (vgl. etwa auch § 18 Abs. 1 der Verordnung über den Schutz der Dienstnehmer und der Nachbarschaft beim Betrieb von Steinbrüchen, Lehm-, Ton-, Sand- und Kiesgruben sowie bei Haldenabtragungen, BGBl. Nr. 253/1955, wonach in Steinbrüchen und Gruben vor Beginn der Materialgewinnung der Abraum, der ÜBER DEN ZUR GEWINNUNG BESTIMMTEN MATERIAL lagert, beseitigt werden muß). Daraus läßt sich aber ableiten, daß es sich bei diesen Bodenabbauanlagen um Einrichtungen handeln muß, die dem Zweck der Gewinnung des (jeweiligen) Materials zu dienen bestimmt sind.
Nichts zwingt zur Annahme, daß dieser Sinngehalt des Gesetzes durch die Novelle LGBl. Nr. 38/1981 verändert worden wäre, wenn durch diese Novelle die Worte "Sand-, Kies-" durch die Wendung "sowie von Sand und Kies" ersetzt wurden. Insbesondere läßt sich auch aus den Materialien (16. Beilage im Jahre 1981 zu den Sitzungsberichten des XXIII. Vorarlberger Landtages, S. 12) nichts Gegenteiliges ableiten. Danach soll diese Änderung lediglich der Klarstellung dienen, daß auch die Entnahme von Kies und Sand aus Gewässern der Bewilligungspflicht unterliegt.
Bei der verfahrensgegenständlichen Sandentnahme handelt es sich nach der durch den angefochtenen Bescheid nicht abgeänderten (jedenfalls erkennbaren) Sachverhaltsannahme der erstinstanzlichen Behörde um eine flußbauliche Maßnahme. Davon, daß diese Sandentnahme im oben dargestellten Sinn zum Zwecke der Sandgewinnung vorgenommen worden sei, ist nirgends die Rede, sodaß notwendigerweise davon auszugehen ist, eine Bodenabbauanlage im Sinne des Gesetzes liege nicht vor. Es kann dahingestellt bleiben, ob mit einer flußbaulichen Maßnahme auch (wirtschaftlich verwertbares) Material anfällt; dies ist nur eine Folgewirkung solcher flußbaulich bedingter Maßnahmen, jedoch nicht ihr bestimmender Zweck.
Die belangte Behörde hat deshalb in Verkennung der Rechtslage aus dem Sachverhalt den rechtlichen Schluß gezogen, daß bereits eine mit einer flußbaulichen Maßnahme verbundene Sandentnahme eine Bodenabbauanlage im Sinne des Gesetzes darstelle.
Daran vermag auch nichts zu ändern, daß sich die belangte Behörde (wie schon die Behörde erster Instanz) auf Ausführungen in den bereits erwähnten Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (16. Beilage im Jahre 1981 des XXIII. Vorarlberger Landtages, S. 12) beruft. Darin heißt es:
"Die Änderung wird zum Anlaß für im Begutachtungsverfahren gewünschte klärende Feststellungen genommen: Einmal, daß Räumungsmaßnahmen in fließenden Gewässern, die auf Grund einer behördlichen Anordnung erfolgen und bei denen das entnommene Material nicht mit Gewinn weiterveräußert wird, nicht bewilligungspflichtig sein sollen. Zum anderen, ..."
Wenn auch Gesetzesmaterialien als Auslegungsbehelf herangezogen werden können, so entspricht es doch allgemeiner Lehre und Rechtsprechung, daß die Gesetzesmaterialien weder das Gesetz selbst sind noch eine authentische Interpretation desselben darstellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1975, Slg. N. F. Nr. 4829/A). Nach dem oben Gesagten finden diese Ausführungen, worauf die Beschwerdeführerin zutreffend hinweist, im Gesetz keine Deckung. Aus der Formulierung ("... klärende Feststellungen ...") ist vielmehr abzuleiten, daß damit gar nicht der mit dem Normsetzungsakt verbundene Wille des Gesetzgebers dargetan werden soll, sondern überschießend Aussagen getroffen werden sollen. Einer derartigen "Gesetzesergänzung" kommt aber keine normative Kraft zu. Es hat daher im Beschwerdefall auch dahingestellt zu bleiben, ob das "Tatbestandselement" der Erläuternden Bemerkungen (Räumungsmaßnahme auf Grund einer behördlichen Anordnung) erfüllt war oder nicht.
Da die belangte Behörde die Rechtslage schon im oben aufgezeigten Sinn verkannte, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.
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